Spiel der Liebe

By Tyskerfie

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Annika wächst bei ihren Großeltern in London auf, die alles darauf setzen sie zu einer richtigen Dame zu erzi... More

Neue Schule - Neues Leben?
Handball ist die Rettung - oder?
Die Spiele beginnen
Die erste Bewährungsprobe
Der Ball
Machtkampf oder Reiz?
Idioten
Lieber Stolz...
Nick vs. Annika
Mexican Beats und arrogante Vollidioten
"Aber heiß ist sie ja schon"
Immunität
Die Könige von Carmelot - oder so...
Gitarrenspiel und Eifersucht
Kaffee oder Arroganz?
Kennenlern-Schwierigkeiten
Und der Gewinner ist...
Kampf der Giganten
Ball Ball bald
Oh liebes London...
Keine Schlauheit
Kleider Koffer Kommunikation
Schnell erledigt
Überraaaschuuung!
Schottland und Orangenlikör
Familiärer Herbst
Champagner-Schock
Feuer und Fackel
Nächtliche Nässe
Kokosküche
Burgball
Kastanienkuss
Stille Stunden
Gefühlstraining
Wütende Würfe und anziehende Abwehr
Nicks Neue
St. Alberts Elefanten
Blutige Gefühle
Carmelot Künstler
Hornbrille und Handball
Lieblose Liebe
Verhaltenes Verhalten
Machtworte
Zwei Minuten
Bedeutungen und Ballanalyse
Bier und Barklay's
Winterball
Sekt und Schulden
Blickkontaktsromanze
Brennende Eiseskälte
Mondscheinmächte
Klammern
Verliebt
Verdammte Ehrlichkeit
Liebesdreher
Paddington-Bären
Verliebt und verarscht
Trübsal und Tränen
Weihnachtsferien und William
"Komm zurück..."
Cornwall-Charme
Hey
Glück und Geschichte
Lilien in London
Verächtliche Vergangenheit
Rosengarten-Romanze
Angriff
Qual der Wahl
Volle Kannen
Meistermanieren
Danksagung + Info <3

Egoistische Ereignisse

35.3K 1.9K 533
By Tyskerfie

"Hey", sagte sie langsam und ihre Lippen verzogen sich zu einem vorsichtigen, aber zuversichtlichen Lächeln.

Sie machte die Tür weiter auf und Nick betrat das Cottage ohne seinen Blick von ihr abzuwenden. Die anderen waren schon weiter ins Wohnzimmer gegangen, weshalb sie jetzt alleine im Flur standen und sich ansahen.

Annika fühlte sich so erleichtert und glücklich, dass sie kurz davor war, in Tränen auszubrechen. Was tat er hier? Wieso hatte er nicht gesagt, dass er kam?

"Nick", flüsterte sie und realisierte dabei, wie sehr sie ihn vermisst hatte. Wie falsch es sich anfühlte, keinen Kontakt zu ihm zu haben. "Was machst..."

"Shhht", hauchte er, zog sie ein klein wenig zu sich und ließ den Blick über ihren Körper schweifen. "Nicht jetzt", flüsterte er sanft. Annika nickte langsam, plötzlich verlegen wegen seiner Nähe. Sie hatte nie im Leben damit gerechnet, dass er nach Cornwall kommen würde. Sie war überhaupt nicht vorbereitet.

Unsicher rückte sie ihren Pulli zurecht, in dem sie sich auf einmal formlos und unfeminin vorkam. Doch Nick lächelte unbeirrt, auch als er seine Tasche abstellte und seine Jacke und Schuhe auszog.

"Hattet ihr eine angenehme Fahrt?", fragte sie und verschränkte nervös die Arme vor der Brust, weil sie nicht wusste, was sie sonst sagen sollte. Ihre Hände waren kalt, ihr Körper wie unter Strom. Sie hatte tausend Fragen, aber wenn er nicht jetzt darüber reden wollte...

Nicks Lächeln wurde breiter und sie bekam ein klein wenig das Gefühl, dass er sie auslachte. Es war doch unnatürlich, jetzt einen auf Smalltalk zu machen, wenn so viel unbesprochen zwischen ihnen stand?

"Nick!" Caro kam in den Flur und strahlte bis über beide Ohren. "Da bist du ja. Willkommen in Cornwall!", sagte sie und umarmte ihn zur Begrüßung. Über seine Schulter hinweg zwinkerte sie Annika zu, die auf einmal verstand.

Caro hatte es gewusst.

Sie hatte es geplant!

Wieso hatte sie nichts gesagt? Hatte sie gedacht, dass Annika ihn abweisen würde? Wenn sie es gewusst hätte, hätte sie sich wenigstens darauf einstellen können.

"Das Essen ist fertig, also kommt jetzt", herrschte sie sogleich weiter und ließ den beiden keine Zeit, noch alleine zu sein.

"Komm." Nick legte seine Hand in Annikas Rücken und sie zeigte den Weg ins Wohnzimmer.

"Ich hole noch schnell einen Teller und Besteck", murmelte sie, als sie auf den Tisch sah, der nur für vier Personen gedeckt war. Caro hatte ihre gespielte Unwissenheit bis zur letzten Minute ausgeführt.

Mit klopfendem Herzen ging sie in die Küche, mit zitternden Händen nahm sie einen Teller, ein Messer und eine Gabel. Vorsichtig atmete sie tief durch.

Nick war hier. Er war tatsächlich gekommen.

Das konnte nur bedeuten, dass er ihnen noch eine Chance geben wollte. Dass sie vielleicht endlich die Dinge zwischen ihnen klären konnten.

Endlich.

Hier war die benötigte Ruhe, die benötigte Zeit, um sich auszusprechen.

Dass Caro das geplant hatte und auch Gab und Simon davon wussten, bedeutete aber auch, dass sie sich darüber im Klaren waren, wo Nick und sie gerade standen. Irgendwie war ihr das peinlich. Sie wollte eigentlich keine Zuschauer, wenn sie sich endlich komplett mit Nick versöhnte.

"Entspann dich", flüsterte er plötzlich dicht hinter ihr und sie erschrak, da sie nicht gehört hatte, wie er die Küche betreten hatte. Sie spürte seine Hände an ihren Hüften, als er sich an der Küchentheke vor ihr abstützte. Langsam drehte sie sich zu ihm um und versuchte, seinen Rat umzusetzen. So dicht wie er vor ihr stand, war das jedoch ziemlich schwer.

Er musterte sie wortlos, direkt, und eingeschüchtert ließ sie den Blick sinken. Sie reagierte fast so erbärmlich, wie damals in Schottland, als er plötzlich aufgetaucht war. Sprachlos, verunsichert, schüchtern.

Dann spürte sie, wie er ihr Kinn anhob, damit sie ihn ansehen musste. Sie tauchte in seine Augen ein, die im spärlichen Licht in der Küche einen dunkelblauen Ton angenommen hatten, genau wie sein Strickpulli. Seine Haare waren zerzaust, er war wie immer unrasiert und er sah müde aus. Doch seine Augen funkelten, glitzerten, sprühten und Annika wusste einfach, dass es ihretwegen war.

"Wo sind die Gläser?", fragte er leise und der Klang seiner Stimme bescherte ihr eine Gänsehaut, obwohl seine Frage so banal und gleichgültig war. Sie räusperte sich, traute ihrer Stimme nicht.

"Hinter mir", sagte sie. Langsam zog Nick sie näher zu sich und ließ den Arm um ihre Taille liegen, während er die Schranktür hinter ihr aufmachte und ein Glas heraus holte. Dann ließ er sie los und Kälte umschloss sie sofort, jetzt wo er ihr nicht mehr nahe war.

Er sah wartend zu ihr und kurz nickte sie. Sie ging an ihm vorbei ins Wohnzimmer, von wo aus sie Gelächter hörte. Sie straffte die Schultern und atmete abermals tief durch.

Sie wollte sich jetzt nicht einschüchtern lassen! Dass Nick hier war, bestärkte ihre Gefühle für ihn und versicherte ihr, dass er sie auch wollte. Immer noch. Weshalb sollte sie jetzt also nervös oder unsicher sein? Dazu gab es keinen Grund, versuchte sie sich selber einzureden.

Außer er hatte die perfekte Gelegenheit gesucht, um ihr klar zu machen, dass sie keine Zukunft hatten. Weil er ihr Trainer war. Weil er ihr Trainer bleiben wollte. Oder weil er sie nicht genug liebte. Weil er nicht als egoistisch abgestempelt werden wollte, falls er sich seiner Verliebtheit zu ihr hingab.

