NEW YORKS HIGH SOCIETY

By katherine_fields

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Der zweite Teil von BOSTONS HIGH SOCIETY! Es ist ein Jahr vergangen, in dem John West verzweifelt nach Brooke... More

Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
LESENACHT!!!
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Kapitel 44
Epilog
~ Ende ~
Danke

Kapitel 33

44 4 7
By katherine_fields

R A C H E L
J O R D A N

Ich sah in das Gesicht meiner kleinen Schwester.

Riley Jordan

Eine gepanzerte Scheibe trennte uns voneinander, doch ich nahm sie nicht richtig wahr. Ich nahm nichts mehr wahr. Ich wandelte wie ein toter Körper durch die Gegend. Alles prallte an mir ab. Ich fühlte nichts mehr. Brooke war ein Teil von mir gewesen. Jetzt war sie weg. Es gab nichts mehr, wofür es sich lohnte zu kämpfen. Ich hatte meiner Tochter nie sagen können, dass ich sie liebte und das würde sie jetzt auch nie mehr hören. Es war zu spät.

„Rachel!", brüllte Riley und auf einmal schlug sie mit der Hand gegen die Scheibe.

Zum ersten Mal seit Tagen zeigte ich wieder eine Reaktion.

„Verdammt, hörst du mir überhaupt zu?!", schrie sie.

Nein.

„Ist alles in Ordnung, Ma'am?", fragte ein Wärter an meine Schwester gewandt.

„Scheiße, ja!", antwortete Riley genervt, dann wendete sie mich wieder zu. „Rachel, hey! Hörst du mir jetzt zu?"

Ich versuchte es.

„Brooke ist am Leben."

◇◇◇◇◇◇◇

Zuerst hatte ich gedacht, dass ich mich verhört hatte, aber Riley meinte, sie hatte das schon drei Mal gesagt, aber ich hätte nicht reagiert. Riley hatte mir alles haargenau berichtet. Wie sie meiner Assistentin Tiana in New York über den Weg gelaufen war, sie das Bild begutachtet hatte, das sich als eine Fälschung entpuppte, wie sie gemeinsam in die Bronx zum Hauptquartier von CRUISE gefahren waren und wie sie schließlich Brooke mitgenommen hatten. Ich hatte das Gefühl, dass sie einen Teil ausgelassen hatte, aber das war mir egal, denn es zählte nur, dass Brooke mit Riley und Tiana geflüchtet war. Sie wohnten jetzt alle gemeinsam bei Riley's Sohn TJ und deren Tochter Royalty.

In meinem Inneren war etwas aufgeblüht. Vielleicht war das meine zweite Chance, um mich bei Brooke zu entschuldigen. Ich wusste, dass sie mich nicht besuchen würde, aber die Hoffnung gab ich nicht auf. Es reichte mir schon, hier in diesem Drecksloch zu überleben, wenn ich einen Fünkchen Hoffnung hatte, dass Brooke mich vielleicht in ferner Zukunft einmal besuchen würde.

Ich lief durch die Gänge und fühlte mich seit Tagen zum ersten Mal wieder lebendig. Die Tage, die nach Tiana's Geständnis folgten, waren die schlimmsten meines Lebens gewesen. Ich war nicht mehr ansprechbar gewesen. Tyrese alias BIG T hatte sich richtige Sorgen um mich gemacht und sogar Eyeline hatte mir auf ihre Weise irgendwie helfen wollen, indem sie mir eine Maniküre angeboten hatte.

Tiana hatte mich vor wenigen Minuten angerufen und sich dafür entschuldigt, wie wir alle uns getäuscht hatten, doch ich konnte es ihr nicht übel nehmen. Es klang verrückt, aber wer außer Riley hätte erkennen, dass das Bild eine Fälschung war?

„Schh!"

Erschrocken fuhr ich herum und bemerkte auf einmal, dass ich ganz alleine auf dem Gang war.

Ich schüttelte meinen Kopf. Vielleicht hatte ich mir das nur eingebildet. Also lief ich weiter.

„Ku Kuck!"

Ich zuckte ängstlich zusammen. War ein psychisch gestörter Gefangener aus der Isolationshaft entlassen worden und spielte jetzt verrückt?

