Kapitel 60

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Wir liefen seit ungefähr drei Stunden durch die Gegend. Immer wieder warf mir Ryan komische Blicke zu, doch ich ignorierte ihn gekonnte und gesellte mich zu Jason. „Spürst du irgendetwas? Wegen dem, was du davor gesagt hast...", murmelte er verlegen, als ihm klar wurde, dass das kein Thema war, über das ich gerade reden wollte. Ich seufzte auf und ohne es zu wollen, gingen meine Gedanken automatisch an das ziehende und warnende Gefühl in meinem Inneren. „Ja... Dieses Ziehen in mir wird immer stärker. Es macht mich allmählich verrückt. Es ist, als würde dieses Gefühl meine Instinkte ansprechen.... Den Instinkt zu fliehen... Am liebsten würde ich gerade meine Beine in die Hand nehmen und von hier verschwinden.", erklärte ich niedergeschlagen. Mir war klar, dass ich mich sicherlich lächerlich anhörte, weswegen ich beschämt auf den Boden sah. Als Jason das sah, blieb er stehen und umschloss mein Gesicht mit seinen Händen. 

Überrumpelt blickte ich geradewegs in seine wunderschönen grünen Augen. Ein Lächeln bildete sich in seinem Gesicht, nachdem er entdeckt hatte, dass sich meine Wangen leicht rot färbten. Ich war wie verzaubert und konnte mich einfach nicht von seinen Augen abwenden. Sie hatten kleine goldene Sprenkel, je näher man zur Mitte kam. Das Gold erinnerte mich ein wenig an Cronos, da ein paar seiner Federn einen kleinen Touch an Gold hatten. 

Jason riss mich aus meinen Überlegungen, als er plötzlich etwas sagte. „Ist irgendwas Interessantes in meinem Gesicht?", fragte er gespielt. Mit schelmischem Grinsen blickte er mich an. Verlegen wandte ich mich ab und stapfte wieder los. Ich hatte gar nicht mitbekommen, wie weit die anderen mittlerweile schon gegangen waren.... Wie lange ich ihn wohl angestarrt hatte? Bei dem Gedanken färbten sich meine Wangen noch röter als davor, falls das überhaupt noch möglich war. Eilig schloss ich wieder zu den anderen auf, während Jason ganz entspannt hinter mir her schlenderte. Moon und Ryan warfen mir beide verwirrte Blicke zu, als ich fast über eine Wurzel stolperte, da ich nicht auf den Boden geachtet hatte. 

Schweigend gingen wir weiter. Jeder für sich allein... Die Atmosphäre war sehr angespannt und mir kamen wieder Moons Worte ins Gedächtnis. Ich ärgerte mich über mich selbst, dass ich es nicht geschafft hatte mit Ryan zu reden. Warum hatte ich ihn gleich so angehen müssen? Etwas unbehaglich näherte ich mich Ryan langsam. Ich musste mich endlich zusammen reißen!

„Ähm... Ryan?", fragte ich stotternd. „Was ist?", schnauzte er mich genervt an. Erschrocken zuckte ich zusammen, da ich nicht erwartet hatte, dass er so kühl antworten würde, obwohl das durchaus verständlich war. Schwer schluckte ich und suchte nach Worten, doch mein Hals war trocken und mein Kopf war leer. Während ich verzweifelt nach Wörtern suchte, merkte ich nicht, dass Ryan stehen geblieben war. Irritiert blickte ich mich um, als ich sah, dass niemand neben mir war. Als ich dann hinter mich blickte, stand er einige Meter hinter mir und blickte mich mit traurigem Blick an.

Ich blickte mich kurz zu den anderen um, bevor ich wieder auf Ryan zuging. „Ist alles in Ordnung?", fragte ich nervös, da ich nicht wusste, wie ich mich verhalten sollte. Es war, als hätte sich mein Verstand verabschiedet. Kurz musterte mich Ryan noch mit seinem sehnsüchtigen, traurigen Blick, bevor sich sein Gesicht wieder verschloss. „Natürlich ist alles in Ordnung!", sagte er mit arrogantem Lächeln. Das brachte das Fass zum Überlaufen. Wutentbrannt schaute ich ihn an und ich konnte spüren, dass sich mein Körper bei jedem darauffolgendem Atemzug erwärmte. Ryans Lächeln war mittlerweile aus seinem Gesicht verschwunden und er sah mich schockiert an. Ich fing an zu grinsen, als ich den Grund für sein Empfinden in seinen Augen sah. Meine Augen hatten sich verfärbt.... Mein Spiegelbild blickte aus seinen Augen auf mich nieder. Ein Auge leuchtete in einem intensiven Rot, dass man meinen könnte, ein Feuer würde im Inneren brennen. Mein rechtes Auge hingegen leuchtete zur Hälfte auch Rot, doch die andere Hälfte strahlte in einem starken Lila. Es sah genauso zu bewundern wie zu fürchten aus. 

Ryan schien zu merken, dass er einen Fehler gemacht hatte. Man sah ihm an, dass er versuchte, sich zusammenzureißen. „Leila, hör mir zu! Okay?", fing er vorsichtig an. Ich antwortete nicht und sah ihn weiterhin mordlustig an. Mein Herz pumpte auf Hochtouren und mein Körper wurde überrollt von der Magie, die darum bat, endlich freigelassen zu werden. Der Druck, der davon entstand wurde von Sekunde zu Sekunde schlimmer und ich wusste nicht, wie lange ich es noch halten konnte. Ryan sah zwar, dass etwas nicht stimmte, doch er wusste nicht, wie gefährlich ich gerade war.

Jason und Moon hatten wohl gemerkt, dass wir stehen geblieben waren, denn ich konnte ihre Stimmen von irgendwoher hören, doch sie kamen nur sehr stumpf bei mir an. Da erschienen auch schon ihre Gestalten in meinem Blickfeld. Moon fuchtelte wild mit den Armen umher, während Jason auf Ryan einzuschreien schien, doch ich bekam von alldem nicht wirklich etwas mit, da ich versuchte, nicht in die Luft zu gehen. Den einzigen Satz, den ich einigermaßen verstand war:

Wir müssen sie unbedingt beruhigen ansonsten sind wir alle tot! 

Legende des Phönix - Wiedergeboren (Bd. 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt