NEW YORKS HIGH SOCIETY

By katherine_fields

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Der zweite Teil von BOSTONS HIGH SOCIETY! Es ist ein Jahr vergangen, in dem John West verzweifelt nach Brooke... More

Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
LESENACHT!!!
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Kapitel 44
Epilog
~ Ende ~
Danke

Kapitel 5

67 5 2
By katherine_fields

R A C H E L
J O R D A N

Im Hier und Jetzt...

Ich schlug meine Augen auf und starrte auf die Bettlatten des Bettes über mir. Laute Stimmen drangen von draußen in unsere Zelle. Es waren die der Wärter. Die blonde Frau über mir schleppte sich aus ihrem Bett und stieg die Leiter von dem Hochbett herunter. Sie hatte noch kein einziges Wort von sich gegeben. Die Frau wusste wer ich war, aber ich hatte keine Ahnung wer sie war. Vielleicht würde mir das noch zum Verhängnis werden.

Auch ich stand auf und wenige Sekunden später erschien ein gehässig grinsender Wärter an unserer Türe, die aus Gittern mit einem fetten Schloss davor bestand. „Ihr seid eine der Neuen, richtig?"

Die blonde Frau und ich nickten stumm. Der Wärter schloss daraufhin die Türe auf und zog uns an den Oberarmen heraus. „Nicht einschlafen. Ihr werdet euch schnell an diesen Tagesablauf gewöhnen müssen."

Die Kerle hier versuchten dich kleinzumachen. Mich würden sie nicht brechen - niemals.

Als wir nach draußen geführt wurden, liefen wir den Gang entlang und ich sah schnell in die Nachbarzelle - keiner war dort drin - keine Riley. Als ich sie gestern gesehen hatte, ist meine Welt zusammengebrochen. Meine kleine Schwester war tot. Jake hatte selbst gesagt, er hatte sie getötet und es so aussehen lassen, als sei es Abigail's Dad Shawn gewesen, der drogenabhängig und Alkoholiker war. Deswegen glaubte Shawn Jake, dass er sich nicht mehr daran erinnern konnte, weil er anscheinend einen Filmriss erlitten hatte. Das wurde ihm von Jake nur eingeredet. Jake hat Shawn's Drogen- und Alkoholproblem schamlos ausgenutzt. Später hat Shawn sich umgebracht. Jake hat Shawn's Abhängigkeit gnadenlos ausgenutzt, damit dieser glaubte, er hätte Riley umgebracht, doch in echt war es Jake selbst gewesen. Und das nur wegen mir... Weil Jake der Meinung war, dass die einzige Person, die mich schwach machte Riley war... Er hatte meine kleine Schwester getötet, damit ich kein Mitgefühl mehr hatte. War ich Schuld an Riley's Tod?

„Lauft schneller!", schrie der Wärter mich und die blonde Frau an und riss mich somit aus meinen Gedanken. „Schließt euch den anderen an!"

Wir gehorchten und reihten uns in die lange Schlange der Gefangenen ein, deren Blicke starr nach vorne gerichtet waren. Wir alle trugen diese orangene unbequeme Häftlingskleidung, die an der Haut kratzte. Ich blickte nach oben zu der riesigen Kuppel aus Glas. Ich sehnte mich nach dem blauen Himmel, den man trotz der Verglasung der Kuppel nicht sehen konnte, da die Fenster eine milchigen Schicht auf ihrer Oberfläche hatten.

Wir wurden kurz kontrolliert, ehe wir die Treppe hinunterlaufen durften. Während wir die Treppen hinunterstiegen, bemerkte ich zum ersten Mal die Blicke der Gefangenen auf mir. Sobald die Wärter kurz außer Sichtweite waren, starrten sie mich an. Entweder neugierig oder emotionslos. Ich starrte meist kalt zurück. Hier wusste einfach jeder wer ich war. Dafür sollte ich noch büßen müssen...

Wir liefen in eine kahle Kantine, wo andere Gefangene das Essen verteilten. Es gab ein hartes Brötchen ohne Butter, aber mit einer Wurstscheibe darauf und ein Glas Wasser - wie schmackhaft. Ich setzte mich hinten an einen Tisch, wo bis jetzt noch niemand saß. Die Frau, die mit ihr eine Zelle teilte, setzte sich später zu mir, da es nur wenige andere freie Plätze gab.

„Lass dich niemals ablenken", zischte sie, während sie sich gegenüber von mir setzte, nachdem sie sich nocheinmal schnell umgeschaut hatte. „Wenn sie dich anstarren, starr sie mindestens doppelt so lange an. Brech niemals den Augenkontakt ab, sonst wirst du zu Fischfutter."

„Und du bist?", fragte ich kalt.

„Drew", antwortete sie knapp.

Drew

Ich wusste, dass man im Gefängnis meist nur seinen Spitznamen oder Nachnamen preisgab. Ich spürte, dass mir mein Name nachher nur Probleme einbringen würde. „Du warst schon öfter hier?", fragte ich, obwohl ich das schon längst bemerkt hatte. Die Kleine schien sich hier auszukennen.

„Ja", nickte sie. „Hier im ARMIN und überall in den USA auch. Das ARMIN hier ist aber das krasseste. Ein privatisiertes Hochsicherheitsgefängnis."

„Was hast du getan?"

„Frag nicht so dumm!", zischte sie und sah sich um. „Entweder du prahlst mit deinen Verbrechen und tust dich so unbewusst mit dem Boss anlegen und kämpfst um den Titel des Härtesten oder du schweigst einfach. Schweigen ist hier das beste was du machen kannst, vertrau mir."

„Witzig. Mein Fall wurde veröffentlicht. Ich kann nicht schweigen", murmelte ich.

„Sprech darüber trotzdem nicht!"