Ich presste meine Lippen zusammen. Ich wünschte, Tyrese wäre an meiner Seite. Jetzt war ich alleine. Weit und breit war keiner. Ich war angreifbar.

Trotzdem lief ich weiter. Ich wollte nicht eingeschüchtert wirken. Wenn man hier einmal Schwäche zeigte und dabei beobachtet wurde, war man tot.

Plötzlich trat ein großer Mann hinter der nächsten Ecke auf. Es war Vernon, der ehemalige beste Gangster von Jake, der bei einer Übergabe in Kolumbien von der CIA verhaftetet wurde. Er saß schon seit Jahren im ARMANI. Vernon würde lieber sterben, als Jake zu verraten. Also hatte er dicht gehalten und Jake hatte Vernon einen angenehmen Platz im ARMANI sichern können und schickte ihm jeden Monat viel Geld. Vernon und Jake waren wie Brüder gewesen.

Vernon

Ich hatte mir nie viel Gedanken um Vernon gemacht, als ich herkam, obwohl ich wusste, dass er hier Häftling war. Wahrscheinlich hatte ich diesen Gedanken verdrängt, weil ich genug andere Probleme hatte. Jetzt konnte ich ihn aber nicht mehr verdrängen, denn er stand direkt vor mir. Er hatte sich kein Stück verändert, bloß mehr Tattoos zierten jetzt seine Arme.

„Rachel", sprach er mit meinen Namen mit kalter Stimme aus. Sein Gesichtsausdruck war dabei gleichgültig.

„Vernon." Ich klang gefasster, als ich es war.

„Sieh dich nur an. Du hast dich verändert."

Ich schluckte.

„Das macht dieser Ort, ich weiß", sprach er weiter. „Du bist schreckhaft geworden. Darf man sich denn nicht mal mehr einen kleinen Spaß erlauben?"

„Du hast dich kaum verändert", sagte ich mit fester Stimme.

„Mich bricht nichts und niemand - nicht einmal Alcatraz 2.0."

Ich schwieg und sah ihn abwartend an. Seine Nähe war mir unangenehm und ich hatte die schlimme Vorahnung, dass gleich etwas passieren würde.

„Darf ich bitte vorbei?", fragte ich nach einer Weile, in der er mich innig angestarrt hatte.

Er reagierte nicht und ich machte einen Schritt vor, doch er blockte ab und versperrte mir den Durchgang.

Ich hob langsam den Kopf. „Lass mich durch."

„Das kann ich nicht."

„Vernon", sagte ich warnend.

„Es tut mir leid, Rachel", sagte er gleichgültig. „Ich konnte dich immer gut leiden, bis ich erfahren habe, dass du uns betrogen hast, aber ich habe meine Befehle."

Aber ich habe meine Befehle... Bevor ich begriff, was er damit meinte, hatte er ein Messer gezückt. Ich schnappte nach Luft und fixierte die Spitze.

Ängstlich sah ich ihn an. „Vernon, bitte nicht."

„Ich habe meine Befehle", wiederholte er monoton, als hätte Jake ihn wie einen Roboter programmiert.

Er kam mir immer näher, bis ich gegen die Wand knallte. Es gab kein Entkommen. Mein Herz raste und Schweiß brach aus meinen Poren. „Bitte tu das nicht!", flehte ich. Noch vor wenigen Stunden wäre es mir egal gewesen, wenn hier und jetzt alles vorbei wäre, aber jetzt besaß ich den winzigen Funken Hoffnung, mich bei meiner Tochter zu entschuldigen. Mein Blick fiel auf die Innenseite seines Oberarms. „Was steht da?!" Erwartungsvoll sah ich an.

Vernon blickte verwirrt drein und folgte meinem Blick zu seinem Arm. In geschwungenen Buchstaben wurde ihm das Wort Family tätowiert.

„Das sind wir doch gewesen! - Eine Familie! Wir haben so viel zusammen durchgemacht. Nur weil Jake dir das hier befiehlt, heißt das nicht, dass du - "

„ - Jake ist wie mein Bruder!", unterbrach er mich wütend. „Du hast nicht das Recht dazu! Du hast uns im Stich gelassen!Frauen kommen und gehen, aber ein Bruder bleibt. Meine Loyalität wird immer nur Jake gelten."

Vernon drückte das Messer an meine Kehle und ich schrie auf. „Hilfe!"

