34.

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Zwei Tage später sitze ich Nathan und Tessa in der Cafeteria gegenüber. Ihnen scheint gar nicht aufzufallen, dass ich sie unentwegt anstarre, ohne auch nur ein Wort zu sagen und vielleicht ist es ihnen auch lieber so. Ein bisschen Zweisamkeit hat noch keinem geschadet und die beiden wirken wirklich schon fast wie ein Paar.

Sie reden. Ich sehe, wie sich ihre Münder bewegen, aber ich kann nicht verstehen, was sie sagen. Ihre Stimmen dringen nicht in mich ein, denn meine Gedanken sind voll. Voll mit Kyran und auch ein wenig mit Anne. Ich habe sie nicht noch einmal zusammen gesehen, naja, ich habe Kyran überhaupt nicht mehr gesehen, Anne dagegen schon. Sie wirkte nicht gerade glücklich, als ich ihr im Gang entgegen gekommen bin.

Egal wie oft ich Tessa auch gesagt habe, dass ich nicht möchte, dass sie mich mit irgendeinem Typen verkuppelt, sie hat mir gar nicht zugehört. Es hat lange gedauert, bis es mir aufgefallen ist. Bis mir aufgefallen hat, dass Tessa es gut meint, so wie ich es mit Kyran meinte. Ich wollte ihm helfen und er hat mir andauernd gesagt, dass er keine Hilfe möchte und ich bin wie Tessa gewesen, ich war nicht mehr aufzuhalten. Oh Gott, ich war einfach nur so unendlich dumm. Hat Kyran sich so gefühlt, wie ich mich gerade fühle? Oder noch schlechter?

»Hey«, ruft Nathan plötzlich so laut, dass seine tiefe Stimme selbst durch meine Gedanken dringt und ich zusammenzucke. Ich kann noch sehen, wie er jemandem hinter mir zuwinkt, als sich plötzlich jemand hinter mich stellt. Tessas Blick wandert von mir zu demjenigen, der hinter mir steht und ihre Lippen heben sich zu einem Grinsen. »Mädels, das ist Elijah. Komm setz dich zu uns.«

»Darf ich?«, höre ich die Stimme des Jungen, der anscheinend Elijah heißt und drehe mich langsam um, fast schon ängstlich, so als erwarte ich ein Monster hinter mir. Ich zwinge mich zu einem Lächeln, doch als ich Elijah in die Augen blicke, fällt mein Lächeln in sich zusammen, denn er kommt mir irgendwie bekannt vor. Mein Blick fällt auf sein dichtes, braunes Haar und die braunen Augen. In dem Moment, als ich mich zurück erinnere, an den Tag, an dem ich Kyran und Anne zusammen gesehen und heulend davon gelaufen bin, fällt es mir ein. Oh Gott. Das ist der Junge, den ich vor der Schule umgerannt habe, bevor ich davongelaufen bin. Er hat mich weinen sehen, er hat mich verdammt noch einmal weinen sehen. Doch dann flüstert eine Stimme in meinem Kopf: als würde er sich an dich erinnern. Ein Junge wie er, erinnert sich nicht an einem Mädchen wie dich. Und ich wünsche mir nichts mehr, als dass es stimmt.

Doch dann blitzt etwas in seinen Augen auf und in diesem Moment scheint alles vorbei zu sein. Er erinnert sich ebenfalls, natürlich erinnert er sich. Wann hat das Schicksal schon mal auf meiner Seite gespielt? Doch im Gegensatz zu mir wird sein Lächeln breiter, aber bevor er noch etwas sagen kann, drehe ich mich schnell um und sage:»Na klar, setz dich.«

Ich möchte nicht, dass Tessa oder Nathan von meinem Zusammenstoß mit Elijah wissen. Es ist peinlich genug, dass er mich weinen sehen hat. Ich weine nicht wirklich oft, jedenfalls nicht in der Öffentlichkeit und natürlich hatte mich dieses eine Mal ein gut aussehender, scheinbar netter, aber fremder Junge dabei erwischen müssen. Mein Glück auch.

»Wie kommt's, dass ich dich noch nie her gesehen habe, Elijah?«, fragt Tessa und wirft mir dabei einen auffällig unauffälligen Blick zu, der so viel heißen soll wie Ich glaube, da haben wir deinen Kandidaten. Ich vergrabe mein Gesicht in den Händen und hoffe bloß, dass er nichts von dem bemerkt, aber so auffällig wie Tessa sich immer benimmt, weiß er bestimmt sofort worum es geht. Bevor Elijah etwas sagen kann, öffnet Nathan den Mund, legt den Arm um Tessa und sagt:»Du kannst ihn gar nicht kennen, denn er ist neu. Gerade erst auf die Schule gekommen.«

Bevor mir auffällt, was ich da mache, drehe ich mich überrascht zu Elijah. Ich hebe eine Braue und sehe ihn an. »Du hast mitten im Jahr die Schule gewechselt?«