Ich musterte sie. Drew war zierlich, dennoch wirkte sie, als hätte sie es gewaltig hinter den Ohren. Vielleicht war sie Anfang 30. Auf jeden Fall war sie sehr viel jünger als ich. Wahrscheinlich wurde sie in andere Gefängnisse verlegt und war nun hier in diesem verfluchten Pvrivatgefängnis ARMIN gelandet - zum zweiten Mal. Wie ist sie hier rausgekommen?

Als ich ihr gerade diese Frage stellen wollte, kam sie mir allerdings zuvor: „Hier wirst du dir mehr Feinde machen, als du denkst."

„Du warst also wirklich schon einmal hier?"

Sie nickte langsam und als ein jüngeres Mädchen auf uns zukam, senkte sie ihren Kopf.

„Na Drew, biste gestern auch gut angekommen?", setzte sie das Mädchen neben Drew und richtete ihren Blick dann auf mich. „Rachel Jordan", murmelte sie beeindruckt. „Auch die Größten können hier landen, nich?" Sie streckte mir Hand entgegen und sagte: „Ich bin Eyeline."

Eyeline

Ich ignorierte ihre Hand und sah das Mädchen verwirrt an. Eyeline? Was sollte das denn?

„Meld dich, wenn du irgendwas brauchst", sagte sie zu mir gewandt und verschwand dann so schnell wie sie gekommen war.

„Das war Eyeline. Keine Ahnung wie die Bitch in echt heißt. Sie erpresst immer einen der Wärter, damit er ihr einen Eyeliner von draußen ins Gefängnis schmuggeln kann. Sie ist die einzige hier, die Schminke trägt, beziehungsweise einen Eyelinerstrich. Deswegen Eyeline", erklärte sie. „Sie ist ein verwöhntes Ding aus einer reichen Familie. Irgendwann als sie 14 war, hat sie rebelliert und ist mit ihrem Freund durchgebrannt. Sie haben Drogen vertickt - du weißt schon, eben das übliche. Miguel Sanchez, ihr Jugendfreund, ist auch hier im ARMIN. Er ist ziemlich hoch an diesem Ort angesehen, weil er ein guter Kumpel von BIG T ist. Deswegen kann Eyeline sich hier auch wie eine Bitch aufführen ohne Probleme zu kriegen."

„Wer ist BIG T?", fragte ich interessiert.

Drew wehrte meine Frage ab und sagte: „Glaub mir, das willst du lieber nicht wissen."

◇◇◇◇◇◇◇

Nach dem Frühstück, welches ich am liebsten ausgekotzt hätte, wurden wir wieder in unsere Zellen geführt, wo ich wie heute Morgen einen Blick in die Nachbarzelle warf, wo sich wieder niemand befand. Wahrscheinlich war ich gestern nach meiner Ankunft so fertig gewesen, sodass ich halluziniert hatte und den Geist meiner kleinen Schwester Riley gesehen hatte.

Drew verkroch sich in ihr Bett und schief wieder ein. Ich setzte mich im Schneidersitz auf mein Bett und lehnte mich dabei gegen die Wand. Ich war froh, dass Drew das obere Bett genommen hat. Hier unten konnten mich die Wärter nicht gut sehen, wenn sie an den Zellen vorbeiliefen. Hier konnten diese Aasgeier nicht meine Schwäche, meine Verletzlichkeit sehen. Denn das war ich - schwach, wenn ich an Riley dachte. Jake hatte recht, meine kleine Schwester hatte mich schwach gemacht, aber das war ein Geschenk. Das war keine Schwäche in dem Sinne, so wie Jake es sah. Wenn Riley noch leben würde, hätte sie mich vielleicht aus der Scheiße rausziehen können, bevor ich sie mitreingezogen hatte. Jake war ein noch blutrünstigeres Monster, als ich dachte. Nur weil ich wegen Riley nicht abdrücken konnte, wenn es hart auf hart kam. Hätte ich Jake niemals kennengelernt, dann würde Riley noch leben - aber dann wäre meine Tochter niemals geboren worden...

An meine Eltern konnte ich mich nicht wirklich erinnern. Ich hatte nur gehört, dass sie eine der typischen crackabhängigen Eltern aus der Bronx waren - nicht besonderes. Seit ich denken konnte, waren Riley und ich in Pflegefamilien. Sogenannte Fosterkinder, die die Leute nur aufnahmen, um Geld vom Staat durch uns zu bekommen, das sie aber nicht für uns ausgaben, sondern natürlich für sich selbst. Seit wir kleine Kinder waren, wurden Riley und ich öfters missbraucht. Wir haben nie wirklich verstanden, was die Männer aus den Familien mit uns getan hatten, aber ich hatte bis ich Jake getroffen hatte, jeden Abend von ihnen Alpträume. Als ich zwölf wurde und verstanden hatte was die Männer mit uns taten, packten ich eines nachts unsere kleinen Rücksäcke, schnappte mir Riley, die damals acht war und wir verschwanden. Wir suchten uns irgendwo einen Platz, wo wir schlafen konnten. Wir hatten noch die Decke unsere Pflegeeltern geklaut, mit der wir uns versuchten zu wärmen. Unter eine Brücke oder in irgendeine Hintergasse konnten zwei kleine Mädchen wie Riley und ich nicht gehen. Deswegen schliefen wir meist vor irgendwelchen Geschäften ein. Manchmal boten uns die Chefs der Cafés an, einen Kakao zu trinken und uns drinnen aufzuwärmen, meisten verscheuchten sie uns aber oder uns weckte die Polizei, die uns wieder in Kinderheime oder in Pflegefamilien steckte und der ganze Horror von vorne losging.