„Es wird dich keiner hören", sagte er gehässig und ein hinterhältiges Grinsen schlich sich auf seine Lippen. „Ich habe die Wärter bestochen, in der nächsten halben Stunde hier nicht vorbeizukommen. Du weißt doch wie bestechlich sie alle im Gefängnis sind."

Ich begann zu zittern und blickte dem Tod ins Auge. Ich wusste, dass er nicht mehr zögern würde. Ich würde nur ein weiteres Opfer auf Jake's Liste sein. Ein weiterer Job, den Vernon erledigt hatte.

„BIG T ist diesmal nicht da, um dich zu beschützen", zischte er.

„Aber ich!"

Jemand brachte Vernon mit dem Elektroschocker zu Boden. Vernon schrie gequält.

Meine Sicht war durch meine Tränen verschwommen. Mein Herz raste noch immer und ich blinzelte. Dann erkannte ich ihn. Nishan Barnard.

Als ich ihn vor ein paar Wochen auf dem Hof gesehen hatte, hatten wir kaum Worte miteinander gewechselt, was ich auch verstanden hatte. Immerhin war er ein Wärter und durfte keine persönliche Bindung zu einem Häftling haben.

„Geht es dir gut?", fragte Nishan.

Nishan Barnard

Ich nickte und warf einen Blick zu Vernon. Dass ein so großer Mann mit massigem Muskelanteil gekrümmt am Boden wegen eines Elektroschocks lag, überraschte mich.

„Verzieh dich, Vernon!", fuhr Nishan ihn an und beschlagnahmte das Messer, das Vernon fallen gelassen hatte. „Das wird Konsequenzen haben."

Vernon warf ihm einen finsteren Blick zu, gehorchte aber widerwillig und verschwand.

„Danke", hauchte ich. „Gott, du siehst so anders aus. Du bist von einem kleinen Jungen zu einem wahrhaftigen Mann herangewachsen. Ich bin so stolz auf dich. Das wollte ich dir schon lange sagen, aber hier an diesem Ort hat man nicht allzu viele Möglichkeiten dazu"

Er sah mich dankend an. „Das habe ich nur dir und Riley zu verdanken."

Ich sah ihn lange an und auf einmal verformte sich sein Gesicht zu dem des kleinen Jungen, der damals für Riley und mich wie ein kleiner Bruder gewesen war. Damals, als Mr Barnard seinen LKW Job verloren hatte und betrunken nach Hause kam, hatten Riley und ich Nishan und seinen Bruder Adnan gepackt und waren abgehauen.

„Was das Leben doch alles für merkwürdige Zufälle bereithält, oder?"

Ich nickte verbissen. Ja, es war wirklich verrückt sich nach all den Jahren wiederzusehen - und dann in einem Gefängnis.

„Ich spreche auch für Adnan, wenn ich sage, dass du und Riley mehr Eltern für uns wart, als es unsere Erzeuger je hätten sein können. Auch wenn es damals auf den Straßen hart war, waren wir glücklich, weil wir uns vier hatten. Ich habe immer zu dir aufgesehen, Rachel. Dich bewundert. Du hättest alles für uns getan. Als der harte Winter kam und du und Riley uns ins Heim geben musstet, waren wir zuerst wütend auf euch, aber nach einer Zeit habe ich verstanden, warum ihr das getan habt. Warum ihr das tun musstest."

Daran erinnerte ich mich noch sehr gut. Ich sah ihn verwegen an. Damals hatte es mir das Herz gebrochen, die zwei kleinen Jungs abzugeben. Sie hatten geweint und gebettelt, aber Riley und ich hatten damals keine andere Wahl gehabt.

„Ihr wolltet immer nur das Beste für uns", fuhr er fort. „Dank euch sind Adnan und ich nicht auf die falsche Bahn geraten."

Ich unterdrückte die aufkommenden Tränen, die sich in meinen Augen sammelten und fragte: „Wo ist Adnan jetzt?"

„Er ist mit seiner Familie nach Miami gezogen. Er hat zwei wunderbare Töchter - Zwillinge. Adnan arbeitet als Pilot. Er hat es geschafft, weißt du."

Ich lächelte bei der Vorstellung Adnan in Uniform zu sehen und ein Flugzeug zu fliegen. Dann wanderte mein Blick zu Nishan's Uniform und mir wurde aus irgendeinem Grund schlecht. „Wieso bist du - ?"

