NEW YORKS HIGH SOCIETY

By katherine_fields

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Der zweite Teil von BOSTONS HIGH SOCIETY! Es ist ein Jahr vergangen, in dem John West verzweifelt nach Brooke... More

Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
LESENACHT!!!
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Kapitel 44
Epilog
~ Ende ~
Danke

Kapitel 17

62 5 4
By katherine_fields

R I L E Y
J O R D A N

Anders wie in Filmen spürte ich keine Sonne auf meiner verschrumpelten Haut, nachdem ich nach etlichen Jahren das Gefängnis verließ. Es war ein dunkler Tag auf der Felseninsel vor der Küste New Yorks und es schien so, als wolle die Sonne mich auslachen. Ich hatte das Schicksal nie auf meiner Seite.

"Auf Nimmerwiedersehen!", schrie ich lachend, als das große Tor zur Freiheit hinter mir ins Schloss fiel.

Wärter Baker gab einen verächtlichen Ton von sich. "Ich geb dir eine Woche!"

"Das werden wir ja sehen", murmelte ich.

In High Heels zu laufen, verlernt man genauso wenig wie Fahrrad fahren. Ich stöckelte hinaus zu dem Parkplatz und sah mich mit funkelnden Augen um.

Freiheit...

Wie lange hatte ich darauf gewartet wieder frische Luft zu schnuppern? Was hatte ich am meisten vermisst? 17 verfickte Jahre saß ich im ARMANI und jetzt würde ich mich rächen. Oh ja... An dem Mann, der meiner Schwester und mir alles genommen hat. Unsere Kinder, unsere Ehre - unser Leben... Alles. Jake würde es doppelt so hart zurückbekommen. Ich wollte ihn töten. Mehr als alles andere auf der Welt. Dieser Wichser sollte besser auf der Hut sein. Mit Riley Jordan war nicht zu spaßen, Bitch! Rachel hatte sich für mich unserem damaligen Pflegevater Jared Barnard geopfert, damit ich unversehrt blieb. Ich war meiner Schwester alles schuldig. Ich würde mir meine Tochter Abigail und meine Nichte Brooke zurückholen, danach war JORDAN dran und zu guter letzt Jake. Das beste hebt man sich doch immer für den Schluss auf, oder?

Um das aber alles bewältigen zu können, brauchte ich Geld und die einzige Person die kannte und Geld besaß, war mein Sohn TJ. Sein Dad Tyrese hatte sein ganzes Vermögen verloren. Tyrese war auch in die verdammte Drogenszene reingerutscht, weshalb er auch vor zehn Jahren ins ARMANI gekommen war. Wenigstens konnte er sich um seinen Sohn kümmern, bis TJ sieben Jahre alt war bevor Tyrese verhaftet wurde. Tyrese war ein guter Mann. Er war ein bekannter Rapper in Philadelphia gewesen, bevor er hier nach New York gezogen war. Der, der Drogen mit seinem Geld verkauft hatte, war sein Bruder Lynel gewesen und nicht Tyrese selbst. Tyrese war so dumm gewesen, dass er seinem Bruder bei einer Übergabe geholfen hatte, als dieser ihn angefleht hatte. Er konnte diese Bitte nicht ausschlagen und ehe er sich versah, befand Tyrese sich ungewollt in einem Drogenkrieg mit Mexiko. Ich verstand, dass man für seine Geschwister alles machte, schließlich war das bei Rachel und mir nicht anders gewesen, aber ich hatte Tyrese niemals verziehen, dass er in diesem Moment nicht an unseren Sohn TJ gedacht hatte.