Ich glaube wir waren insgesamt in zwanzig Familien als Fosterkinder untergebracht. Wir sind immer wieder abgehauen. Als Riley 14 war und ich 17 hatten wir allerdings einmal in unserem Leben Glück, als der Vater unsere Pflegefamilie Barnard für ein halbes Jahr wegmusste, weil er LKW Fahrer war. Sein Name war Jared Barnard. Er hatte zwei andere Kinder, die aber erst sechs und acht waren. Seine Frau Casey hatte Depressionen und wenn sie ihren Mann nicht befriedigen konnte, hat er sich an mir vergriffen. Ich hatte einen Deal mit Jared ausgemacht, dass ich nicht zur Polizei gehen würde, wenn er sich nicht über Riley hermachen würde. Wenn wir morgens in die High School mussten, Casey zur Arbeit ging und ihre zwei Söhne in die Elementary School ablieferte, sagte ich meiner Schwester immer, dass ich noch die Küche aufräumen musste. Riley dachte sich nicht viel dabei und fuhr so immer eine halbe Stunde früher mit dem Bus zur High School. Das war dann immer die schlimmste halbe Stunde meines Lebens, in der sich mein Pflegevater an mir vergriff. Alles was mir in dieser Zeit half, war das lächelnde Gesicht meiner Schwester. Sie hatte zum ersten Mal Freunde in der High School gefunden und wir mussten nicht mehr als die Schläge unserer Pflegemutter aushalten, wenn sie wieder einer ihrer Anfälle bekam. Ich dachte mir, dass ich das alles wegen Riley aushalten würde.

Riley Jordan

Ich klammerte mich immer daran fest, dass es für Riley war. Ich wollte, dass es ihr gut ging. Sie musste nicht wissen, was ich durchmachte. Alles was ich immer wollte, war meine kleine Schwester zu beschützen. Ich wollte sie vor all dem bewahren. Ich hatte ihr auch versprochen, dass wir nicht mehr weglaufen würden. Erstens, wegen der High School und weil wir so wahrscheinlich nie unseren Abschluss schaffen würden und zweitens weil wir endlich in einer Familie waren, wo sich der Mann wenigstes nur an mir vergriff, anstatt auch noch an Riley.

In der High School waren wir beide nicht wirklich gut gewesen, zumal wir nie Ruhe hatten in diesem kleinen verdreckten Haus unserer Pflegefamilie zu lernen. Manchmal waren wir auch Monate nicht in den High Schools aufgetaucht, wenn unsere Pflegefamilien uns als Putzfrauen eingesetzt hatten. So musste Riley und ich viele Klassen wiederholen. Keine Ahnung auf wie vielen unterschiedlichen High Schools wir schon gewesen waren.

Dieses halbe Jahr war womöglich das ruhigste unseres Lebens gewesen, wo Jared eine Lieferung mit seinem LKW über ganz USA transportieren musste. In dieser Zeit konnte ich aufatmen und ich versuchte mich in der High School anzustrengen, doch das gelang mir nicht, da ja noch Casey hier war. Sie zwang uns wie immer die ganze Hausarbeit und die Erziehung ihrer zwei Kinder auf, obwohl wir selbst nie eine Erziehung hatten. Oft waren wir über Wochen mit den Kleinen Zuhause, weil Casey sich irgendwo rumtrieb. Sie wurde ebenfalls wie so viele Mütter aus der Gegend crackabhängig. Für Riley und mich war das nichts neues. Immerhin war fast die Hälfte unserer Pflegeeltern abhängig von dieser Droge gewesen. Für die zwei kleinen Jungs Nishan und Adnan war das allerdings schwer gewesen. Irgendwann hatte wir sie wie unsere kleinen Brüder angesehen.

Riley wurde auf der High School immer beliebter. Auch wenn sie keine teuren Klamotten trug, die Leute mochten sie. Riley war sehr herzlich und freundlich gewesen. Sie war auch schon immer die Hübschere von uns gewesen. Ihre grünen Augen waren wunderschön, sowie ihr Lächeln. Riley war auch mit einem nettem Typen aus der Schulband zusammen. Sein Name wäre Tyrese, ein guter Junge, der ihr guttat.

Ich war schon immer seit ich denken konnte kalt gewesen und zeigte jedem Schüler, der sich mir annähern wollte, die kalte Schulter. Wenn meine Lehrer meine blauen Flecken bemerkten, wehrte ich nur immer ab.

Ich erinnerte mich an jenen Tag, wo wir draußen auf dem Footballfeld Sport hatten. Ich war nur eine Klasse über Riley, weil ich noch öfter als sie wiederholen musste. Wir alle mussten uns kurze Hosen und ein bestimmtes Top anziehen. Es war Vorschrift, das jedes Mädchen das gleiche trug. Unsere Lehrer meinten, dass das eine Einheit bilden würde und uns so zu einem Team werden ließ. Ich war aber mit den kurzen Hosen überhaupt nicht einverstanden, weil man sonst meine blauen Flecken sehen konnte. Also weigerte ich mich, aber das konnte ich nicht durchziehen, weil unsere Sportlehrerin an diesem Tag irgendwie besonders schlecht gelaunt war und ich so keine andere Wahl hatte, als diese beschissenen Shorts anzuziehen, denn sonst würde sie mich wie so oft wieder zum Direktor schicken. Also zog ich mir diese kurze Hose an, aber flüchtete dann schnell auf die Tribünen des Footballfelds, damit niemand meine Verletzungen von Jared sehen konnte. Meine allbekannte Ausrede war, dass ich meine Tage hätte.

Nach einer halben Stunde kam Riley mit ihren Büchern vorbei. Sie musste damals zu den Chemielaboren gelaufen sein. Sie sah mich auf der Tribüne sitzen und lief zu mir. Sie fragte, was los sei und ich antwortete einfach nur, dass ich Bauchkrämpfe hatte. Als Riley sich gerade zu mir runterbeugen wollte, um mich zu umarmen und mir einen Kuss auf die Wange zu drücken, so wie sie es immer getan hatte, hielt sie inne. Sie hatte meine blauen Flecken an meinen Beinen bemerkt und starrte mich ängstlich mit entsetzten Augen an.