Irritiert über ihre eigenen Gedanken schüttelte sie den Kopf, um die unbehaglichen Vorstellungen von ihrem Körper zu schütteln.

Simon schien gerade dabei zu sein, eine lustige Story zu erzählen. Sie platzierte den Teller und das Besteck am Tischende und Nick stellte das Glas dazu. Dann ging sie zu einem Schrank und holte ein Weinglas, das sie auch noch zum Tisch brachte.

"Jetzt aber, das Essen wird sonst kalt!", meinte Caro und bugsierte die Jungs zum Tisch.

"Ich sitze am Tischende!", meinte Simon sogleich und nahm Platz, als würde er sich auf einen Thron setzen. Caro und Annika setzten sich nebeneinander, gegenüber Gab und Nick.

"Greift zu!" Caro strahlte richtig und im Schein des Kamins und der flackernden Kerzen im Wohnzimmer schimmerten ihre Augen besonders schön. Gabs Nähe tat ihr definitiv gut.

Während Simon gleich zu den Kartoffeln griff, schenkte Nick allen Rotwein ein und Caro erzählte, was sie die letzten Tage gemacht hatten. Gab sah sie schwärmerisch und bewundernd an und Annika musste mit Mühe ein Grinsen unterdrücken. Über den Tisch hinweg fing sie Nicks Blick auf und sie musste aufpassen, dass sie ihn nicht mit dem gleichen Gesichtsausdruck ansah, wie Gab es bei Caro tat.

"Wie geht es deinem Opa, Annika?", fragte Simon, als alle Essen auf dem Teller hatten und anfingen, davon zu nehmen. Gerade als sie antworten wollte, merkte sie eine Berührung unterm Tisch. Erst wollte sie ihren Fuß wegziehen, da das bestimmt keine Absicht war, aber Nick hinderte sie daran und ließ sein Bein an ihrem weilen, ohne sie jedoch dabei anzusehen.

Ein wenig aus dem Konzept gebracht antwortete sie Simon: "Ihm geht es zum Glück viel besser. Und ganz so schlimm war es anscheinend auch gar nicht, meine Oma hat nur leicht übertrieben." Der Druck an ihrem Bein verstärkte sich leicht, ein Feuer brach auf ihrer Haut aus und Annika merkte, wie ihr ganz heiß wurde. Die Berührung war eindeutig Nicks Art zu sagen, dass ihm die letzte Auseinandersetzung leid tat.

Sie hatten sich zerstritten getrennt und jetzt saßen sie wie Freunde an einem Tisch – doch Annika war das egal. Sie würden sich später aussprechen und die Dinge zwischen ihnen klären. Sie hatte Nick längst verziehen, jetzt wollte sie die Zeit einfach genießen.

Obwohl es nicht einmal eine Woche her war, dass Annika nach London gereist war, fühlte es sich so an, als hätte sie die anderen eine Ewigkeit nicht gesehen. Deswegen kostete sie jede Sekunde des Abends aus und genoss es, sich von den Gebrüdern Klein unterhalten zu lassen, Nicks Nähe zu spüren und Caro an ihrer Seite zu haben.

"Was sagt ihr, habt ihr noch Lust ins Pub zu gehen?", fragte Caro, als sie alle aufgegessen und noch eine Zeit lang einfach am Tisch gesessen hatten.

"Puh, also ich muss leider für mein Kissen stimmen", meinte Simon und auch Gab nickte.

"Ja, war eine lange Fahrt. Das Pub können wir uns ja aufheben."

"Okay." Caro zuckte lächelnd mit den Schultern. Annika stand auf und begann den Tisch abzuräumen. Sie wollte weder ins Pub, noch ins Bett, sondern einfach mit Nick reden. Aber jetzt hatten sie so lange gewartet, da kam es auf einen Abend mehr oder weniger wahrscheinlich auch nicht an.

"Nick, ich habe für dich im Gästezimmer nebenan alles hergerichtet", sagte Caro weiter und Annika trug grinsend die ersten Teller in die Küche. Ihre Freundin hatte sogar das Gästezimmer für Nick bereit gemacht und sie hatte es nicht einmal mitbekommen.

Simon kam mit den restlichen Tellern in die Küche und grinste dümmlich vor sich hin. "Ich bin satt und glücklich, was will man mehr?", meinte er.