Im Gefängnis dann ist Tyrese dann an meiner Seite zu BIG T aufgestiegen. Er war wegen dem Drogenkrieg gefürchtet, an dem er aber eigentlich nur unfreiwillig beteiligt war. Sagen tat er das aber natürlich nicht. Im Gefängnis war dein Ruf, dein Image alles. Lieber sie fürchten dich, denn dann hast du gewonnen. BIG T und Ri Ri. Ja, so war das gewesen. Wir waren das Königspaar des ARMANIS gewesen, auch wenn wir uns dauernd gestritten hatten. Ich konnte ihm nie verzeihen, dass er seinem Bruder Lynel geholfen hatte, obwohl er ein Kind Zuhause hatte. Tyrese hatte alles. Geld und Ruhm. Seine Platten hatten sich gut verkauft, aber durch seinen Bruder war er in diese Scheiße reingerutscht. Und trotzdem liebte ich Tyrese. Das habe und würde ich immer. Er war die Liebe meines Lebens schon damals in der High School gewesen, als Rachel und ich die Fosterkinder von den Barnards waren. Tyrese war der erste Junge der mich bedingungslos liebte und keine bösen Hintergedanken hatte. Nach ihm war ich nur mit scheiß Kerlen zusammengewesen, so wie Abigail's Dad Dwayne zum Beispiel. Ich musste Tyrese damals hinter mir lassen, als Rachel und ich mit den Kindern der Barnards, Nishan und Adnan, abgehauen waren.

Ich straffte mir meinen Leopardenmantel, reckte das Kinn und lief zu einem alten verschrotteten Auto. Jetzt würde ich zu TJ fahren, meinem Sohn, den ich knapp zehn Jahre nicht mehr gesehen hatte. Bei dieser Vorstellung wurde mir ganz schwindelig und plötzlich dachte ich an den Tag zurück, an dem sein Dad eingeweißt wurde. TJ war damals wie gesagt erst sieben gewesen. Er hatte mich an den Wochenenden immer mit seinem Dad besucht, bis Tyrese selbst ins ARMANI kam und ich nicht wollte, dass TJ uns jetzt beide im Gefängnis sah. Deswegen habe ich TJ zu Rachel's und meinen Cousinen Penelope und Harlow gebracht und sie gebeten sich um TJ zu kümmern.

Ich umklammerte das Lenkrad und wurde zu dem letzten Tag, als TJ mich besuchen kam, zurückkatapultiert...

Flashback

Ungeduldig zupfte ich an meinem Ärmel herum. Unter der orangenen Häftlingskleidung war mir auf einmal total heiß und ich schwitzte. Gleich würde TJ durch die Türe kommen und ich würde das schwerste tun müssen, was eine Mutter jemals tun müsste - ihr Kind wegschicken. Aber ich wusste das es richtig war und meine Entscheidung das beste für TJ sein würde.

Plötzlich sah ich ihn. Er sah wie sein Dad aus. Ich schluchzte auf, als er sich auf den Stuhl auf der anderen Seite der Scheibe setzte. Dieses verdammte Glas trennte uns nun schon seit knapp sieben Jahren. Das letzte Mal als ich ihn berührt hatte, war, als er zwei Monate alt war.

„Hey, Hübscher." Ich musste automatisch lächeln und versuchte für ihn stark zu bleiben.

„Hi, Mommy." Ein breites Grinsen legte sich auf seine Lippen.

„Na, wie geht's dir?", fragte ich.

„Gut. Heute sind zwei Frauen aufgetaucht. Ich glaub ihre Namen waren Penelope und Harlow. Sie haben gesagt, dass sie deine Cousinen sind."

„Das sind sie, mein Schatz."

„Warum sind sie hier? Sie haben gesagt, dass sie mich nach Phili mitnehmen."

„Philadelphia, ja." Ich nickte „Dort wird dein neues Zuhause sein. Penny und Harlow werden jetzt auf dich aufpassen, okay?"

„A - aber wieso, Mommy?"

Die Verwirrung und Verzweiflung in seinem Gesicht brachte mich um. „Hast du mit Daddy gesprochen?"

„Ja, ich war gerade bei ihm. Wieso ist er jetzt auch hier? Sonst habe ich ihn doch immer mit dir zusammen besucht und wir saßen hier auf dieser Seite. Jetzt saß er auf der Seite, wo du sitzt. Das verstehe ich nicht."

Ich drängte die Tränen aus meinen Augen und presste meine Lippen aufeinander. „Dein Dad hat einen Fehler gemacht - so wie ich. Deswegen sind wir hier. Ich habe dir erklärt warum Menschen ins Gefängnis gehen, erinnerst du dich?"

TJ nickte energisch. „Ja, weil sie Fehler gemacht haben oder böse sind."

„Du wirst mich erst sehen, wenn du 17 bist."

Seine Augen weiteten sich. „17? Aber Mommy, das ist - "

„ - eine lange Zeit, ich weiß", unterbrach ich ihn. „Und das tut mir so leid."