„ - Warum ich das geworden bin, was ich bin? Die Gefängnisse in Amerika sind scheiße. Das ganze System, es ist - Ich bin hier, um meinen Beitrag zu leisten. Wie du letztens auf dem Hof bemerkt haben musst, bin ich der einzige Wärter hier, der nicht bestechlich ist."

„Aber du arbeitest in einem Privatgefängnis, Nishan."

Er seufzte. „Ich weiß. Das tue ich aber nur, weil ich weiß wie mies es den Menschen hier geht. Ich versuche ihnen Struktur beizubringen. Regeln - irgendwie."

Das hatte ich schon in den Augen von Nishan gesehen, als er ein kleiner Junger war. Diese Hoffnung, die Welt verbessern zu können. Viele Kinder trugen diesen Gedanken in sich, doch wenn man erwachsen wurde und die Realität kennenlernte, war diese Hoffnung - dieses Ziel ganz schnell vergessen. Aber Nishan hatte diesen Willen behalten. Ich hatte schon immer gewusst, dass er besonders war. Nishan war schlau. Ich hatte das Potenzial in ihm gesehen, wenn ich ihm bei den Hausaufgaben geholfen hatte. Dennoch hatte er sich hierfür entschieden - und ich verstand es.

„Es ist so lange her", murmelte er. „Ich hab dich damals überall in den Nachrichten gesehen. Du warst sowas wie Michelle Obama 2.0. Adnan's Töchter haben immer gesagt Wenn ich groß bin, will ich so wie Rachel Jordan sein. Adnan hat mir erzählt, dass die zwei in der Schule überall rumerzählt hatten, dass du die Pflegeschwester von ihrem Dad bist." Er schmunzelte. „Natürlich hat ihnen niemand geglaubt. Das wäre so, wie wenn ich sagen würde, ich bin mit Oprah Winfrey befreundet."

Er entlockte mir ein Lächeln, doch dann sah ich wieder der Realität ins Augen, dem Hier und Jetzt. Heute würde das kein kleines Mädchen mehr sagen. Heute verurteilten mich die Leute - und dazu hatten sie jedes Recht. Ich war nie das Vorbild gewesen, dass alle in mir gesehen hatten. Ich war nie Michelle Obama 2.0 gewesen. Das war alles nur Schein. Ich hatte mir mein Imperium der Macht illegal aufgebaut.

„Sag mir nur eins", begann Nishan zögernd. „Stimmt es?"

Ich schluckte hart. „Ja."

„Verdammt, Rachel!"

Ich seufzte. „Ich weiß. Ich war jung und dumm. Ich habe viele Fehler gemacht, nachdem Riley und ich euch in ein Waisenhaus gegeben haben. Meine Taten bereue ich, aber sie sind nicht rückgängig zu machen. Aber Jake, er hat mir vor Gericht falsche Sachen angedreht. Er hat dafür gesorgt, dass meine Strafe härter ausfällt, als sie hätte sein sollen."

„Du warst also wirklich mit diesem Bastard zusammen? Jake Cruise ist wirklich der Vater deiner Tochter?"

„Ja", antwortete ich wie betäubt. „Jake Cruise ist Jack Curtis."

Er sah mich irritiert an. „Der Mann, der JORDAN übernommen hat?"

Ich nickte.

Fassungslos starrte Nishan mich an.  

„Wir können uns doch öfter sehen, oder?", wechselte ich das Thema. Über Jake und seine Pläne zu reden, war es nicht wert, weil wir daran sowieso nichts ändern konnten. „Es tut so gut mit jemandem zu reden, den ich kenne."

„Ich sehe, was sich machen lässt. Sicher haben wir uns viel zu erzählen." Dann warf er einen Blick auf seine Uhr. „Schon so spät? - Wir dürfen nicht zusammen gesehen werden, sonst bin ich meinen Job los. Wenn Jake Cruise wirklich so mächtig ist, hat er schon längst Mr Armani, den Direktor, um den Finger gewickelt."

Oh, die zwei waren bestimmt beste Freunde.

„Jordan?", rief eine Stimme und um die Ecke bog ein Wärter. „Barnard?" Er zog verwirrt seine Augenbrauen in die Höhe und musterte uns skeptisch.