"Naja, da du anscheinend auch müde bist – dein Bett?"

"Annika, die Weisheit in Person", neckte er sie. Lachend fing sie an, dass Geschirr abzuwaschen, während Simon noch das restliche Essen und die Gläser holte. Nick und Gab trugen ihr Gepäck in ihre Zimmer und Annika war sich sicher, dass Caro ihrem Auserkorenen eine Spezialführung durch das Cottage gab.

Sie merkte, wie die Müdigkeit sie langsam aber sicher beschlagnahmte. Nicks Auftauchen hatte ihre Gefühle so aufgewirbelt, dass ihre Nerven jetzt völlig fertig waren.

"So, das war's." Simon stellte klirrend das restliche Geschirr auf den Küchentisch und schnappte sich sogleich ein Tuch, um die abgewaschenen Teller abzutrocknen. Gerade als sie zusammen die letzte Gabel in der dafür vorgesehenen Schublade verstaut hatten, kamen Gab und Caro die Treppe hinunter gepoltert.

"Hey, Planänderung!", rief Caro und Simon und Annika gingen neugierig ins Wohnzimmer, wo Nick gerade aus seinem Zimmer trat, um zu hören, was Caro meinte.

"Wie wär's, wir gehen doch ins Pub?", lächelte sie breit mit bettelndem Blick und Gab hinter ihr nickte eifrig. Auch Simon schien von der Idee begeistert.

"Wie, ich dachte, ihr wollt alle ins Bett?", fragte Annika amüsiert.

"Schlafen können wir, wenn wir alt sind", lächelte Simon breit und kopfschüttelnd wandte sie ihren Blick zu Nick, der seine beiden Freunde leicht lächelnd ansah.

"Bist du auch dabei?", fragte sie ihn und spürte, wie ihr Puls zu rasen anfing, als er ihren Blick erwiderte.

"Na, klar", lächelte er jetzt breit und ihre Mundwinkel zogen sich automatisch nach oben.

"Dann zieht euch warm an, wir gehen jetzt", rief Caro euphorisch. Dick eingepackt in Schals und Jacken verließen die fünf kurz darauf das Cottage und gingen mit zügigen Schritten Richtung Stadt. Es war extrem windig und es regnete leicht – definitiv kein Wetter für einen Spaziergang.

Dafür, dass es Donnerstag war, war das Pub ziemlich gut gefüllt. Stammgäste, junge Leute, Touristen – unter den Gästen fand sich so ziemlich alles. Sie ergatterten einen gemütlichen Ecktisch und Gab und Nick gingen zur Bar, um Bier zu holen.

"Ich hätte Joe einladen sollen", kam es von Simon, der mit Caro und Annika beim Tisch geblieben war. "Oder ich bleibe morgen bei eurem Doppeldate einfach daheim."

"Das ist doch kein Doppeldate", kicherte Caro mit roten Wangen und Annika war ihr dankbar, dass sie antwortete. Was hätte sie selber schon sagen können, ohne sich vollends zu verraten?

"Heute vielleicht nicht", lächelte Simon schief und sah zur Bar. "Oh, morgen vielleicht auch nicht." Die Mädchen folgten seinem Blick und Caro gab einen verächtlichen Laut von sich. Zwei blonde Mädchen hatten sich zu Nick und Gab gestellt, lächelten sie süß an und redeten auf sie ein. Während auf Nicks Mund so etwas wie ein kühler, aber amüsierter Zug erschien, wirkte Gab verwirrt und überfordert.

"Ein wenig Aufmerksamkeit schadet den beiden wahrscheinlich nicht", sagte Annika munter und ärgerte sich in erster Linie darüber, dass sie auf ihr Bier warten musste. Als hätte Nick ihre Gedanken gelesen, sagte er etwas zu den Mädchen, schnappte sich die Bierflaschen und schubste Gab vor sich her, weg von den zwei Blondinen. Augenverdrehend stellte er die Flaschen auf dem Tisch ab und setzte sich neben Annika.

"Wer war das?", fragte Caro Gab und Annika musste schmunzeln. War ihre Freundin etwa eifersüchtig?

"Keine Ahnung, die waren aus Irland oder so. Ich habe sie nicht verstanden", gab ihr fast-Freund zu und die anderen lachten.

"Du hast sie nicht verstanden?", hakte Simon ungläubig nach und Gab nickte nur ganz unschuldig.