„Was ist mit Daddy?"

Ich schluckte. „Er wird noch später entlassen."

TJ öffnete seinen Mund einen Spalt, aber es kam kein Ton heraus. Er war sprachlos und konnte die Situation nicht richtig begreifen.

„Es tut mir so leid, Babyboy." Eine Träne entwich meinem Auge und ich sah ein, dass es sinnlos war, sie zu verdrängen. „Eines Tages werden wir uns wiedersehen."

„Okay, ich - ich werde die Tage zählen", schluchzte er.

„Aber ich möchte, dass du dich immer erinnerst - ich hab dich. Hörst du mich? Ich hab dich."

Er schaute zu Boden. Ich wusste nicht, ob er mir glaubte.

„Ich möchte, dass du dir meine Worte gut merkst, okay? Vergess sie nicht. Du hast eine unglaubliche Stimme und du musst gehört werden, denn das ist deine Bestimmung. Du wirst das jetzt noch nicht verstehen, aber später wenn du älter bist, wirst du meine Worte begreifen. Erzähl deine Geschichte mit deiner Stimme."

TJ nickte bedrückt.

„Seh mich an, Babyboy", forderte ich mit zerbrechlicher Stimme. „Ich bin zwar nicht direkt bei dir, aber in deinem Herzen werde ich das immer sein. Du wirst nie alleine sein. Das verspreche ich dir."

„Willst du damit sagen, dass ich dich nie wieder sehen kann?"

Wie clever mein Kleiner doch war. Ich nickte bestürzt. „Ja, TJ. Heute ist das letzte Mal, dass du mich gesehen hast und wo du vorher in dem Besucherraum mit deinem Dad geredet hast - das war auch das letzte Mal."

Angst flackerte in seinen Augen auf.

Ich stand auf und legte meine Hände an die Glasscheibe. TJ legte seine Hände an die andere Seite. Er starrte mich mit großen Augen an. „Ich hab dich", sagte ich und versuchte meine Stimme dabei fest klingen zu lassen. TJ nickte daraufhin.

Dann war die Zeit vorbei und TJ wurde von Wärter Thompson abgeführt.

„Ich liebe dich!", schrie ich, aber ich wusste nicht, ob er das noch gehört hatte, da er in diesem Moment von der Scheibe gezerrt wurde...

Flashback End

Auch jetzt kullerte mir eine heiße Träne die Wange hinab. Ich wischte sie schnell ab und krallte meine Fingernägel in das Lenkrad. Erinnerte TJ sich noch an mich? Hasste er mich? Wollte er mich überhaupt sehen? Fragen über Fragen stapelten sich empor.

Wusste ich überhaupt noch wie man Auto fuhr?

Nach dem dritten Versuch rollte das klapprige Auto schließlich über den Parkplatz. Der Kies knirschte unter den Reifen und einmal gab ich zu schnell Gas. Ich drosselte das Temp wieder und bog schließlich auf die Straße, die zur Brücke ans Festland führte. Wie lange hatte ich mich nach diesem Blick gesehnt? - Zu lange. Die Skyline schimmerte vor mir und ich kam mit jeder Sekunde meiner Freiheit ein Stück näher.

Schließlich war ich auf dem Boden von New York. Ich hatte mir ausgemalt wie dieses Gefühl sein würde. Dass ich vor lauter Freue jubeln würde, aber nein - ich blieb stumm. Und wieso? Weil ich dachte, dass ich nach all den Jahren endlich wieder meine große Schwester Rachel sehen könnte, doch das Gegenteil war geschehen. Ich musste mich soeben von ihr verabschieden. Da waren wir für einen Tag zusammen und schon hatte uns das bescheuerte Schicksal, das uns wohl hasste, auseinandergerissen. Ich musste mich an TJ festhalten, aber ich wusste nicht wie er reagieren würde, wenn ich wieder auftauchte und ich ihn nach Geld fragte und ihm sagte, dass er noch eine Schwester hatte - Abigail...

Als ich in Manhattan angekommen war, fiel mir auf, dass ich gar kein Handy besaß und dieses Auto zu alt war, um ein Navi zu besitzen - Schrottteil!

Ich sah mich um und fuhr an den Straßenrand. „Hey, Kleine!", rief ich zu einer Frau, die mit ihrem Hund Gassi ging.

