Kapitel 19

74 5 2
                                    

Adam's Song

♫♪♫♪♫

"Okay... wie meinst du das?", fragte Ethan.

"Wie ich es gesagt habe. Wir müssen mal Klartext reden."

Ethan sah mich ausdruckslos an. Dann seufzte er und drehte sich ebenfalls vollständig in meine Richtung. Sein Blick war nun aufmerksam und erwartungsvoll.

"Es läuft im Moment so gut bei uns und da frage ich mich... warum das nicht immer so sein kann...", fuhr ich fort.

"Es tut mir Leid, aber es geht nicht."

"Warum, Ethan? Was hab ich dir jemals getan? Ich weiß doch, dass du mich nicht nicht magst. Es hat einen anderen Grund. Einen, der dich innerlich fertig macht. Ich bin doch nicht doof, Eth. Bitte erzähl es mir. Alles. Dann müssen wir keine Geheimnisse voreinander haben."

"Das geht dich nichts an, Brianna. Das ist ganz allein meine Sache und meine Probleme!", sagte Ethan deutlich.

"Meinst du nicht auch, dass es alles viel einfacher machen würde, wenn du es mir einfach erzählst?"

"Du sagst es. Du weißt nicht mal, wovon du sprichst. Es dir 'einfach erzählen'. Brianna, du hast schon Recht, ja, es nimmt mich innerlich mit, verdammt! Und deshalb möchte ich mich nicht damit auseinandersetzen!", beharrte er.

"Und den Schmerz solange zurückhalten, bis du vor lauter Gefühlen platzt?!", fragte ich. "Nein, Eth, nein, das werde ich nicht zulassen. Ich weiß, wie sich das anfühlt. Ich weiß es zu gut."

Ethan sah mich fragend an. Ich seufzte.

"Ich erzähl dir meine Geschichte, wenn du mir deine erzählst, in Ordnung?", schlug ich ihm vor.

Nun war es Ethan, der seufzte. Und er hatte wohl endlich eingesehen, dass es so besser war, denn er nickte langsam und zustimmend. Endlich hatte ich ihn so weit bekommen. Ich war gespannt, was er mir gleich erzählen würde.

"Fang du an", murmelte er.

"Na gut", sagte ich und holte tief Luft. "Also. Eigentlich hat alles in meiner Schulzeit angefangen. Schon im fünften Jahr bin ich gemobbt worden. Das hat sich dann im sechsten beruhigt, aber im siebten hat es wieder angefangen und hat nicht wieder aufgehört. Meine Mitschüler haben mich beschimpft. Sie hatten gesagt, ich wäre nutzlos, hässlich, dumm, dick und, dass sie mich nicht ausstehen konnten. Jeden Tag. Mehrmals. Sie haben mich ausgeschlossen und über mich gelacht. Es hat mich fertig gemacht. Es hat mich krank gemacht. Ich fing an, mich selbst zu hassen und verfiel in Depressionen. Ich bin unsicher und schüchtern geworden. Vielleicht nicht wirklich schüchtern, aber ich war zurückhaltend und hatte Angst etwas zu sagen. Die anderen hätten es ja vielleicht lächerlich dastehen lassen. Ich habe Albträume bekommen, woraus resultierte, dass ich Angst davor hatte, zu schlafen. Ich wollte nicht schlafen, konnte nicht einschlafen und hatte Probleme, durchzuschlafen, wenn ich dann mal eingeschlafen bin. Im siebten Schuljahr habe ich dann angefangen mich selbst zu verletzen."

Ethan sah mich an und nahm dann meine Hände in seine. Er begutachtete meine beiden Unterarme, strich über die blassen Narben, die ich immer versuchte, mit einigen Armbändern zu bedecken, und sah auf und in meine Augen.

"Ich weiß", sagte er leise.

"Wo-"

"Ich habe sie schon gesehen", gab er zu.

"Oh... tut mir Leid."

"Wieso entschuldigst du dich dafür?"

"Ich hätte sie besser verstecken können...", nuschelte ich.

"Brianna, nein. Steh einfach dazu, wer du bist. Denn ohne deine Vergangenheit, ohne das, was passiert ist, wärst du jetzt nicht diese tolle Person, die du heute bist. Sei also dankbar und bereue nichts. Denn zu einer gewissen Zeit ist das, was du getan hast, genau das gewesen, was du gewollt hast", erklärte Ethan mir eindringlich.

"Hm", machte ich. "Das muntert mich ein kleines bisschen auf, glaube ich." Dann erzählte ich weiter:"Jedenfalls war meine einzige Rettung damals mein damaliger Freund. Er war mein erster und einziger Freund. Wir sind zusammen gekommen, als ich fünfzehn Jahre alt war. Er ging nicht auf meine Schule und wusste daher nichts vom Mobbing. Nur Amanda, die übrigens auch nicht auf meine Schule ging, wusste davon. Mein damaliger Freund wusste nur von meinen Schlafproblemen und meiner Selbstverletzung. Im ersten Jahr als wir zusammen waren, hat er mir sehr geholfen, mich immer unterstützt und mich wie eine Prinzessin behandelt."

Ethan lächelte. "Das ist lieb von ihm."

Ich nickte. "Ja." Ich lächelte traurig. "Wenn es so geblieben wäre, wäre alles vielleicht weniger ausgeartet..."

"Wie meinst du das?", fragte Ethan.

Ich schluckte. "Alles ging bergab, als er sich im Februar 2012 kurz nach unserem zweijährigen Jubiläum von mir getrennt hatte. Wir waren am sechsundzwanzigsten Januar zwei Jahre zusammen gewesen."

Ethans Gesichtsausdruck veränderte sich. Seine Augen drückten Mitgefühl aus, aber auch er schien sich an etwas zu erinnern, was nicht gerade schön war. Ob er wohl auch unter einer Trennung litt?

Ich biss mir auf die Unterlippe, denn gerade traten wieder die Erinnerungen an ihn in meinen Kopf. In meinen Augen bildeten sich Tränen. Die blieben bei Ethan natürlich nicht unbemerkt. Er nahm meine Hand in seine und strich beruhigend darüber.

"Du musst nicht weitererzählen", sagte er sanft und leise.

"Doch. Du sollst es wissen", sagte ich und schniefte.

Ethan nickte, überlegte einen Moment, kam mir näher, zögerte und legte dann doch seinen Arm um mich. Ich rückte ein Stück näher an ihn und lehnte mich gegen ihn. Jetzt sah ich ihn zwar nicht mehr an, wenn ich redete, aber das war okay. Ich wusste, dass er mir auch so zuhörte.

"Ich hätte wissen müssen, dass die Trennung kam. Im zweiten Jahr unserer Beziehung hat er nämlich angefangen, sich komisch zu verhalten. Er hatte zwar immer noch Zeit für mich, aber er hat mich nicht mehr so fürsorglich und liebevoll behandelt, wie er es sonst immer getan hatte. Er war... wie verändert", erzählte ich. "Das hat mich noch mehr kaputt gemacht. Eben bis zu dem Punkt, an dem er Schluss gemacht hat. Für mich ist eine Welt zusammengebrochen. Ich hing an ihm. Oder vielmehr an den schönen Erinnerung, wie mir hinterher klar geworden ist."

Ich spürte, dass Ethan verstehend nickte und mich beruhigend näher an sich zog. Ich schluckte noch einmal.

"Aber so viel dazu", fuhr ich fort. "Mein einziger Halt nachdem er weg war, war die Musik. Und Amanda. Sie hatten mir auch schon in der Zeit mit ihm geholfen, aber ganz besonders, als er weg war. Und vor allem war es in der Zeit die Musik, denn ich habe Amanda viel zu selten gesehen. Aber auch in der Schule war es wieder schlechter. Denn natürlich haben sie meine Narben gesehen, egal wie sehr ich versuchte, sie zu verstecken. Das hat zu noch mehr Mobbing und noch mehr Unsicherheit geführt. Ich habe angefangen Stimmen zu hören und hatte Suizidgedanken. Ich wollte nicht mehr leben. Das hat schon recht bald zu Suizidversuchen geführt, die entweder nicht geklappt hatten oder ich doch nicht mutig genug war, um es endgültig durchzuführen."

"Wirklich?", fragte Ethan und schob mich vorsichtig ein Stück weg. "Du wolltest wirklich nicht mehr leben?"

Ich nickte und senkte leicht beschämt den Blick. "Ja, Eth."

"Es ist schrecklich, wie so etwas wie Mobbing das ganze Leben einer so wundervollen Person zerstören kann", sagte er sanft.

Ich nickte bloß.

"Brianna, es tut mir Leid, dass ich immer so unfreundlich zu dir war. Hätte ich das gewusst- ...hättest du gewusst, was ich- ...es- es tut mir Leid, ich-"

"Es ist in Ordnung, Eth", beruhigte ich ihn und sah auf.

Ethan sah mich an. Dann kam er näher und umarmte mich fest. Ich erwiderte seine Umarmung. Und hier war wieder seine freundliche Seite. Seine super freundliche Seite, die auch noch süß und fürsorglich war. Wenn man Ethan näher kannte, merkte man, was für ein wundervoller Mensch hinter der harten, kalten Fassade steckte. Ich merkte es auch. Und ich fand es fantastisch.

Scream in the Dark (Musik/Romanze)Where stories live. Discover now