"Kann ja nichts dafür, dass ihr Dialekt so krass war."

"Ist ja auch egal", meinte Nick und drückte allen eine Flasche in die Hand. Wie Recht er hatte. Er nahm einen großen Schluck und lehnte sich zufrieden seufzend nach hinten an die Wand, seine Schulter berührte dabei Annikas und sie konnte nicht ganz umhin, sich nur ein klein wenig an ihn zu lehnen.

Nick begann von seinem Wissenschaftsprojekt in der Schule zu erzählen, bis Simon demonstrativ so laut gähnte, dass die Gruppe lachend das Gesprächsthema wechselte. Annika war es egal, über was Nick redete – sie konnte ihm stundenlang zuhören.

Irgendwann wurde der Pooltisch frei und Annika und Nick versuchten ihr Bestes gegen die anderen drei. Es herrschte eine freudige Ausgelassenheit, eine Unbekümmertheit, die Annika lange nicht mehr gespürt hatte.

"Jetzt mag ich nicht mehr", meinte Gab irgendwann nach der dritten Niederlage. Das Pub war mittlerweile um die Hälfte der Besucher reduziert, ruhige Musik ertönte aus der Jukebox, alle Bewegungen um sie herum verliefen in Zeitlupe.

"Das Bett ruft", stimmte sein Zwillingsbruder mit ein und die anderen nickten. Es war schon weit nach Mitternacht. "Ich will aber diese Woche noch eine Revanche!", sagte er weiter und deutete drohend mit dem Queue auf Annika und Nick, die gerade triumphierend einschlugen.

"Wenn du wieder verlieren willst, gerne", grinste Nick provozierend. Simon verdrehte nur grinsend die Augen. Sie zogen sich wieder warm an, verabschiedeten sich vom Barkeeper und traten in die kalte Nacht. Es regnete zum Glück nicht mehr, nur der Wind ließ sich nicht so leicht besänftigen.

Caro, Gab und Simon gingen vorne, Annika und Nick einige Meter hinter ihnen – diese Aufteilung hatte sich wie automatisch ergeben. Ohne groß nachzudenken hakte Annika sich bei Nick unter, um sich ein wenig an ihm zu wärmen und langsam sackten sie mehr und mehr nach hinten.

Sie gingen in Stille nebeneinander, hörten nur von vorne ab und zu die Stimmen und das Gelächter der anderen. Beide hatten so viel zu sagen, dass sie kaum wussten, wo sie anfangen sollten.

"Ich bin wirklich froh, dass du hier bist", sagte Annika dann leise, nachdem sie sich ein Herz gefasst hatte.

Nick sah sie von der Seite an. "Das will ich doch hoffen", ärgerte er sie und lächelnd erwiderte sie seinen Blick.

"Du weißt, wie ich das meine", murmelte sie.

"Ja, ich weiß." Er hielt ihren Blick einige Sekunden fest, während er sich aus ihrem Griff löste, nur um seinen Arm um ihre Hüfte zu legen. Annika schmiegte sich an ihn, atmete beim Gehen seinen Duft ein und fühlte sich so geborgen wie noch nie.

Nach einer viertel Stunde kamen sie beim Cottage an, Caro sperrte auf und die Truppe beeilte sich in die Wärme.

"Also, gute Nacht!", meinte Caro an die Jungs und schnappte sich Annikas Hand. "Komm schnell", murmelte sie in ihr Ohr und zog sie zur Treppe.

"Ähm, gute Nacht, bis morgen!", rief sie noch über ihre Schulter, bevor sie hinter Caro in ihr Schlafzimmer rannte.

"Was ist los?", fragte sie lachend, als sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, und ein klein wenig enttäuscht darüber, dass sie so abrupt von Nick weggerissen worden war.

"Du glaubst es nicht! Gab hat mich morgen zum Essen eingeladen", quiekte Caro freudig und wedelte aufgeregt mit den Armen. "Er will was mit mir besprechen", flüsterte sie euphorisch weiter und strahlte bis über beide Ohren. "Du weißt, was das heißt, oder?"

Annika lachte. "Ja, ihr zwei werdet uns hoffentlich alle bald das Leiden ersparen und zusammen kommen!"