Die Frau kam an meinem Wagen und ich kurbelte das Fenster runter - verflixte Karre! „Weißt du wo TJ wohnt?", fragte ich geradeaus.

„Sie meinen den Sohn von Tyrese? Der, der in diesem Drogenkrieg verwickelt war?", hakte sie nach.

Ich verdrehte meine Augen und versuchte nicht auszurasten. „Ja, der 17jährige Sänger", sagte ich ungeduldig.

„Was sind Sie? Ein Fan?"

„Ich bin - " Ich verstummte. Ich sollte meine Identität lieber für mich behalten. Also lächelte ich gefälscht und nickte. Am liebsten würde ich ihren Hund hypnotisieren, damit er sie biss.

„Der wohnt meines Wissens im One57."

Was soll denn das sein? Ich war seit 17 Jahren nicht mehr in New York. Seitdem hatte sich viel verändert. Es wurden mehr Wolkenkratzer gebaut und es war definitiv voller.

„Das ist ein Skyscraper an der Upper East Side", erklärte die Frau. „Den finden Sie leicht. Das One57 ist das höchste Wohngebäude."

Aha. Anstatt mich zu bedanken, raste ich los und kassierte dabei ein paar Hupen ein, aber das war mir scheißegal.

◇◇◇◇◇◇◇

Es dauerte seine Zeit, bis ich diesen verfluchten Skyscraper gefunden hatte.

One57

Schließlich parkte ich einfach davor und ignorierte die Blicke der Türsteher. Ich lief mit Tunnelblick in das Gebäude. Das Innere war gigantisch, doch das kümmerte mich wenig. Ich wollte nur meinen Sohn sehen - nach knapp zehn verdammten Jahren.

„Wo wohnt Tyrese Junior Harris?", fauchte ich einen Mann am Empfang an. Der hatte ja mal gar nichts auf den Rippen.

„Entschuldigen Sie, wohnen Sie hier, Miss?", fragte er.

„Nein, aber ich bin die Mutter von TJ", platzte ich heraus.

„Natürlich", meinte der Typ ironisch.

Ich funkele ihn wütend an und tippte mit meinem Zeigefinger gegen seine Brust. „Jetzt hör mir mal zu. Ich bin die Cousine von Penelope und Harlow, die hier mit meinem Sohn wohnen müssten. Glauben Sie mir, Sie wollen keine wütende Mutter erleben, die ihr Kind zehn Jahre nicht mehr gesehen hat. Also entweder sie sagen mir jetzt wo TJ wohnt oder ich mache hier eine theaterreife Szene, die Sie nie mehr vergessen werden."

Der Mann starrte mich erschrocken an und piepste: „Okay."

Er führte mich zum Aufzug und sagte mir, ich solle ins zweitoberste Stockwerk fahren. Ich grinste schelmisch, als sich die Türen des Aufzugs schlossen und der Mann mich noch immer ängstlich anstarrte. Schließlich schoss der Aufzug mit einer rasenden Geschwindigkeit nach oben.

Ich öffnete die Türen und kam in ein luxuriöses Apartment.

Ich sah mich staunend um. Wow, mein Babyboy hatte es weit gebracht. Ich hatte ihn immer nur im Fernsehen gesehen. Seine Stimme war eine Mischung von meiner und die von Tyrese - wunderschön und kraftvoll. TJ hatte sogar einen Song mit Alicia Keys und einen mit Mariah Carey aufgenommen. Ich war stolz auf ihn. Er hatte meine Worte von damals nicht vergessen.

Ich blickte an die Decke, wo ein fetter Kronleuchter hing.

„Hallo?", rief ich. „Ist jemand da?"

Keine Antwort.

Ich beschloss durch die nächste Glastüre zu laufen. Der Anblick des Appartements machte mich irgendwie traurig und stolz zugleich. TJ war ohne mich aufgewachsen und hatte es ohne meine Hilfe so weit gebracht.

Riley Jordan

Ich warf einen Blick auf die Wände und sah die vielen Platten und Preise.