Elijah, der sich offensichtlich darüber freut, dass man mit ihm redet, zuckt lächelnd mit den Schultern. Er setzt sich gerade hin und überragt mich damit um mindestens einen halben Kopf. »Mein Dad hat ein Jobangebot bekommen, da hatte ich nicht wirklich viel mitzureden. Und bevor ich nein sagen konnte, saß ich schon im Auto.«

»Wow«, meint Tessa anerkennend und wirft mir erneut einen Seitenblick zu. Sie ist mehr als erfreut über Elijahs plötzliches Auftreten und auch wenn ich weiß, dass das alles nur lieb gemeint ist, würde ich ihr am liebsten sagen, dass sie aufhören soll, mich so anzusehen. Vermutlich weiß Elijah schon was Tessa plant, bevor sie es plant und glaubt noch, dass ich auf ihn stehe, dass ich eins dieser Mädchen bin, das sich nur in einen Jungen verliebt, weil er gut aussieht und ein süßes Lächeln hat. »Wenn du irgendwann mal Hilfe in der Schule benötigst, melde dich einfach bei ihr. Sie ist ein richtiges Genie«, sagt sie grinsend und deutet mit dem Finger auf mich, als könnte er vielleicht auf die Idee kommen, dass sie das nicht-existierende dritte Mädchen am Tisch meinen. Ich verdrehe die Augen so, dass nur Tessa es sieht, aber sie tut so, als bemerke sie es gar nicht.

Als mir auffällt, dass Nathans und Tessas Blick zwischen Elijah und mir hin und her springt, lache ich gezwungen und winke ab. Meine Wangen müssen mindestens genauso rot sein, wie Annes Haare, als Elijahs braune Augen in diesem Moment auf mir landen. Er grinst breit. »Ach?«

»Nein, nein«, beeile ich mich zu sagen. »Ich bin kein Genie. Wirklich nicht.«

»Nicht so bescheiden, Mia«, mischt sich nun auch Nathan ein, der mich von der anderen Seite des Tisches angrinst wie ein kleiner, frecher Junge. Tessa, die neben ihm sitzt, sieht nicht viel unschuldiger aus. Am liebsten würde ich mich unter den Tisch werfen und warten bis die Röte aus meinem Gesicht verschwindet, doch dann lächelt Elijah und sagt:»Schon okay. Mia wird wohl am besten wissen, was sie kann und was nicht.«

Ich sehe ihn überrascht an und stelle fest, dass seine Augen, wenn Licht drauf scheint, fast schon gelb aussehen. »Danke«, sage ich leise, als Tessa und Nathan uns schon vergessen zu haben scheinen. Sie reden und lachen, so wie eben, als Elijah noch nicht da war und dadurch kommt mir Elijahs Anwesenheit gar nicht mehr so schlimm vor. Nun kommt mir die ganze Situation nicht mehr so gezwungen vor, keine prüfenden Augen, die auf mir und ihm liegen und auch keine grinsenden Gesichter.

Er sieht mich an, immer noch dieses strahlende Lächeln im Gesicht.

»Warum lächelst du die ganze Zeit?«, frage ich lachend und bin im nächsten Moment selbst überrascht über die Tatsache, dass ich das tatsächlich laut ausgesprochen habe. Er lacht leise und geht sich dann durch sein weichaussehendes, braunes Haar. »Ich weiß auch nicht. Irgendwie freut es mich, dich lachen zu sehen.«

Mein Lachen erstirbt augenblicklich und ich sehe ihn verwirrt an.

»Oh, tut mir leid. Das klang ziemlich schräg, oder?«, fragt er. Ich weiß nicht, ob ich es mir einbilde, aber ich glaube, zu sehen, dass er leicht rot wird, aber vielleicht spinne ich einfach nur. Ein leises Lächeln schleicht sich auf meine Lippen und ich schüttele den Kopf. »Nein, überhaupt nicht. Ich war nur...überrascht. Ich meine, wir kennen uns ja gar nicht.«

Er grinst vorsichtig und hebt wieder den Blick, um mich anzusehen. Sein Grinsen entblößt strahlend weiße Zähne, als er sich am Hinterkopf kratzt. »Das kann man ja noch ändern, falls Interesse bestehen sollte.«

Ich erwische mich dabei, dass ich ihn mit Kyran vergleiche, auch wenn das total absurd ist, denn Elijah wirkt ganz anders als Kyran. Auch wenn er wie eine Frohnatur wirkt und mir ziemlich nett vorkommt, hat er doch etwas an sich, dass ihn, nun ja, zu ihm macht.

Ich lache, schon wieder überrascht. »Wow. Das nenne ich mal direkt«, sage ich und schaue ihm in die Augen. Keine Ahnung worauf ich warte, vielleicht darauf, dass er mir plötzlich ins Gesicht lacht und sagt das war nur Spaß, ich habe kein Interesse an solchen Mädchen wie dir, aber nichts dergleichen passiert und deshalb sage ich:»Okay.«

KyranWo Geschichten leben. Entdecke jetzt