Riley Jordan

Ohne auf ihre Frage zu warten, hatte ich ihr gesagt, dass ich hingefallen war, doch ich wusste, dass sie mir das nicht abkaufte. Ich erinnerte mich an unser Gespräch und alles was danach folgte, als sei es gestern gewesen...

„Hingefallen?!", schrie Riley mich fassungslos an. „Ich kann nicht glauben, wie du mir ins Gesicht lügst, Rachel!"

„Ich lüge nicht!", log ich noch immer wie gedruckt. Sie durfte es nicht erfahren, sonst würde ihr Jared nämlich genau das gleiche antun! Lieber ich, als meine kleine Schwester.

„Behandel mich nicht wie ein kleines Kind, Rachel!", schnaubte sie wütend. „Sag mir, was los ist!"

Nein, das könntest du nicht verkraften. Ich wollte das nicht - ich konnte nicht...

„War er es? Jared? - " Sie verstummte auf einen Schlag und begann am ganzen Körper zu zittern.

Ich schüttelte energisch meinen Kopf. „Nein, Riley. Ich verspreche dir, dass alles gut ist. Wirklich."

Sie sah mich enttäuscht an und eine Träne entwich ihrem Auge. „Ich glaube dir nicht mehr."

„Riley - "

„ - Nichts Riley!", schnitt sie mir wütend das Wort ab. „Denkst du, ich bin dumm? Sag mir was bei den Barnards passiert, wenn alle aus dem Haus sind und nur noch du und Jared da seid! Putzt du wirklich nur die Küche? Warum lässt du mich dir nie helfen? Wieso sagst du immer, ich soll schon mit dem Bus vorfahren? Das habe ich nie verstanden."

„Ich - ähm", suchte ich verzweifelt nach Worten, doch meine Stimme versagte.

„Tut er dir das gleiche an, wie die anderen Männer davor auch?!", schluchzte sie.

Ich schüttelte den Kopf und starrte zu Boden. Panik schoss in meine Gliedmaßen. Ich konnte sie nicht mehr ansehen, so sehr schämte ich mich.

„Hör auf zu lügen, Rachel!", schrie sie wütend und schnappte panisch nach Luft. „Ich - ich dachte diesmal wären wir bei einer Familie gelandet, die uns nur schlägt, aber nicht auch noch - " Riley verstummte auf der Stelle und ich richtete meinen Blick auf. „Wir werden verschwinden - heute Nacht."

„Nein, Riley." Ich schüttelte entschieden mit dem Kopf. Ich bin die große Schwester und nicht sie. Ich musste auf Riley aufpassen und nicht umgekehrt. Ich schämte mich, dass sie sich solche Sorgen um mich machte. „Das will ich nicht. Wir waren noch nie so lange auf einer High School wie dieser. Du hast endlich Freunde gefunden, du bist mit Tyrese zusammen, hast dich eingelebt und - "

„ - Na und?!", unterbrach sie mich. „Das ist mir alles völlig egal! Rachel, du bist meine Schwester, die einzige Familie, die ich noch habe! Du bist das wichtigste in meinem Leben! Das hast du mir mal gesagt. Du hast mich immer beschützt, jetzt muss ich das tun."

„Das ist nicht deine Aufgabe", widersprach ich ihr. „Ich bin die Ältere. Du machst das, was ich dir sage."

„Einen Scheiß tu ich!", fauchte sie. „Wir verschwinden - noch heute Abend!"

◇◇◇◇◇◇◇

Nach der High School hatten Riley und ich schweigend die zwei Söhne der Barnards von der Elementary School abgeholt. Nishan und Adnan waren zwei süße kleine Jungs. Manchmal prügelten sie sich mit den Kindern aus ihrer Schule, weil ihnen diese Aggressivität von ihrem Dad Jared, dem Monster, vorgelebt wurde. Riley und ich versuchten alles, um sie zu beruhigen. Ich denke, dass wir mehr Eltern für die zwei waren, als es ihre leiblichen je waren oder hätten sein können.

Daheim bei den Barnards angekommen, war Casey, die Mom von Nishan und Adnan, wie immer nicht Zuhause. Wahrscheinlich konsumierte sie wieder irgendwo Crack mit der Nachbarschaft. Wir aßen Brot und da wir fast keine Butter mehr hatten, verzichtete ich darauf, damit die Jungs und meine Schwester mit einem nicht allzu leeren Magen zu Bett gehen konnten.

Die Barnards konnten sich keine Spülmaschine leisten, weshalb ich den Abwasch am Waschbecken machte. Riley hatte Nishan noch schnell bei seinen Hausaufgaben geholfen, die er in der kostenlosen Betreuung seiner Schule nicht mehr geschafft hatte. Danach schaute er mit seinem kleinen Bruder Adnan Fernsehen, während ich die Teller wusch und Riley den Tisch abwischte. Ich starrte währenddessen gedankenverloren aus dem Fenster und fragte mich wann Casey endlich wieder auftauchen würde. Klar, sie war abhängig und konnte nicht mehr klar denken, aber dachte sie denn nie an ihre Söhne? Riley ist gerade mal 14, ich bin 16. Natürlich strengten wir uns wegen Nishan und Adnan an, aber die wirkliche Mutterrolle konnten wir auch nicht übernehmen. Sonst kam Casey einmal in der Woche, um das Geld von Riley und mir zu stehlen, damit sich sich noch mehr Crack kaufen konnte. Immer wenn sie auftauchte, scheuchten wir Nisahn und Adnan in ihr Zimmer. Sie sollten ihre Mom nicht so sehen, die sich wie ein Tier benahm und alles dafür tun würde, um Geld zu bekommen. Wenn du abhängig warst, denkst du nicht mehr wie ein Mensch. Das habe ich auf den Straßen oft genug miterlebt. Riley und ich gaben Casey immer was sie wollte. Hauptsache sie war weg. Jetzt waren aber zwei Wochen vergangen und irgendwie machte ich mir schon Sorgen. Wir hatten seit verdammten 14 Tagen nichts mehr von dieser Frau gehört und ich hatte Schiss, dass sie vielleicht bei einer Überdosis draufgegangen war.