„Harlow, ich habe dir doch gesagt, dass wir sie nicht abholen können. Du weißt ganz genau wieso", zischte von weiter weg eine Stimme, die ich unter Tausenden wieder erkennen würde - Penelope, meine älteste Cousine. Sie und Penelope waren Schwestern wie Rachel und ich. Ich nannte Penelope immer Penny, weil sie den Namen hasste. Sie wollte eine Frau von Klasse sein, aber jeder wusste, dass ihr Herz in der Bronx schlug, wie von uns allen. Penny war wie eine Schlange mit einer zu langen Zunge, aber ich liebte sie, genauso wie Harlow, die schon immer ein bisschen schusslig war. In Harlow's Fall hatte ich mir schon immer gedacht, dass sie bei der Geburt auf den Kopf gefallen war. Dummheit tat nunmal weh. Bei der Fosterfamilie vor den Barnards waren Rachel und ich zufällig Penny's und Harlow's Nachbarn gewesen und sind oft mit ihnen um die Straßen gezogen. Sie wohnten bei ihrer Mom, doch Tante Kelly konnte Rachel und mich damals nicht aufnehmen, weil sie schon zwei Mäuler zu stopfen hatte.

„Aber Penelope!", hörte ich Harlow protestieren.

„Nein, Harlow! Wir hatten das Thema und er wollte von ihrer Entlassung nichts erfahren."

Sprachen sie über meine Entlassung und TJ?

Plötzlich tauchten die zwei im Raum auf.

Penelope rechts, Harlow links

Verdammt, ich hätte die zwei fast nicht wiedererkannt.

„Dein Haarschnitt sieht echt scheiße, Penny", sagte ich gleichgültig als Begrüßung.

Die zwei starrten mich bloß an, als wäre ich eine wiederauferstandene Tote, was ich ja auch irgendwie war.

„R - Riley, du hier?", fragte Harlow bedeppert.

„Nein, ich bin nur eine Fata Morgana", antwortete ich sarkastisch.

„Was ist das?"

Ich verdrehte die Augen. „Mein Gott, ich wollte damit nur sagen, dass ich keine optische Täuschung bin, Dummkopf."

Harlow raffte es nicht. Ihre Augen weiteten sich stattdessen und sie fragte mit erschrockener Miene: „Dann bist du ein Geist!"

Ich schlug mir mit der Handfläche gegen die Stirn und gab es auf. Hatten die zwei nichts von meiner Entlassung gehört?

Schließlich richtete ich meine Aufmerksamkeit auf Penny.

„Wie bist du hier reingekommen?", fragte meine älteste Cousine skeptisch.

Ich zuckte gelangweilt die Schultern. „Ich bin ein Mädchen aus der Bronx, Cousinchen. Ich komme überall rein wo ich will."

„Th!", gab Penny eingebildet von sich.

Ich ließ meine Augen über sie schweifen. „Die Straßen sind nicht für jedermann gemacht. Deshalb haben sie Bürgersteige gemacht."

Gedisst. Jetzt war Penny sprachlos. Ich hatte nur die Wahrheit gesagt. Ich meine, man musste sie sich nur ansehen. Penny sah wie einer dieser Frauen in irgendeinem Wohltätigkeitskomitee aus - zum kotzen.

„Seh was aus dir geworden ist, Penny. Dir scheint das Leben hier zu gefallen. Du hast noch nie in die Bronx gepasst", sagte ich abwertend. „Und jetzt lebst du diesen Luxus von dem Geld meines Sohnes."

Penny schnaubte empört. „Also hör mal, ich und Harlow haben TJ aufgezogen!"

Ich grinste und boxte ihr in die Seite. „Jetzt mach dich mal locker, Cousinchen."

Dann fielen wir drei in eine dicke Umarmung und hielten uns eine Weile so fest.

„Verdammt, ich hab euch vermisst", murmelte ich.

„Du uns auch", schniefte Harlow.

„Du hast wirklich gefehlt, Riley", stimmte Penny zu.

Ich machte mich los. Das wurde mir dann doch zu viel.

Ich sah die zwei dankend an. „Danke. Ich bin euch so vieles schuldig. Ihr habt TJ zu einem Mann erzogen und er ist so erfolgreich. Das - das ist unglaublich."

„Wir haben ihn nur unterstützt. Die Stärke und vor allem das Talent hatte er schon immer in sich." Penny grinste. „Wie könnte er das auch nicht? Bei einer Mom mit einer Rihanna ähnlichen Stimme und einem Dad als Rapper? Wir haben ihm nur Ehrgeiz und Liebe mit auf den Weg gegeben."