Seufzend ließ Caro sich nach hinten auf das Bett fallen. "Gott, bin ich glücklich", sagte sie und schloss die Augen, während sie die Arme zu beiden Seiten ausgestreckt hatte. Annika betrachtete ihre Freundin lächelnd. Sie gönnte ihr ihr Glück von ganzem Herzen.

"Gab ist ein toller Kerl", sagte sie und begann sich auszuziehen. Caro öffnete das eine Auge und lugte zu ihr. Dann setzte sie sich im Bett auf.

"Nick aber auch", meinte sie vorsichtig. Wahrscheinlich hatte sie Angst, dass Annika sauer war, weil sie Nicks Überraschungsbesuch geplant hatte. Doch ihre Sorge war umsonst.

"Danke, dass du ihn eingeladen hast", flüsterte sie und konnte nur schwer die Tränen zurückhalten.

"Du bist mir nicht böse?"

"Nein, dir kann ich doch nicht böse sein", grinste Annika und zog sich ihren Schlafanzug an.

"Habt... Habt ihr euch ausgesprochen?", fragte sie jetzt vorsichtig, doch Annika schüttelte nur den Kopf.

"Nein, wir hatten noch nicht wirklich die Gelegenheit. Aber das kommt noch." Da war sie zuversichtlich. Ungeduldig, aber zuversichtlich.

"Bestimmt!" Caro stand auch auf und begann sich bettfertig zu machen, als sie das Knarzen der Treppenstufen und die leisen Stimmen von Gab und Simon hören konnten. Kurz darauf schloss sich die Tür vom Zimmer gegenüber.

Müde machten die zwei Mädchen sich noch im Bad fertig, bevor sie alle Lichter ausmachten und sich hinlegten. Es war ganz still im Cottage, nur der Wind sauste um die Ecken des Häuschen.

"Gute Nacht", flüsterte Caro und schon nach wenigen Minuten konnte Annika an ihrer gleichmäßigen Atmung hören, dass sie schlief. Selber wälzte sie sich von der einen auf die andere Seite, immer wieder. Die Müdigkeit war verflogen, zu aufgedreht machte sie der Gedanke, dass sich Nick nur wenige Meter unter ihr befand. Ihre Gedanken kreisten immer wieder um seine kleinen Berührungen und Blicke am Abend. Dass er hier war. Seine Präsenz war überwältigend.

Abermals drehte Annika sich auf die andere Seite und kuschelte sich in ihre Decke. Sie fror. Das Feuer im Kamin war bestimmt längst ausgegangen. Der Wind heulte und machte das Schlafen unmöglich.

Nach einer endlosen Stunde entschloss sie sich, im Kamin Feuer zu machen. Vielleicht würde ein klein wenig Aktivität sie müde machen und warm schlief es sich einfach besser.

Geräuschlos stand sie auf, zog sich einen Pulli über ihr T-Shirt und verließ das Schlafzimmer. Die Treppenstufen ächzten unter ihr, egal wie vorsichtig sie darauf trat. Leise schlich sie sich ins Wohnzimmer, aus dem ein diffuses, goldenes Licht schimmerte.

Überrascht blieb sie stehen, als sie Nick vor dem Kamin sitzen sah. Das Feuer brannte jetzt fröhlich und sie konnte von der Tür aus schon die Wärme der Flammen spüren. Die Möbel wurden in tanzende Schatten getaucht. Langsam ging sie auf Nick zu, der mit dem Rücken zu ihr gewandt auf dem Boden saß und in die brennende Masse starrte.

"Hey", sagte sie leise und setzte sich auf das Sofa hinter ihm, dass sehr praktisch vor dem Kamin platziert war. Erschrocken drehte er sich um, lächelte aber sanft, als er sie erkannte.

"Hey." Leise, liebevoll.

"Ich konnte nicht schlafen.", flüsterte sie überflüssig. "Mir war kalt", fügte sie erklärend hinzu. Er nickte verständnisvoll, ihm war es nicht anders ergangen. Dann stand er auf. Sie befürchtete schon, dass er jetzt, wo das Feuer im Kamin brannte, einfach wieder ins Bett gehen wollte. Doch er schritt zu ihr und ging vor ihr in die Hocke, legte seine Hände seitlich auf ihren Oberschenkeln ab und sah ihr tief in die Augen.

"Es tut mir so Leid", flüsterte er und sie erkannte die Trauer in seinen Augen, die Reue. "Ich wollte dich nicht verletzen. Ich hatte keine Ahnung, wie nah dein Verhältnis zu deinem Opa in Wirklichkeit ist."