„Rachel?", fragte Riley plötzlich vorsichtig.

Ich drehte mich kurz um. Sie stand am Tisch, den sie fertig abgewischt hat. „Was ist?"

„Ich meinte das heute in der High School ernst."

Ich schluckte. Das wusste ich doch. Ich schwieg und wusch das Besteckt unbeirrt weiter. Trotzdem war das Thema für mich abgehakt.

„Man Rachel, kannst du mir nicht mal zuhören?", zischte sie gereizt.

Ich hielt inne und seufzte. „Was willst du, Riley?"

Sie lief zu der Couch und nahm die Fernbedienung von der Lehne in ihre Hand und drehte die Lautstärke hoch. Nishan und Adnan bekamen davon nichts mit. Es war schon spät und sie schauten ihre Serie auf dem Disney Channel nur noch mit halb offenen Augen. Riley wollte nicht, dass die zwei unser Gespräch mit anhörten. „Ich will von diesem verfluchten Ort weg!"

„Ich aber nicht!", fauchte ich gereizt und schrubbte die nächste dreckige Schüssel aggressiv mit dem alten Schwamm. Ich wollte Riley's Stimme nicht hören.

„Verdammt, Rachel! Du bist so stur!"

Die Schüssel fiel in das Waschbecken und ich fuhr wütend herum. „Was sollen wir deiner Meinung nach tun, hm?"

„Verschwinden!"

„Nein!", widersprach ich ihr mit lauter drohender Stimme. „Wir haben hier halbwegs etwas zu essen und du hast dich auf der High School endlich eingelebt."

Riley verdrehte ihre Augen. „Das hast du schon vor ein paar Stunden gesagt. Ich will mir das nicht anhören. Hörst du dir eigentlich selbst zu? In einer Woche wird Jared wieder zurückkommen und wenn er sieht, dass Casey abgehauen ist, dann wird er nur noch aggressiver. Wer weiß was er uns dann allen antun - besonders dir."

Ein eiskalter Schauer lief meinen Rücken hinab und Horrorszenarien spielten sich in meinem Kopf ab, doch ich blieb stark und straffte meine Schultern. „Ich beschütze euch. Lass das mal meine Sorge sein."

„Scheiße, Rachel! Kapier das doch endlich! Du kannst uns nicht beschützen! Du kannst nicht mal dich selbst beschützen!", schrie sie mich an.

Tränen kamen in mir auf. Warum musste sie mir das an den Kopf werfen? Ich wusste, dass das die Wahrheit war, aber ich wollte sie nicht einsehen. „Wir können nur zusammen überleben und das funktioniert nur, wenn du auf mich hörst, Riley! Ich habe dir auf den Straßen beigebracht, wenn ich sage, renn, dann rennst du ohne zu zögern."

„Ich habe vor kurzem verstanden warum du das immer getan hast. Wenn wir in brenzliche Situationen mit Gangmitgliedern oder anderen Obdachlosen gekommen sind, hast du immer gesagt renn, damit sie dich, anstatt mich kriegen."

Ich biss meine Zähne zusammen und sagte wütend: „Ganz genau."

„Ich werde aber nicht mehr auf dich hören." Sie kam auf mich zu und als sie meine Hand nehmen wollte, zuckte ich zurück. „Siehst du? Das meine ich. Seh dich an, Rachel. Du hast eine solche höllische Angst vor Berührungen wegen Jared. Bemerkst du denn nicht, wie sehr er dich auch psychisch zerstört hat?"

Ich begann zu weinen. Sie hatte mich mit der Wahrheit konfrontiert. Meine eiskalte Mauer stürzte ein und dann ließ ich mich in die Arme meiner kleinen Schwester fallen und dabei fühlte ich mich verdammt schlecht, weil ich diejenige sein musste, bei der sich Riley ausheulen konnte. Ich sollte ihr den Rücken stärken und nicht umgekehrt.

„Rachel, Riley? Ist alles okay?", piepste Nishan, der mit seinem jüngeren Bruder Adnan mit einer Decke um den Schultern plötzlich hinter uns stand.

Ich machte mich schnell von Riley los und wischte mir meine Tränen ab. Ich schluchzte auf. „Hey, ihr zwei seid ja immer noch nicht im Bett. Kommt her. Wir bringen euch nach oben." Ich wollte gerade Nishan auf den Arm nehmen und Riley Adnan, als wir plötzlich einen Knall hörten. Die Türe war ins Schloss gefallen und die Vase im Eingang musste zu Boden gefallen sein. Ich hoffte, dass es Casey war, doch durch den großen Wandspiegel sah ich Jared in den Flur schlurfen. Shit, warum war er eine Woche früher zurückgekehrt?

Ich scheuchte Riley und Adnan weg und flüsterte meiner Schwester zu, sie sollen sich verstecken. Nishan tat ich schnell in einen Kleiderschrank, der mich völlig verängstigt ansah. Ich sagte ihm, dass alles gut werden würde und er hier auf warten sollte und keinen Mucks von sich geben sollte, bis ich ihn wieder holen würde.