„Und dafür bin ich euch so dankbar. Es gibt nichts, womit ich mich revanchieren könnte", sagte ich aufrichtig und sah mich um. „Also, wo ist er?"

„Wer?", fragte Harlow.

„Na, TJ!"

Harlow verstummte und überließ ihrer großen Schwester das Reden. „Er weiß nicht, dass du heute entlassen wurdest."

„Was?!"

Penny schluckte. „Er - er will dich nicht sehen."

Ich konnte es nicht fassen. „TJ hat damals gesagt, dass er die Tage zu meiner Entlassung zählen wird."

„Damals", betonte Penny.

Eine Gänsehaut zog sich auf meinen Körper und mir wurde kalt. Mein Sohn will mich nicht sehen. Er hatte mich abgeschrieben. Ein Stich fuhr durch mein Herz.

„Es tut mir leid, Riley", sagte Penny mit leiser Stimme.

Ich ignorierte sie und fragte: „Wohnt er überhaupt hier?"

Penny schüttelte den Kopf. „Nein, TJ hat Harlow und mir dieses Appartement gekauft, aber er selbst wohnt in dem Haus gegenüber. Das One57 ist nur seine Fakeadresse, aber er ist oft hier."

Tränen stiegen in mir auf und ich drehte mich schließlich schweigend um und lief in den Aufzug.

Unten angekommen, flüchtete ich aus dem Skyscraper. Dann sah ich das wunderschöne Wohngebäude vor mir. Die edle Außenfassade stach in meinen Augen.

„Miss, gehört Ihnen das Auto?"

Ich fuhr herum - ein Cop. Verdammte Scheiße!

„M - mir?", fragte ich unschuldig. „Nein."

„Sind Sie sicher, weil - "

Am liebsten hätte ich ihm ins Gesicht geschlagen, aber dann hätte Wärter Baker recht und ich würde nicht nur nach einer Woche wieder ins Gefängnis kommen, sonder nach einer Stunde auf freiem Fuß. Also unterbrach ich den Cop höflich und sagte: „Nein, Sir. Ich bin keine Falschparkerin oder sehe ich etwa so aus wie eine Kriminelle, die gerade aus dem Knast kommt?"

◇◇◇◇◇◇◇

Ich hatte mich gestern Abend noch mit Penny und Harlow getroffen. Sie hatten mir ein Handy, Geld besorgt und ein Hotel als Unterkunft gebucht. Sie hatten es nicht über's Herz gebracht mich auf der Straße schlafen zu lassen. Vorhin hatte ich mich in eine Telefonzelle verfrachtet und hatte die Centstücke, die ich auf dem Grund eines Brunnes gefunden hatte, hineingesteckt, was geschlagene zwanzig Minuten gedauert hatte, um Penny anzurufen. Ich hatte die Dramaqueen gespielt und schon hatte ich mein Hotel - ich war zu brillant.

Nun stand ich vor dem edlen Gebäude, in dem TJ wohnte. Direkt gegenüber im One57 wohnten seine „Tanten". Ich stand hier jetzt schon über zwei Stunden und war wie festgefroren.

Schließlich gab ich mir einen Ruck und lief zur Türe. Harris stand in schön geschwungenen Buchstaben an dem Knopf der Klingel. Ich atmete tief ein und aus und drückte sie schließlich.

Und dann stand er da...

Ich hielt die Luft an und mir kamen die Tränen. „TJ, du - du bist so groß geworden." Ich wollte ihn umarmen, doch er wich aus.

Es dauerte eine Weile, bis er mich erkannte.

„Fass mich nicht an!", fauchte er voller Zorn. „Lass die Scheiße!"

Ich sah ihn erschrocken an.

„Warum bist du hier?"

Er zerbrach fast an seiner Stimme und ich ertrug diesen Hass in seinen Augen nicht. „Ich - ich wurde entlassen."

„Ich will nichts mit dir zu tun haben!", zischte er.

„Rede nicht so mit mir!"

Er schnaubte wütend. „Du hast mir gar nichts zu sagen!"