Annika schüttelte den Kopf. "Hör auf, ich nehme dir nichts übel. Außerdem muss ich mich bei dir entschuldigen. Meine Oma..."

"Caro hat mir alles erklärt", unterbrach er sie grinsend.

"Sie kann manchmal eine Hexe sein."

"Das liegt, denke ich, an der Generation." Wieder dieses schiefe Lächeln, dass sie fast um den Verstand brachte. "Ich dachte erst, dass du ihr wirklich gesagt hättest, dass du mich nicht sehen willst." Er sagte es nicht vorwurfsvoll, eher erleichtert darüber, dass dem nicht so war.

"Meine Oma wollte dich nicht sehen. Oder naja, eher deine Eltern. Und das hat sie an dir ausgelassen." Sie schüttelte den Kopf. "Mir war gar nicht bewusst, dass unsere Familien sich kennen."

"Ich hatte auch keine Ahnung." Vorsichtig nahm er eine ihrer Haarsträhnen und strich sie ihr hinters Ohr.

"Wieso hast du dein Handy ausgemacht? Ich habe versucht, dich zu erreichen." Fragend und mit zitternder Atmung tauchte Annika in Nicks Augen ein. Grinsend sah er weg.

"Ich habe es nicht aus-, sondern kaputt gemacht." Kurz lachte er auf.

"Du hast... Was?" Kichernd sah sie ihn fragend an.

"Naja, als deine Oma... Wie soll ich sagen... Ein iPhone überlebt es nicht, auf den Boden geschmissen zu werden." Seine Augen funkelten belustigt, als Annika verstand, was er ihr gerade erzählte. "Mein Temperament ist mit mir durchgegangen", fügte er schulterzuckend hinzu. "Und erst Dienstag habe ich mir ein neues Handy besorgen können. Da hat Caro mir dann geschrieben."

Leise lachend schüttelte Annika ungläubig den Kopf. Kurzerhand fuhr sie ihm mit der Hand durch die Haare und musterte ihn. "Ich bin dir nachgelaufen, weißt du...", flüsterte sie und legte ihre Hand an seine Wange; langsam lehnte er seinen Kopf dagegen. Hinter ihm knisterte das Feuer und unterbrach somit die Stille um sie herum.

"Wieso bist du gekommen?", fragte sie ihn vorsichtig. Sie wollte die Wahrheit wissen. Sie brauchte die Aufklärung. Jetzt.

"Annika..." Langsam zog er sie ein wenig näher zu sich, sah zu ihr auf, während er vor ihr kniete. "Ich halte es nicht länger ohne dich aus", flüsterte er und ihr Herz begann hart in ihrer Brust zu schlagen, ihr ganzer Körper kribbelte. "Ich denke jede Sekunde an dich, jeden Augenblick sehne ich mich nach dir. Ich..."

"Du hältst doch gar nichts von der Liebe?", unterbrach sie ihn leise und sah ihn ungläubig an.

"Du hast mich mehrmals eines Besseren belehrt, Annika, und hier ist es wieder der Fall. Ich habe alle meine Vorurteile, all meine Voreingenommenheit über Bord geworfen. Zur Hölle mit meinem Stolz – Annika, ich will nur dich. Ich will in dieser Hinsicht so egoistisch sein, wie nur möglich. Ich will nicht, ich kann nicht ohne dich leben. Nicht mehr. Ich will dir meine ganze Zeit und Zuneigung schenken, wenn ich von dir einfach nur ein wenig Aufmerksamkeit bekomme. Annika, ich..." Nick hielt kurz inne, schien mit sich zu hadern, sah weg, dann wieder zu ihr.

"Ich liebe dich, Annika."

Tränen der Freude sammelten sich in ihren Augen, als sie beide Hände an Nicks Wangen legte und ihn ansah. Jetzt war der Augenblick gekommen, in dem sie ihm endlich ehrlich ihre Gefühle gestehen konnte. Ohne, dass sie gestört wurden. Ohne, dass sie unsicher war. Einfach ohne Hindernisse.

"Ich liebe dich, Nick", sagte sie leise, beugte sich langsam vor und legte ihre Lippen auf seine. Die erste Träne kullerte ihre Wange hinunter, als er ihren Kuss erwiderte und einen zufriedenen Laut von sich gab. "Ich liebe dich so sehr", murmelte sie an seinen Mund und fühlte sich erleichtert, glücklich, schwerelos.