Dann stand ich alleine im Wohnzimmer. Kalter Schweiß lief meine Stirn hinab und mein Herz rutschte mir in die Hose.

Ich erinnerte mich wie Jared ohne Verstand ins Haus schlürfte. Er schrie die ganze Zeit in Dauerschleife, dass er seinen Job verloren hatte, weil er die Ware in seinem LKW beschädigt zu seinem Lieferort gefahren hatte.

Als er mich sah, schnaubte er wütend und schrie: „Du!"

Ich war unfähig mich zu bewegen uns stand wie verwurzelt im Boden. Jared packte mich an meinen Haaren und presste mich an die Wand. „Wo ist Casey?!"

„Ich weiß es nicht", antwortete ich mit zitternder Stimme. Meine Lippen bebten und ich schmeckte den salzigen Geschmack meiner Tränen auf ihnen.

„Lüg mich nicht an, du kleine versaute Schlampe!", brüllte er.

Plötzlich sprang Nishan aus dem Schrank und schrie verängstigt: „Lass sie los, Daddy!"

„Du kleine Schwuchtel!", schrie er, stieß mich noch einmal heftig gegen die Wand und ging dann auf seinen achtjährigen Sohn Nishan los.

Ich ignorierte den betäubenden Schmerz an meinem Hinterkopf und rannte auf Jared zu. Oh, wie konnte Nishan nur?! Ich habe ihm gesagt, dass er egal was passiert, in diesem verfluchten Schrank bleiben sollte! Ich versuchte Jared von seinem Sohn wegzuzerren, doch es gelang mir nicht. Stattdessen schlug Jared um sich herum und traf mich mit seinem Ellenbogen an meinem Kinn, woraufhin ich zurücktaumelte.

„Na, kannst du nicht wehren, du Weichei?!", brüllte er Nishan an, der mit seinen kleinen Händen versuchte sein Gesicht zu schützen, doch sein Dad prügelte ihn windelweich. „Seh dich an, du Nichtsnutz! Aus dir wird nie ein Mann werden! Du bist erbärmlich!"

Ich ignorierte die aufkommende Übelkeit von dem metallischen Geschmack in meinem Mund und sammelte all meine Kraft, um Jared mit voller Wucht in die Rippen zu treten. Dieser krümmte sich daraufhin vor Schmerz und rollte sich mit einem schmerzverzerrten Gesicht auf den Rücken. „Renn!", schrie ich zu Nishan, der sofort gehorchte und sich hinter einem Regal versteckte.

„Du dreckige Hure!", brüllte Jared.

Ich flüchtete hinter das Sofa, welches Jared und mich nun voneinander trennte. Dann bemerkte ich plötzlich Riley, die Adnan zitternd in ihren Armen hielt. Fuck, warum mussten sie sich ausgerechnet hinter dem Sofa versteckt haben?!

Adnan starrte traumatisiert zu seinem Dad, der plötzlich auch um's Sofa herumgerannt war. Jared entdeckte Riley und Adnan und diese Wut würde ich nie vergessen. Wenn ich meine Augen schloss, sah ich noch immer seine hasserfüllten Augen vor mir und wie ängstlich Riley und Adnan ihn angesehen haben. Jared war ein Monster.

Riley & Adnan

„Komm her, du Schlampe!", brüllte Jared und packte Riley am Arm. Er wollte sie zu Boden drücken, doch Riley hielt ihm tapfer stand. Ich versuchte Jared die ganze Zeit wegzuzerren, doch es gelang mir nicht. Die Kraft war aus meinen Armen verschwunden und Jared's Zorn wurde mit jeder Sekunde größer.

Im Flur schaffte er es dann Riley zu Boden zu schmeißen. Riley kreischte und es war der schlimmste Schrei, den ich in meinem ganzen Leben gehört hatte. Eine Gänsehaut überzog meinen gesamten Körper und ich rannte zu Jared und Riley, der über ihr war und ihr mit der geballten Faust ins Gesicht schlug. Ich schrie nach Hilfe, doch ich wusste, das keine kommen würde und ich wusste auch, dass mein Treten in seinem Rücken nichts brachte, dennoch schlug ich von hinten auf Jared ein.

Ich wusste nicht, wie Riley es geschafft hatte, aber plötzlich konnte sie sich aus Jared's Griff herausrollen und so befreien. Zu groß waren ihre Schmerzen, als dass sie hätte aufstehen können. Deswegen kroch sie erschöpft auf dem Boden von ihm weg. Ich wollte Jared davon abhalten sich ein weiteres Mal auf meine Schwester zu stürzen, doch ich war hilflos. Jared war zu schnell und so war er ein weiteres Mal über ihr und brüllte ihr irgendetwas ins Gesicht, was ich nicht verstand, doch dann geschah es...

Riley hatte sich eine Scherbe im Flur von der zerbrochenen Vase, die Jared vorher beim Hereingehen kaputt gemacht hatte, geschnappt und hatte sie Jared in den Hals gerammt... Sie hatte seine Halsschlagader getroffen und das Blut quoll in Unmengen aus seinem Hals. Jared schrie vor Schmerz auf und röchelte nach Luft. Er versuchte die Scherbe rauszuziehen, doch er drückte sie nur noch tiefer in seinen Hals. Schließlich driftete er weg und lag auf den Rücken, während er um das letzte bisschen Luft kämpfte. Dann erstarrte sein Körper plötzlich und seine Augen fielen in die Starre...

Das alles geschah in Sekundenschnelle... Er war tot...

Riley hatte es inzwischen geschafft sich aufzurappeln und presste sich die Hand vor den Mund, als sie Jared's leblosen Körper wahrnahm. „Oh mein Gott!", kreischte sie. „Was habe ich getan?!"

„Komm!", zerrte ich sie zu mir. „Hol du unsere wichtigsten Sachen! Ich nehm Nishan und Adnan!"