„Die Gefangene hat sich nur verlaufen", rettete Nishan die Situation professionell, ohne einen Verdacht zu schöpfen.

„Ach, unser verwöhntes Ding hat sich immer noch nicht an den Knast gewöhnt." Der Wärter lachte höhnisch, dann wurde er wieder ernst. „Ich habe dich gesucht, Jordan. Jemand wartet auf dich im Besucherraum."

Verwundert sah ich den Wärter an. Ich hatte doch eben erst Besuch gehabt. Ich durfte nur einmal am Tag einen Besuch empfangen und das nur zu ausgewählten Tagen. Ich roch, dass wieder Bestechung im Spiel sein musste.

Schließlich lief ich an ihm vorbei und machte mich wieder auf den Weg in den Besucherraum. Ich erwartete Riley. Vielleicht hatte sie vergessen, mir etwas Wichtiges mitzuteilen und hatte sie den Wärtern die Hölle heiß gemacht, mich zu sehen. Oder es war Tiana. Vielleicht hatte sie eine wichtige Nachricht und hatte ihr Erspartes als Bestechung benutzt.

Ich trat in den Raum und setzte mich auf einen beliebigen Platz und nahm schon mal den Hörer in die Hand.

Doch anstatt meine Schwester oder meine Sekretärin zu sehen, setzte sich Michael Forbes auf die andere Seite des Panzerglas. Sein bloßer Anblick stieß einen Dolch in mein Herz und mir schnürte es die Kehle zu. Mit diesem Verräter hatte ich nicht gerechnet. Mir fiel der Hörer aus der Hand und ich begann zu zittern. Ich starrte in seine Augen, die mich immer so angezogen hatten. Ich hatte diesem Menschen vertraut. Michael war der erste Mann gewesen, dem ich mich nach Jake geöffnet hatte. Doch am Ende hatte er mich hintergangen.

Michael Forbes

Er bewegte seine Lippen, doch ich konnte ihn nicht hören und das wollte ich auch nicht. Bittend zeigte er auf den Hörer, den ich auf den Tisch fallen gelassen hatte, doch ich saß wie betäubt vor ihm. Vor Schock war ich unfähig, mich zu bewegen. Es war, als sei ich zu Stein erstarrt.

Plötzlich sah ich etwas in seinen Augen funkeln. War das eine Träne? Reue?

Schließlich nahm ich all meine Kraft zusammen und setzte den Hörer an mein Ohr.

„Rachel", sprach er erleichtert meinen Namen aus und meine Haut überzog sich mit einer Gänsehaut. „Danke, ich - ich..."

„Was willst du?", fragte ich kalt, doch ich wusste wie zerbrechlich sich meine Stimme gleichzeitig anhörte.

„Ich habe erkannt, dass alles, was ich getan habe, ein Fehler war", gestand er.

„Hast du eine Erleuchtung bekommen?", fragte ich spöttisch. „Deine Schauspielkünste kannst du dir sparen. Das zieht bei mir nicht mehr. Immerhin hast du mir über Monate lang etwas vorgemacht und ich dummes Ding bin darauf reingefallen. Du hast mir mein Herz gebrochen, Michael!"

Er sah verletzt zu Boden und flüsterte: „Es tut mir so leid."

Wut überkam mich. „Das glaube ich dir nicht. Nicht, nachdem du mich so einfach ausliefern konntest. Du hast mich nach draußen zu Jake gelockt. Erinnerst du dich?" Tränen traten in meine Augen. „Du hast mich hintergangen, vorgespielt jemand anders zu sein, doch in Wahrheit bist du auch nur einer von Jake's armseligen Handlangern."

„Das ist nicht wahr. Ich bin wirklich Architekt und Wirtschaft habe ich auch gelernt."

Ich schüttelte meinen Kopf. „Wie soll ich dir nur glauben?" Ich konnte nicht einmal fassen, dass er lebendig vor mir saß und sich entschuldigte. So viel Zeit war vergangen, in der ich hier im ARMANI war und dann hatte Michael heute Morgen einfach beschlossen, mich zu besuchen? - Das ich nicht lache. Hinter seinem Handeln steckte etwas.

„Ich gehöre nicht zu CRUISE. Das habe ich nie."

„Das würde jeder sagen. Warum bist du wirklich hier, Michael? Wieso reißt du alte Wunden auf?"