"Du sollst nur mir gehören", hauchte er, bevor sich ihre Lippen wieder fanden und er sie stürmisch vom Sofa zog, zu ihm, sodass sie rittlings auf ihm saß und er nach hinten auf den Teppich fiel. Annika beugte sich über ihn, küsste ihn weiter und fuhr mit ihrer Hand über seinen trainierten Oberkörper. Durch sein Shirt konnte sie deutlich seine Muskeln spüren. Ihre Lippen bewegten sich im Einklang und jede Zelle ihrer Körper genoss den Moment. Es fühlte sich so richtig an. Nichts in Annikas Leben hatte sich je so richtig angefühlt.

"Du bringst mich noch um den Verstand", murmelte Nick und drehte sie vorsichtig um, sodass sie nun unter ihm lag, das Feuer warf orangene und gelbe Lichtstrahlen über ihr Gesicht. Zärtlich sah er sie an, während sie mit geröteten Wangen und glücklichem Blick zu ihm aufsah. Vorsichtig legte er seine Stirn an ihre. "Von der ersten Sekunde an, hast du mich um den Verstand gebracht", gab er leise zu. Annika legte ihre Hände in seinen Nacken, zog ihn enger zu sich und wie von alleine fanden sich ihre Lippen abermals.

"Deine Arroganz hat mich um den Verstand gebracht", ärgerte sie ihn und lachte leise, während er in den nächsten Kuss lächelte und sich mit einer Hand die ihre schnappte, ihre Finger miteinander verschränkte und sie über ihrem Kopf ablegte.

"Von deiner wollen wir gar nicht anfangen, oder?", grinste er und fuhr mit seiner anderen Hand ihre Kontur nach.

"Ich und arrogant?", lachte sie leise und sah Nick trunken vor Liebe an.

"Arrogant, stolz, verurteilend...", begann Nick grinsend aufzuzählen und küsste sie in ihrer Halsbeuge. "Ehrgeizig, liebenswürdig, einfühlsam, intelligent, stark", fuhr er fort. "Und verdammt heiß." Wieder küsste er sie auf den Lippen, die sich ohne seine nicht komplett anfühlten. Langsam öffnete sie ihren Mund, gewährte seiner Zunge Einlass und ließ sich in den Kuss fallen.

Minuten später richtete er sich auf und zog sie zu sich. Er lehnte sich an das Sofa, sie lehnte sich an seine Brust. Eng umschlungen hielt er sie fest, während sie beide in das Feuer blickten und sich wärmen ließen. Kalt war Annika auf jeden Fall nicht mehr, was aber mit ziemlicher Sicherheit nicht nur an den Flammen lag.

Nick drückte ihr einen Kuss auf den Scheitel, atmete ihren Duft ein und festigte seinen Griff. "Ich liebe dich", murmelte er wieder, während Annika müde die Augen schloss.

Sie konnte es kaum glauben. Sie konnte ihr Glück kaum fassen. Wie lange hatten sie sich gestritten, sich gegeneinander gesträubt? Sie hatten sich auf ein gefährliches Spiel eingelassen, als sie gegeneinander und ihren Stolz gekämpft hatten, als sie durch Abneigung versucht hatten, sich gegenseitig zu fördern. Als Feinde hatten sie in einem Team agiert. Aussichtslos hatte ihr Verhältnis erschienen.

Doch letzten Endes hatten sie beide das Spiel gewonnen.

Das Spiel der Liebe.

___________________

Spätestens jetzt habt ihr mir alle den Cut vom letzten Kapitel verziehen, oder? :b :D <3

Fertig sind wir hier aber noch nicht ganz – denn: wie wird das Handballteam (vor allem Victoria) auf die Liebe zwischen Nick und Annika reagieren? Wie wird sich das Team schlagen – wird Mrs. Carmelot ihnen für die nächste Saison eine Chance geben? Wird aus Gab und Caro was?

Das und vieles mehr erfahrt ihr in den nächsten Kapiteln... Okay, okay, ich hör schon auf xD

Was ich eigentlich sagen will: Ich hoffe, euch hat dieses Kapitel gefallen und dass ihr mich noch bis zum Ende begleitet ;)

Tyskerfie <333

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