Im Schockzustand gehorchte sie. Ich holte den kleinen Adnan, der sich keinen Zentimeter von dem Sofa bewegt hatte. Ich nahm seinen zitternden Körper auf meinen Arm und lief wieder in den Flur. Dann lief ich zu Nishan hinter dem Schrank, der ein blaues Auge hatte. Außerdem lief aus seiner Nase Blut. „Komm her", sagte ich und hielt ihm meine Hand entgegen, die er sofort ergriff. Ich zog ihn hoch und nahm im Vorbeigehen an der Küche noch schnell wichtige Nahrungsmittel aus dem Kühlschrank.

Nishan rannte zu der Couch und schnappte sich das Tiegerkuscheltier seines kleinen Bruders, das er ihm gab. Adnan drückte es an seinen Körper. Ich streichelte ihm über den Kopf und wartete bis Riley die Treppe hinunterkam. Sie hatte zwei Rucksäcke in den Händen. Den einen setzte sie Nishan auf den Rücken, den anderen trug sie.

„Hat's du das letzte Geld genommen?", fragte ich hektisch.

Riley nickte wie betäubt. „Rachel, ich habe ihn getötet", flüsterte sie fassungslos. „Was sollen wir tun? Sie werden uns finden."

„Werden sie nicht", versicherte ich ihr. Mit Adnan auf den Arm kniete ich mich zu Nishan, dessen Augen voller Tränen waren. „Hör mir jetzt ganz genau zu, Nishan. Du, Riley, Adnan und ich sind jetzt eine Familie. Wir werden füreinander sorgen, verstanden? Du wirst auf mich hören, klar? Wenn ich sage renn, dann rennst du." Ich erinnerte mich an jenen Tag, als ich denselben Satz zu Riley gesagt hatte, als wir das erste Mal alleine auf der Straße waren.

Nishan nickte und ich nahm ihn an die Hand, als wir über die Leiche seines Vaters stiegen. „Mach deine Augen zu", sagte ich zu Adnan, der sein Gesicht in meine Schulter vergrub.

Und so verließen wir das Haus der Barnards...

„Hey, Neulinge!", schrie ein Wärter in unsere Zelle. „Ihr seid mit duschen dran! Lest nächstes Mal gefälligst selbst den Plan! Mir egal, wenn ihr nachher Parasiten habt!"

„Scheiße!", hörte ich meine Zellengenossin Drew von oben aus ihrem Bett fluchen. Sie schwang sich über die Lehne und sprang herunter, anstatt die Leiter zu benutzen.

Wir stellten uns an die Zellentüre aus Gitter, die der grimmige Wärter mit dem Schnauzbart aufschloss und ließen uns von ihn herumkommandieren. „Gradeaus!", rief er wie ein Soldat.

„Wir nennen ihn hier alle Schnauzbart", flüsterte Drew. „Er ist ziemlich depressiv und pessimistisch. Er war anscheinend mal in der Army und hatte ein posttraumatisches Trauma. Jetzt ist er hier gelandet."

„Ruhe, da vorne!", rief Schnauzbart.

Kurz vor dem Waschraum wurden wir in eine Lagerhalle gebracht, wo uns eine Frau ein Handtuch, Badeschuhe, Shampoo für Körper und Haare in einer kleinen Tube, Zahnbürste und Zahnpasta, ebenfalls in einer winzigen Tube, und noch einen Kamm gab. Dann wurden wir von der Frau in den Waschraum begleitet. Sie zeigte uns die Toilettenkabinen und die Waschbecken. Als sie uns dann die Duschen zeigte, war ich heilfroh, dass diese mit Duschvorhängen voneinander getrennt waren.

„Wenn Übergriffe auf euch stattfinden sollten, sofort melden. Wenn ihr selbst andere Häftlinge belästigt, kommt ihr in Isolationshaft", klärte uns die Frau auf. „Ihr habt fünf Minuten Zeit - die Duschen schalten sich dann von alleine ab."

Dann drehte sich die Frau um und ich wollte mich gerade beschweren, als Drew mir zuvorkam: „Sei froh über die fünf Minuten. Das ist der totale Luxus. In den öffentlichen Gefängnissen wo ich war, hast du, wenn du Glück hast, drei Minuten Zeit."

Ich klappte meinen Mund zu und lief in die Dusche hinein. Ich zog den Vorhang zu und fühlte mich vollkommen unwohl, als ich mir meine Häftlingskleidung vom Körper streifte und diese über die Stange hängte, woran der Vorhang befestigt war. Ich hoffte, dass hier wirklich keiner reinkommen würde. Ich fühlte mich total entblößt und verletzlich.

Schnell machte ich die Dusche an. Das Wasser war eiskalt, dennoch genoss ich es auf meiner Haut. Die Kälte ignorierte ich einfach.

Plötzlich hörte ich wie aus dem Nichts eine Stimme.

This is a story that I have never told
I gotta get this off my chest to let it go
I need to take back the light inside you stole
You're a criminal
And you steal like you're a pro

Eine Stimme, die mir bekannt vorkam. Wurde ich noch verrückt? Warum hörte ich hier jemanden singen? War das etwa Riley's Stimme? Das konnte doch nicht sein! Ich erinnerte mich an den sanften Ton... Riley hatte manchmal Duetts mit Tyrese in der High School gesungen.

All the pain and the truth
I wear like a battle wound
So ashamed, so confused
I was broken and bruised

Ich spitzte meine Ohren und rief zu Drew, die in der Kabine neben mir duschte: „Hörst du das auch?"

„Was denn? Ich dusche!", rief sie zurück.

Ich konzentrierte mich wieder auf die Stimme. Hörte ich sie nur in meinem Kopf?

