Kapitel 2

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»Und«, versuchte die Frau ein Gespräch anzufangen, als sie losfuhr. »Bist du schon neugierig, wie deine neue Familie sein wird?«

»Familie«, wiederholte Lucas leise und abfällig zu sich selbst. »Ich scheiß auf Familie. Sowas hält eh nicht. Zumindest bei mir nicht.«

»Wie bitte?«, fragte die Frau, hörte sich wirklich so an, als hätte sie ihn nicht verstanden. Er hatte ja auch extra leise gesprochen.

»Gar nichts«, sagte Lucas und lächelte sie falsch an. »Ich freu mich schon sehr auf meine perfekte neue Familie und bin Ihnen so unglaublich dankbar, dass sie mich von meiner Mutter getrennt haben.«

Die alte Frau seufzte. »In ein paar Jahren wirst du mir vielleicht danken«, erklärte sie überzeugt von sich selbst. »Ein Kind braucht eine Familie. Und Eltern. Richtige Eltern, die sich um ihn kümmern. Das verstehst du jetzt vielleicht noch nicht, aber in ein paar Jahren wirst du das vielleicht.«

»Ich bin kein Kind«, wiederholte Lucas und starrte aus dem Fenster, beobachtete zum letzten Mal die so bekannte Gegend. Es machte ihn so wütend, dass sie ihn wie ein Kind behandelte, dass er seine Hände zu Fäusten ballte und sich zusammenreißen musste sie nicht anzuschreien, dass sie ja keine Ahnung hatte, was er in seinem Alter schon alles verstand.

Nun schwieg die Frau endlich, schien wohl gemerkt zu haben, dass Lucas nicht bereit war eine Unterhaltung mit ihr zu führen. Den Rest der Fahrt starrte Lucas aus dem Fenster und versank in Hass auf alles. Als sie schließlich ankamen bei seiner neuen ›Familie‹, war es schon später Nachmittag und Lucas verfluchte die Frau und die neue Familie dafür, dass sie so weit von seinem Zuhause entfernt waren. Sicherlich mit Absicht, damit er nicht mehr zurückrennen konnte. Es war einfach lächerlich.

Sie parkte in einem großen Vorgarten, in dem wahrscheinlich gleich Platz für drei Autos gewesen wäre. Aber so viele hatten sie wohl nicht, denn es stand kein einziges da. Das Haus war viel größer und schöner als seine vorherige abgekommene Bude, aber das tröstete ihn auch nicht.

Als sie vor der Tür standen, räusperte sich die Frau und sah zu Lucas. »Bereit?«

Lucas verdrehte die Augen. »Klingeln Sie schon.«

Die Frau drückte auf die Klingel und keinen Atemzug später wurde die Tür auch schon von einer strahlenden jungen Frau aufgerissen, deren helle Augen funkelten wie Sterne. Gleich hinter ihr stand ein Mann, der zwar sehr streng aussah, aber dennoch lächelte. Lucas wollte sich am liebsten einfach auf dem Absatz umdrehen und davon rennen, doch wo sollte er schon hin?

»Hallo Lucas!«, sagte die Frau überschwänglich und schien beinahe so, als würde sie ihn umarmen wollen, doch der Mann legte ihr eine Hand auf die Schulter und hielt sie so zurück.

Kurz überlegte er sie auch irgendwie zu begrüßen, aber er hatte keine Ahnung was er sagen sollte. Was sagte man denn zu seinen Adoptiveltern, wenn man sie zum ersten Mal traf? Hallo, ich bin Ihr neuer Sohn? Urgh. Nichts wollte irgendwie passen, also sah er sie einfach nur an und nickte.

»Uhh ... Wenn Sie wollen, können Sie auch noch auf ein Tee oder Kaffee reinkommen, Mrs. Anderson.«

»Vielen Dank. Aber ich muss gleich weiter«, meinte die alte Frau mit ihrem höflichen Lächeln und nickte Lucas zum Abschied zu. »Ich komme in ein paar Tagen wieder um zu sehen wie es so läuft mit dem Kleinen.«

Lucas hielt sich zurück sie noch einmal darauf hinzuweisen, dass er kein Kind mehr war und schloss einfach nur wütend die Augen.

»Bis dahin wünsche ich Ihnen noch einen schönen Abend!« Mit diesen Worten drehte sie sich einfach um und ließ Lucas alleine stehen.

LuanDove le storie prendono vita. Scoprilo ora