„Entschuldige bitte, ich bin deine Mom! Die Frau, die dir das Leben geschenkt hat und dich mit Höllenqualen aus ihrem Körper gepresst hat, erinnerst du dich? - Klingelt da was?"

TJ gab einen verächtlichen Ton von sich. „Seh dich nur an. Wie redest du? Blähst dich auf, als hättest du einen Orden verdient."

Ich begann zu zittern und unsicher zu werden. Der Abschaum und diese Verachtung in seiner Stimme verletzte mich. Ich wollte immer nur das beste für ihn. TJ damals zu Penny und Harlow zu geben, war die richtige Entscheidung gewesen oder hätte er etwa ins Pflegeheim oder in eine Fosterfamilie gewollt wie Rachel und ich damals? Das wollte ich ihm nicht antun.

„Also, warum bist du hier?" Er verschränkte die Arme vor seiner Brust und sah mich grimmig an.

„Ich wollte dich sehen. Du bist mein Sohn", antwortete ich mit wackelnder Stimme.

„Und?"

Ich sah ihn verwirrt an. „Was meinst du?"

„Warum bist du noch hier? Doch sicher nicht nur, um mich zu sehen."

Ich zuckte zusammen. Es gab keinen unpassenderen Moment, als jetzt zu sagen, dass ich Geld für meinen Rachezug brauchte.

„Ist es Geld? - Na, ist es das?" Er sah mich herablassend an.

Meine Nackenhaare stellten sich auf. Woher wusste er das? Wahrscheinlich war es gewöhnt, dass Leute nach Geld bettelten und ihn ausnutzten, aber er wusste doch gar nicht wieso ich Geld brauchte.

„Schäm dich!"

„Warum redest du so mit mir?" Ich stemmte meine Hände in die Hüften. „Ich habe damals alles versucht was ich konnte. Du kennst die Geschichte wie ich mit dir aus New York nach Phili geflohen bin und ich kurz danach geschnappt wurde. TJ, erinnerst du dich denn nicht an mich?"

„Du meinst an die Wochenenden, als ich mit dir für eine Stunde durch eine verdammte Glasscheibe reden wurde?"

Seine Stimme war kalt und ich versuchte nicht schwach zu wirken. „Ich hatte keine Wahl - "

„ - ins Gefängnis zu gehen oder sich zu entschließen seinen Sohn nicht mehr sehen zu wollen?", fiel er mir ins Wort.

Darum ging es also. „Denkst du etwa, dass das leicht für mich war? Das war die schwerste Entscheidung, die ich und dein Dad je treffen mussten."

„Ihr habt sie falsch getroffen!", zischte er.

„Ich wollte nicht, dass du deinen Mom und deinen Dad im Knast siehst, TJ. Das musst du verstehen."

„Das ist lächerlich. Ich durfte dich ja nicht einmal anrufen."

Ich presste meine Lippen aufeinander. „Tyrese und ich wollte nicht, dass du an uns festhälst. Wir wollten ein normales Leben für dich, auf das du dich konzentrieren kannst."

TJ schüttelte verständnislos den Kopf. „Du bist nicht meine Mom - die warst du nie."

Er näherte sich mir bedrohlich und ich sah ihn mit nassen erschrocken Augen an, weil ich ihn nicht wiedererkannte.

"TJ, stoß mich nicht weg!", flehte ich und der Staudamm in meinen Augen zerbrach. Die Tränen fanden ungehindert einen Weg über mein Gesicht. Seine Worte hatte eine tiefe klaffende Wunde in meinem Herzen hinterlassen.

„Ach, so wie du mich weggestoßen hast?", fragte er verachtend.

„Wir können wieder eine Familie sein", schluchzte ich, doch TJ hatte mich schon so weit zur Türe gedrängt, sodass er sie mit kaltem Gesicht vor meiner Nase zumachte.

◇◇◇◇◇◇◇

Riley ist ziemlich extra, wie ihr in diesem Kapitel schon bemerkt haben müsstet. Ich hoffe allerdings, dass ihr sie trotzdem mögt und ihr Riley eine Chance wie Brooke und Rachel gebt. Genau wie bei Brooke und Rachel werdet ihr noch erfahren warum Riley so geworden ist, wie sie ist.

Ich hoffe, dass es euch allen gut geht und ich sage wie immer bis zum nächsten Kapitel ;)

katherine_fields

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