Now I'm a warrior
Now I've got thicker skin
I'm a warrior
I'm stronger than I've ever been
And my armor, is made of steel, you can't get in
I'm a warrior
And you can never hurt me again

Out of the ashes, I'm burning like a fire
You can save your apologies, you're nothing but a liar
I've got shame, I've got scars
That I will never show
I'm a survivor
In more ways than you know

Oh mein Gott, jetzt erinnerte ich mich wieder. Diesen Song hatte Riley, nachdem sie Jared getötet hat immer gesungen. Sie hatte ihn immer gesungen, wenn wir versucht hatten, dass Nishan und Adnan einschliefen. Die zwei konnten bei der Kälte New Yorks besonders im Winter nie einschlafen. Wir besaßen nur eine Decke, mit der wir uns im Park immer verkrochen. Wenn die Parks nicht überwacht waren, hatten wir manchmal auch das Glück gehabt auf einer Bank zu schlafen.

'Cause all the pain and the truth
I wear like a battle wound
So ashamed, so confused
I'm not broken or bruised

'Cause now I'm a warrior
Now I've got thicker skin
I'm a warrior
I'm stronger than I've ever been
And my armor, is made of steel, you can't get in
I'm a warrior
And you can never hurt me

War das Riley's Stimme? Gehörte sie ihr? Das war unmöglich! Verlor ich meinen Verstand? Hatte ich mich doch getäuscht und ich hatte meine Schwester neulich wirklich gesehen, als sie in die Zelle neben mir gebracht wurde? Ich dachte, dass das nur eine Halluzination war.

Verdammt, konzentrier dich auf die Dusche, Rachel! Keine Ahnung wie viel Zeit mir noch blieb, jedenfalls hatte ich mich noch kein Stück gewaschen.

There's a part of me I can't get back
A little girl grew up too fast
All it took was once, I'll never be the same

Mit diesen letzten Worten war mir klar, dass es Riley war. Es gibt einen Teil von mir, den ich nicht wieder zurückbekommen kann. Ein kleines Mädchen, das zu schnell erwachsen wurde. Alles was es brauchte war einmal, ich werde nie mehr dieselbe sein... Diese drei Zeilen hatte sie besonders oft gesungen. Ein Teil von ihr war verschwunden, als sie Jared aus Notwehr getötet hatte und sie wusste, dass sie diesen Teil nicht mehr zurückbekommen konnte. Und ja, Riley musste viel zu schnell erwachsen werden. Sie musste schon als kleines Mädchen lernen zu überleben. Nach dieser Tat damals in jener Nacht wusste sie, dass sie nie mehr dieselbe sein würde. Sie wurde schwach und ich habe ihr das oft genug ins Gesicht gesagt. Riley wusste, dass sie von nun an nicht mehr das nette kluge Mädchen sein konnte, das die Freundin von Tyrese, dem Rapper der Schulband, war. Nachdem wir wieder obdachlos wurden, hatte Riley sich an jeden Mann geklammert, der ihr über den Weg lief. Sie hatte den falschen Instinkt.

Dann bin ich irgendwann Jake über den Weg gelaufen, nachdem wir Nishan und Adnan ins Kinderheim gebracht haben. Wir konnten nicht mehr richtig für sie sorgen, wenn die Winter kamen. Sie brauchten eine Chance auf Bildung. Die zwei waren doch noch so jung. Wir haben uns nicht mehr der Aufgabe gewachsen gefühlt, die beiden großzuziehen. Auch wenn Nishan und Adnan bei uns bleiben wollten, konnten wir das nicht zulassen. Adnan hatte mir sein Tiegerkuscheltier geschenkt, das ich Brooke bei ihrer Geburt gegeben hatte.

Als ich dann mit Jake zusammenkam, klammerte sich Riley an den Cousin von Jake und der Rest war Geschichte...

Aber diese Stimme... Nein, ich - das - das bildete ich mir nur ein. Ich sah Geister und halluzinierte. Mein Gehirn spielte mir bei jeder Gelegenheit einen Streich. Wollte mir mein Unterbewusstsein Schuld einreden, weil ich Riley hätte retten können? Ich hätte bemerken müssen, wie sehr Jake meine Schwester hasste, weil sie meine Schwachstelle war. Hasste Jake auch Brooke, weil sie meine Schwachstelle wurde, als sie zur Welt kam? Oh mein Gott, würde er seine eigene Tochter... Ich hielt mir mein Gesicht unter die Dusche und schluckte Wasser. Dann ohne zu zögern, riss ich den Vorhang zu der Nachbardusche auf - niemand war da...

Doch dann hörte ich einzelne Wassertropfen von dem Duschkopf auf die Fließen tropfen. Hier war jemand drin gewesen... Dieser Ort nahm mir meine Fassung...

◇◇◇◇◇◇◇

Das nächste Kapitel von Rachel Jordan! Ich hoffe, es war spannend und ihr habt mehr von Rachel kennengelernt und verstanden warum sie so ist, wie sie heute ist.

Denkt ihr, das Riley noch lebt oder bildet sich Rachel das nur ein, weil sie denkt, dass sie Schuld an Riley's Tod ist?

Kleiner Insider: Am Ende von Kapitel 16 in BOSTONS HIGH SOCIETY bemerkt John das Tiegerkuscheltier von Adnan in dem Zimmer, in dem Aria schlief. Wie ihr damals schon richtig gelegen habt, war das Brooke's ehemaliges Kinderzimmer. Brooke weiß aber natürlich nicht wem der Tieger mal gehört hat. Haltet nach diesem Plüschtier Ausschau, denn es wird noch eine wichtige Rolle spielen ;)

Ich hoffe, dass ich es schaffe das nächste Kapitel nächstes Wochenende zu veröffentlichen. Danach werde ich aber häufiger Kapitel hochladen :) Bis dann!

katherine_fields

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