„Ich - ich kann nicht mehr schlafen. Ich fühle mich so schuldig. Rachel, es - "

„ - Spar dir deine bemühten Entschuldigungen!", schnitt ich ihm wütend das Wort ab. Ich hielt das nicht aus. „Geh in die Kirche und sündige, wenn du dein Gewissen aufpolieren willst! Aber du wagst es hierher zu kommen und verlangst von mir, dass ich dir vergebe!"

„Ich möchte, dass du verstehst, warum ich das alles getan habe."

„Oh, das ist mir egal." Meine Lippen bebten.

Er schüttelte den Kopf und sah mich innig an. „Wir bissen beide, dass das nicht stimmt."

Meine Brust schnürte sich zu.

„Du hast es auch gefühlt. Das weiß ich."

Ein bohrender Schmerz breitete sich in mir aus.

„Lass mich bitte ausreden und hör mir zu."

Ich blieb wie angewurzelt sitzen, obwohl ich aufstehen und davonrennen wollte. Michael hatte es nicht verdient, dass ich ihm zuhörte.

Doch ich blieb.

„Als du ein neues JORDAN in Los Angeles bauen lassen hast, war mein Neffe einer von den Bauarbeitern. Er war ein Flüchtling, erst ein Jahr in den USA. In seinem Land war er Bauarbeiter gewesen und er hat eine Ausbildung in den Staaten gemacht. Sein erster Auftrag war beim JORDAN Hotel zu helfen. Die Arbeiter mussten unter harten Bedingungen arbeiten, hatten fast nie eine Pause. Kaum vorstellbar, dass man so in den USA arbeiten würde, aber dir war es egal. Du hast billige Arbeiter gesucht und dir war es egal, wie erschöpft sie waren oder wie sicher die Gerüste waren. Du wolltest dieses verfluchte Hotel so schnell wie möglich fertig haben. Dir ging es nur um das Geld. An einem Tag wurde eines der meterhohen Gerüste nicht richtig befestigt, weil der Kontrolleur keine Zeit mehr hatte, seinen Rundgang zu machen, um seine Sicherheits-Checkliste abzuhaken. Mein Neffe war der Erste, der auf das Gerüst gegangen war und dann passierte es. Eine Schraube war locker."

Ich starrte ihn an. Das JORDAN in Los Angeles war das zweite Hotel meiner Karriere gewesen. Ich konnte mich noch an den Vornamen des jungen Mannes erinnern. Lynel. Wir hatten damals den Skandal vertuscht. Mich hatte der Tod des jungen Mannes mitgenommen, ich hatte seinen Eltern Schweigegeld bezahlt und hatte mir eingeredet, dass auf großen Baustellen nunmal Unfälle passierten. In meinem Inneren hatte ich aber immer gewusst, dass ich mir das nur einredete und ganz genau wusste, dass der Mann wegen meiner Zeithetze gestürzt war. Weil für mich jede Minute Geld war und ich der Meinung war, dass ein zweiter Sicherheitscheck für die Gerüste am Morgen, wenn die Arbeiter anfingen, unnötig und Zeitverschwendung war.

„Lynel war der Älteste Sohn meiner Schwester. Er war erst 22. Ich bin damals als Teenager in die Staaten gekommen, weil ich ein Stipendium an einer renommierten Schule ergattert hatte. Ich wohnte damals in Washington und habe Architektur studiert. Lynel hatte vor in seinen Ferien mich besuchen zu kommen, aber das konnte er nicht mehr, weil..." Michael verstummte. „Ich habe dich gehasst, Rachel. Dich vom Fernseher aus angebrüllt und eine Vase gegen dich geschmissen. Wie du stolz das nächste JORDAN in LA eröffnet hast und nicht einmal ein Wort über Lynel verloren hast. Meine Schwester und ihr Mann haben dein verfluchtes Geld angenommen, weil sie dachten, sie hätten keine Wahl. Ich konnte nichts machen."

Meine Kehle war staubtrocken und es war, als würden tausende Nadeln gleichzeitig in mein Herz stechen.

