Kapitel 64

386 33 2
                                    

„Du solltest schlafen gehen.... Du hast viel Energie verbraucht, das wirst du morgen merken, wenn du dich jetzt nicht ausruhst.", riss mich Moonlight plötzlich aus meinen Gedanken. „Dann mache ich das, aber was ist mit den Jungs....?", fragte ich unsicher. „Ich werde schon ein Auge auf die Beiden haben.", versprach sie mir schmunzelnd. Lächelnd dankte ich ihr und ging zu unseren Rucksäcken, um eine Decke herauszuholen. Ich hatte mich gerade auf den Boden gelegt und es mir einigermaßen bequem gemacht, als mir noch etwas einfiel. „Kannst du mir beibringen, wie ich meine Kraft und meine Emotionen unterdrücke?", fragte ich sie ehrlich.  

Zuerst sah sie mich etwas schockiert und überfordert an, doch dann nickte sie. „Ich muss dich aber warnen, dass könnte dir schaden und es wir sehr schwierig zu lernen sein.", prophezeite sie mir ernst.... „Das nehme ich in Kauf.", erwiderte ich nur monoton und drehte mich zur Seite. Kurz bevor ich einschlief, ließ ich noch einen Dolch unter mein improvisiertes Kissen aus meiner Jacke verschwinden.... Lieber Vorsicht als Nachsicht! 

Die ganze Nacht verbrachte ich wieder in Alistairs Körper und sah, wie er den Wald nach mir durchsuchte. Als es dann begann zu dämmern, wachte ich Schweiß bedeckt auf. Es war jedes Mal eine Qual durch Alistairs Augen sehen zu können.... Seufzend stand ich auf und blickte zu den Anderen. Moon war wohl eingeschlafen, denn sie lag nicht weit entfernt an die Wand gelehnt und atmete ruhig. Leise ging ich zu Ryan und Jason, um nach ihnen zu schauen. Nacheinander legte ich jeweils eine Hand auf ihre Stirn.... Moon hatte gute Arbeit geleistet! Von Beiden hatten sich die Temperaturen fast schon wieder komplett normalisiert, doch sie müssten sich noch einige Tage ausruhen müssen, um wieder voll bei Kräften zu sein.  

Entschuldigend blickte ich ihn die blassen Gesichter beider.... „Ich werde alles dafür tun, dass so etwas nicht mehr passiert!", murmelte ich schuldbewusst. Langsam raffte ich mich auf und wollte schon ein kleines Feuer anmachen, als mein Magen plötzlich zu knurren begann. Da mein Essen am Abend zuvor nur sehr mager ausgefallen war, hatte ich nun einen wahnsinnigen Hunger. Deshalb ging ich zu unseren Rucksäcken, in welchen noch etwas zu Essen verstaut war. Doch zu meinem Pech musste ich feststellen, dass nicht mehr viel übrig war. 

Genervt schnappte ich mir einen Bogen und ein Messer und ging nach draußen.... Ich musste uns wohl etwas zum Essen besorgen. Als ich hinaus in die Sonne trat, atmete ich die klare Luft ein. Vielleicht würde es mir gut tun, eine Weile hier draußen zu sein. Doch leider würde ich auch nicht so schnell etwas finden, da so gut wie kein Tier sich in diesem Wald herumtrieb... Ich würde schon was finden! Mit diesem Satz setzte ich die ersten Schritte.

Ich war nun schon seit ungefähr einer Stunde unterwegs und hatte noch kein einziges Lebewesen gesehen... Egal, wie sehr ich lauschte, ich konnte nur meine eigenen Schritte hören. Kein einziges Lebenszeichen... Frustriert blieb ich stehen und blickte in den strahlend blauen Himmel hinauf. Trotz des schönen Wetters war es im Wald ungewöhnlich frisch. In jedem anderen Wald wäre ich schon etlichen Tieren über den Weg gelaufen, doch hier hatte ich keine Chance. Trotzdem durfte ich nicht ohne Proviant zurückkehren, da wir unbedingt etwas benötigten. Verzweifelt ließ ich mich an einem Baumstamm zu Boden gleiten. Die Anderen waren bestimmt schon wach und machten sich langsam Sorgen um mich. Das bedeutete, dass ich bald zurückkehren müsste. Doch das konnte ich nicht ohne Beute... 

Plötzlich ertönte nicht weit vor mir ein lautes Knacksen. Erschrocken fuhr ich hoch und blickte durch die kahlen Bäume. Angespannt stand ich da, in einer Hand eine Flamme in der anderen das Messer. Doch, was ich dort sah, ließ mein Herz höher schlagen. Niemals hätte ich gedacht, so viel Glück zu haben. Zwischen den Bäumen standen zwei Rehe.... Langsam schlich ich mich näher, darauf bedacht keine Geräusche zu machen. Kurz bevor ich sie erreicht hätte, viel ein Ast keine dreißig Zentimeter neben mir zu Boden. Fluchend sah ich zuerst dorthin und wandte dann wieder den Blick den Rehen zu, welche mich anstarrten. Doch sie rannten nicht weg, so wie ich es erwartet hatte. Sie blieben einfach ruhig stehen und sahen mich sowohl etwas ängstlich als auch erwartungsvoll an. Langsam näherte ich mich ihnen, bis ich direkt vor ihnen stand. Vor lauter Entsetzten hielt ich mir die Hand vor den Mund, als ich eines der Rehe genauer ansah. Wie hatte ich nur den Geruch von Blut übersehen können... Das Reh war von vielen tiefen Wunden übersäht, aus welchen ununterbrochen Blut floss. Wie konnte es überhaupt noch stehen? Genau in diesem Augenblick brach es vor mir zusammen.... Ich sank auf die Knie und nahm ohne nachzudenken seinen Kopf in meinen Schoß. Sanft strich ich über ihren Nasenrücken. Ihre Augen hatten mich fixiert und sahen mich immer noch erwartungsvoll an. Als würde es mir etwas mitteilen wollen.

Ich spürte, wie ihr Herz immer langsamer pochte und das Leben aus seinen Augen wich. Keuchend atmete es... Das arme Tier musste wirklich furchtbare Schmerzen haben! Vor Schreck fuhr ich zusammen, als mich das andere Reh an stupste und mit seinen Hufen das Messer zu mir schob, welches ich vor Entsetzen hatte fallen lassen. Vorsichtig nahm ich es in die Hand und sah auf das Reh unter mir, welche qualvoll im Sterben lag. Als würde es hören können, was ich dachte nickte es.... Es war bereit zu sterben... Mit Tränen in den Augen blickte ich nochmal auf das Tier hinab, bevor ich ihm den letzten Schritt zum Tod erleichterte... 

Legende des Phönix - Wiedergeboren (Bd. 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt