57.

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Am nächsten Tag laufe ich zu unserem Haus herüber, bevor meine Eltern nach Hause kommen. Immerhin weiß meine Mutter immer noch nichts von Kyrans und meiner Beziehung und auch nicht, dass ich zwar nicht mit ihm, aber dafür bei ihm geschlafen habe, im selben Bett.

Nachdem ich gestern beinahe vor Peinlichkeit gestorben bin, bin ich mit Kyran auf sein Zimmer gegangen. Das Telefonat mit meiner Mutter habe ich nicht mehr erwähnt und auch als er davon anfing, um mich offensichtlich aufzuziehen, habe ich ihn einfach unterbrochen.

Es ist nicht mehr zwischen uns passiert. Kyran versteht, dass ich mich noch nicht bereit dazu fühle und hat es mit einem Witz hingenommen, dabei bin ich mir sicher, dass es ihn irgendwie enttäuscht hat. Aber alleine die Tatsache, dass er so getan hat, als würde es ihm nichts ausmachen und dass er mir gesagt hat, dass er mir alle Zeit der Welt geben wird, hat mich so unendlich glücklich gemacht.

Meiner Mutter nun erklären zu müssen, dass wir tatsächlich miteinander ausgehen, dass wir nun offiziell zusammen sind, wird schwierig, denn ich weiß beim besten Willen nicht, wie sie reagieren wird. Ob sie nun wütend oder glücklich darüber wird.

Die Reaktion bei meinem Vater kann ich mir umso besser vorstellen. Er wird wütend sein, enttäuscht und verletzt – nicht, weil ich mit Kyran zusammen bin und er irgendetwas gegen ihn hat, nein, er hat einfach gegen jedes männliche Wesen etwas, das sich mir auf hundert Meter nähert.

»Hey«, sage ich, als meine Mutter und mein Vater am Nachmittag schließlich küssend und wie frisch verliebt nach Hause kommen. Mom kichert gerade, als Dad sie küsst und sanft in die Küche schubst.

Als meine Eltern mich sehen, drückt meine Mutter die Hände meines Vaters von sich und bringt ihre zerzausten dunklen Haare, die in alle Richtungen abstehen wieder in Ordnung. Mein Vater starrt mich an, als wäre ich nicht seine Tochter, sondern ein Einbrecher, der sich mal eben in ihrer Küche ein Sandwich schmiert. Mom kichert nervös, die Wangen sind leicht gerötet, als sie auf mich zukommt und mir auf die Schulter klopft.

»Mia«, lacht sie und wirft meinem Vater einen seltsamen Blick zu. »Was machst du denn hier? Hast du keine Freunde? Also...ich meine, heute ist Samstag, du bist jung...solltest du dich nicht draußen aufhalten, heimlich rauchen, illegale Drogen konsumieren, Mist bauen, von der Polizei geschnappt werden und am Ende Hausarrest von uns kassieren?«

»Ähm...« Ich schaue verwirrt von ihr zu meinem Vater, der nur mit den Schultern zuckt, um mir zu signalisieren, dass er selbst keine Ahnung hat, wovon Mom da eben spricht. Vielleicht hat ihr dieser Kurztrip doch nicht so gut getan...andererseits, wenn ich daran denke, wie sie gerade ins Haus gekommen sind und davon ausgegangen sind, dass ich nicht zu Hause bin...vielleicht hat ihnen beiden dieser Kurztrip auch viel zu gut getan.

»Ich denke...«, sagt mein Vater, der nun näher an uns heran tritt und meiner Mutter einen Arm um die Schulter legt. »...Ich denke, deine Mutter wollte damit sagen, dass du doch Tessa anrufen und heute bei ihr übernachten könntest. Ich kann dich zu ihr fahren.«

»Nein, nein, nein«, beeile ich mich zu sagen, bevor mein Dad aus dem Haus und zu seinem Auto rennen kann. Dass die beiden mich offensichtlich aus dem Haus haben wollen, ist wohl mehr als eindeutig, dabei habe ich den ganzen Tag auf ihre Rückkehr gewartet, um ihnen endlich von Kyran und mir zu erzählen. Immerhin läuft das zwischen Kyran und mir schon etwa eine Woche.

Vor genau einer Woche hatte ich das Date mit Elijah und am Ende des Tages den ersten richtigen Kuss mit Kyran. Als ich mich zurück daran erinnere, wird mir schlagartig heiß und ich schaffe es nicht, das blöde Grinsen, das in meinem Gesicht heran wächst, aufzuhalten.

»Ich muss mit euch reden«, erkläre ich den beiden.

Meiner Mutter fällt beinahe die Kinnlade auf den Boden, als sich ihre Miene erhellt. Im ersten Moment glaube ich, dass sie weiß, was ich den beiden beichten möchte, doch dann zieht sie einen der Stühle am Esstisch heran, um sich neben mich zu setzen, wirft ihre Handtasche auf den Boden und legt die Arme um mich. Der entsetzte Ausdruck in ihren Augen ist nicht zu übersehen, als sie mir beruhigend über die Schulter streicht. »Oh nein, Mia, das darf doch nicht wahr sein. Wann ist es passiert?«

Ich weiß nicht was mit mir los ist und wieso ich in den letzten Tagen so verdammt emotional geworden bin, aber vielleicht liegt es daran, dass ich meine Tage habe, denn im nächsten Moment kann ich die Tränen nicht mehr zurückhalten und fange an zu weinen. Meine Mutter drückt mich an sich, küsst mich auf die Stirn und versucht mich zu beruhigen.

»Letzte Woche«, schluchze ich in ihren Armen. »Ich wollte es euch vorher schon erzählen, aber ich hatte Angst davor, es euch zu erzählen. Dad war immer dagegen und ich dachte...ich dachte, ihr würdet mich nicht mehr lieb haben.«

»Was?«, fragt meine Mutter entsetzt und sieht mich voller Mitleid an. »Mein Spatz, wir lieben dich und wir werden dich immer lieben, egal was passiert.«

»Es war so toll, Mom, dieses Gefühl...«

»Ich weiß, mein Spatz, ich weiß.«

»...ich habe mich endlich geliebt und geborgen gefühlt.«

»Ja ja, das erste Mal ist immer noch das Schönste.«

Mein Vater räuspert sich, woraufhin meine Mutter sich kurz zu ihm dreht und lacht, bevor sie sich wieder mir widmet und obwohl ich keine Ahnung habe, was sie meint und wovon sie da gerade spricht, nicke ich, denn die Tränen fließen nur so meine Wange hinab. Vielleicht sind es Tränen der Freude oder Tränen der Erleichterung, denn dass meine Eltern mein Geständnis so locker hinnehmen, hätte ich nicht erwartet. Vor allem nicht von meinem Dad.

»Hat es sich denn richtig angefühlt?«, fragt meine Mutter und schiebt meine Haare zurück, damit sie mir nicht länger vor das Gesicht fallen. »War er geduldig mit dir? War er vorsichtig und sanft zu dir?«

Sanft und vorsichtig? So habe ich es noch gar nicht betrachtet, aber ich denke schon, dass Kyran an dem Abend, als wir uns unsere Liebe gestanden haben, sanft und vorsichtig gewesen ist.

»Ja Mom, er war toll.«

»Dann wird es wohl richtig gewesen sein«, seufzt Mom, klingt aber dennoch nicht ganz erleichtert oder glücklich, mehr so, als würden ihr noch tausend Fragen und Sorgen im Kopf herum schwirren. »Das ist viel Verantwortung, die du da tragen wirst, Mia. Aber dein Vater und ich stehen dir und dem Kind bei. Immerhin sind wir eine Familie.«

Kind?

Jetzt bin ich wirklich vollkommen irritiert. Ich habe keinen blassen Schimmer wovon sie da eben spricht.

Ich runzele die Stirn und sehe meine Mutter fragend an. »Welches Kind?«

»Dein Kind.«

»Ich habe ein Kind?« Ich starre sie fassungslos an, bis mir auffällt, wie idiotisch diese Aussage gerade ist, denn um ein Kind zu haben, muss ich schließlich schwanger gewesen sein und um schwanger gewesen zu sein, muss ich...ich schlucke. »Ich habe kein Kind, Mom. Wie kommst du überhaupt darauf?«

»Wie?« Meine Mutter löst sich von mir und sieht mich verwirrt an und auch mein Vater, der wie üblich eher der stille Beobachter ist, sieht sichtlich verwirrt aus, als er an der Küchentheke lehnt und zu uns herüber schaut. »Du bist nicht schwanger?«

»Was?« Vollkommen panisch schaue ich zwischen meiner Mutter und meinem Vater hin und her, verwirrt und irritiert. Aber meinen Eltern geht es offensichtlich nicht anders.

»Moment mal«, meint Mom und wirft Dad kurz einen Blick zu, bevor sie wieder mich ansieht. »Wovon sprichst du da die ganze Zeit?«

»Über Kyran und mich.«

Meine Mutter sieht immer noch verwirrt aus, deshalb füge ich nach kurzem Zögern hinzu:»Wir sind zusammen.«

Mom seufzt auf und ihr Seufzen klingt nach Erleichterung und auch meinem Vater ist anzusehen, dass ihm von einer Sekunde auf die nächste ein Stein vom Herzen fällt.

»Oh Gott«, seufzt Mom erleichtert auf und lässt sich zurück in ihren Stuhl fallen, bevor sie sich über die Stirn fährt, um imaginäre Schweißperlen wegzuwischen. »Und wir dachten schon, du wärst schwanger. Ich sehe doch noch viel zu gut aus, um jetzt schon Oma zu werden.«

Ich schaffe es nicht mehr mir ein Lachen zu verkneifen und als ich sehe, dass selbst mein Vater nichts gegen Kyrans und meine Beziehung zu haben scheint, lasse auch ich mich endlich zurück in den Stuhl fallen und atme tief ein und aus. Meine Eltern sind also nicht gegen diese Beziehung. Ich lächle. Jetzt kann es doch nur noch besser werden.

KyranWhere stories live. Discover now