„Als ich Architekt wurde, habe ich mir einen Namen gemacht und so war ich irgendwann auf der Ranghöhe, um mich als Architekt mit Statikerkenntnissen bei dir zu bewerben. Dadurch, dass ich noch Erfahrung in der Wall Street hatte, war ich auch für den Posten im neuen JORDAN in Dubai qualifiziert. Mein Plan war bei der Eröffnung von dem Hotel in Dubai vor den Kameras zu sagen, dass bei der Eröffnung damals in LA ein junger Mann unter mangelnden Sicherheitsmaßnahmen umgekommen ist. Ich wollte die Bombe platzen lassen, deinen Ruf zerstören. Irgendwie bin ich auf Jake gestoßen. Er hat mich verstanden - verdammt, dieser Mann ist die Beeinflussung in Person. Wir haben einen Deal ausgehandelt. Ich würde als Spion für ihn arbeiten, um ihm geheime Informationen zu geben und im Gegenzug würde er dafür sorgen, dass der Skandal damals in LA groß rauskommen würde. Ich sollte den charmanten Typen spielen, dich dazu zu bringen, mir zu vertrauen. Das habe ich getan, aber ich - ich habe wirkliche Gefühle für dich entwickelt. Frag mich nicht wie. Immerhin war es dir egal, dass ein so junger Mann auf einer deiner Baustellen gestorben war, aber ich habe mehr in dir gesehen. Es war ein langer Weg bis ich hinter deine Fassade blicken konnte. Auch wenn ich mich dagegen gewehrt habe, habe ich erkannt, dass du kein schlechter Mensch bist. Dass du eine schlimme Vergangenheit hattest."

Eine Träne kullerte meine Wange hinab.

„Ich wurde zum Chauffeur von Abigail. Das alles hat mir Lynel auch nicht wieder zurückgebracht. Verdammt, Rachel! Ich muss die ganze Zeit an dich denken! Wenn ich aufwache, wenn ich einschlafe - egal wo. Immer sehe ich dich. Dich, Rachel. Und nicht Rachel Jordan."

„Michael, es tut mir so leid", flüsterte ich leise und hoffte, er hörte es über den Hörer, der uns miteinander verband.

„Rachel, ich li - "

„ - Sag es nicht!", unterbrach ich ihn, während sich die Tränen einen Weg über mein Gesicht bahnten. „Bitte."

Er schluchzte auf. „Als ich gemerkt habe, dass du kein schlechter Mensch bist, sondern deine prägende Vergangenheit dich geformt hat, wusste ich, dass ich dich nicht verurteilen kann. Mir wurde klar, dass das einzig richtige war, das Gute und Schöne von dir zum Vorschein zu bringen, anstatt dich tiefer in die Dunkelheit zu zerren. Du konntest nicht wirklich etwas dafür. Du warst nur das Gesicht von JORDAN und ich habe dich verantwortlich gemacht." Er stoppte und wischte sich seine Tränen mit dem Handrücken ab.

Mir war unendlich kalt und in diesem Moment wünschte ich mir nicht sehnlicher, als mich in Michael's Arme zu legen. So wie damals. „Michael, ich weiß nicht, was ich sagen soll."

„Manchmal reichen Worte nicht aus. Dann müssen Taten her. Ich will jetzt handeln. Ich habe bemerkt, dass ich auf der falschen Seite stehe. Ich möchte euch helfen."

„Suche nach einer Frau namens Riley Jordan. Sag ihr, ich habe dich geschickt. Sie wohnt gegenüber vom One57 in der Upper East Side. In einem Haus, dass auf den Namen Harris läuft."

„Das werde ich. Ich will einfach nur das Richtige tun, verstehst du?"

„Das versuchen wir doch alle." Ich schniefte. „Nur meistens können wir zwischen richtig und falsch nicht unterscheiden."

Er sah mich lange an. So sehnsüchtig und traurig. „In einer anderen Welt hätten wir zusammen sein können."

Manchmal waren nicht nur Taten mehr als Worte. Blicke sagten mehr als tausend ungesagte Worte.

◇◇◇◇◇◇◇

Okay, das war heute mal wieder ein emotionales Kapitel.

Tut mir leid, dass ihr etwas länger wie sonst auf dieses Kapitel warten musstet, denn ich muss mich gerade total auf meinen Award konzentrieren.

Ich hoffe, dass ihr euch trotzdem über das Kapitel freut und es euch gefallen hat.

Bis zum nächsten Kapitel! :)

katherine_fields

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