38.

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»Und? Wie läuft's mit Elijah?«, fragt mich Tessa am nächsten Tag, als ich die letzte Stunde für heute überstanden habe und mir schon ausmale, wie Kyran und ich nebeneinander herlaufen und zu mir gehen, während ich versuche, mein verdammtes Grinsen zu unterdrücken, damit Tessa nichts ahnt.

Er hat irgendetwas von einer Überraschung gesagt und ich müsste lügen, wenn ich behaupten würde, dass ich nicht unglaublich neugierig und vor allem ungeduldig bin. Ich hasse dieses Warten, am liebsten würde ich auf der Stelle wissen wollen was los ist, aber Kyran ist grausam genug, um es mir einfach zu verheimlichen.

Den ganzen Tag und auch die letzte Nacht über konnte ich mich gar nicht richtig auf mein Umfeld konzentrieren, ich konnte nicht einmal ruhig schlafen, stattdessen habe ich die ganze Zeit nachgedacht, habe mir vorgestellt, was Kyran wohl für heute geplant hat. Und noch viel wichtiger ist wohl, was gestern Abend passiert wäre, wenn sein Vater nicht einfach ins Zimmer gestürmt wäre. Diese Fragen verfolgen mich nun schon die ganze Zeit über und sie wollen mich einfach nicht loslassen.

Gestern kam mir alles so komisch vor, irgendwie ungewohnt und anders. Die Stimmung zwischen uns war nicht wie sonst auch, nein, die Luft war schwerer und irgendetwas war da, etwas, das ich nicht einordnen kann. Aber vielleicht habe ich mir all das auch nur eingebildet, vielleicht war für Kyran alles wie immer, vielleicht hat er nichts gespürt, keine Veränderung, keine schwere Luft und auch kein Herzklopfen. Nicht so wie ich.

»Was soll passiert sein?«, frage ich unschuldig und tue so, als wüsste ich nicht wovon sie spricht, dabei kann ich mir ganz gut vorstellen, was sie meint. Ich seufze leise. »Wir reden ab und zu im Gang miteinander, aber das war alles. Er ist nett, mehr kann ich nicht über ihn sagen.«

»Wieso nicht?« Tessa schmollt.

»Weil ich ihn kaum kenne, Tess. Ich weiß nichts über ihn, außer, dass er wegen dem Job seines Vaters hier hin gezogen ist.«

»Und du meinst nicht, dass das Schicksal war?«, meint sie mit einem selbstgefälligen Grinsen im Gesicht. »Weißt du, was ich rieche? Liebe, genau, ich rieche Liebe

So ist sie, meine beste Freundin. Ich verdrehe die Augen und sehe Tessa an. Sie lehnt neben mir am Spind und wackelt mit ihren Augenbrauen, während sie sich ihre Haare über die Schulter wirft. Ihr Grinsen wird breiter, als sich unsere Blicke kreuzen und sie beugt sich zu mir vor, um mir etwas ins Ohr zu flüstern. »Komm schon, Mia, du musst zugeben, dass er verdammt scharf aussieht. Er ist vielleicht nicht Kyran, aber tut er es nicht auch? Außerdem ist er auch nett. Gibt es denn sowas? Nett und gutaussehend?«

Ich sehe mich schnell um, um sicher zu gehen, dass uns keiner zugehört hat, denn Tessa hat die blöde Eigenschaft immer laut zu sprechen. Selbst wenn ich sie darum bitte, leiser zu sein, die schafft es einfach nicht, die Stimme zu senken. Als ich sicher stelle, dass alle einfach nur an uns vorbei gehen, ohne uns jegliche Aufmerksamkeit zu schenken, sehe ich sie wieder an und öffne den Mund:»Ich-«

»Oh«, meint sie plötzlich, bevor ich zu einer Antwort ansetzen kann, stößt sich vom Spind ab und stellt sich auf. Alles passiert so schnell, zu schnell, um überhaupt reagieren zu können. Sie klopft mir auf die Schulter, bevor sie sich umdreht und in die entgegengesetzte Richtung geht. Was zum Teufel war das denn jetzt? Ob sie wohl Nathan gesehen hat? Aber wieso sollte sie dann in die andere Richtung laufen? Das ergibt keinen Sinn. Ich schaue ihr hinterher, wie ihre lange, blonde Mähne beim Laufen auf und ab wippt, bis sie um die Ecke verschwunden ist.

Völlig verwirrt wende ich mich wieder meinem Spind zu, als plötzlich jemand neben mir stehen bleibt. Ich glaube schon, dass es Kyran ist, wende mich ihm mit einem breiten Grinsen zu und sage:»Hey. Wir können gleich los. Ich muss nur noch kurz...oh.«

Doch dann schaue ich in zwei braune Augen. Als ich Elijah neben mir stehen sehe, verstumme ich schlagartig. Also doch kein Kyran, absolut kein Kyran.

Elijah lehnt sich grinsend gegen den Spind neben meinem und mustert mich. Ich schaffe es nicht, mich zu bewegen, stattdessen bleibe ich wie angewurzelt stehen und starre ihn an. Seine dunklen Augen scheinen alles einmal unter die Lupe zu nehmen, bevor er den Blick wieder hebt und leise lacht. »Ich freue mich auch, dich zu sehen.«

»Tut mir leid, das war unhöflich«, murmele ich verlegen, als ich mich wieder gesammelt habe und schlage meine Spindtür zu, nachdem ich auch meine letzten Bücher zusammen gepackt habe. Dann, ganz langsam, drehe ich mich zu ihm um und sehe ihn an. Seine großen, braunen Augen liegen auf mir, irgendwie neugierig und fast schon forschend. Er schaut sich kurz um, bevor sein Blick schließlich wieder auf mir landet. »Hast du jemand anderen erwartet? Jemand...bestimmtes?«

Seine direkte Frage trifft mich genauso unvorbereitet wie sein plötzliches Auftreten. Ich werde knallrot und die nächsten Worte verlassen nur stotternd meinen Mund. »Nein...ja...ja, äh, irgendwie schon.«

»Okay«, meint er und zwingt sich offenbar zu einem Lächeln. »Ich wollte dich gar nicht aufhalten, sondern...« Er schaut sich noch einmal um, als habe er Angst, dass jemand lauschen könnte, während er sich offensichtlich nervös durch die braune Mähne fährt und den Blick schließlich wieder auf mich senkt.»Ich wollte dich etwas fragen«, sagt er plötzlich und atmet tief ein und aus. Er kratzt sich am Hinterkopf, während er scheinbar zu überlegen scheint, wie er die nächsten Worte laut aussprechen soll. »Nächste Woche ist-«

»Mia«, ruft jemand von weiter hinten.

Er zuckt merklich zusammen. Ich lächle ihn an und stelle mich auf die Zehenspitzen, um über Elijahs Schulter zu schauen, um zu sehen, wer nach mir ruft und sehe Kyran am Eingang stehen. Er grinst mich über die ganzen Menschen hinweg an. Mein Gesicht erhellt sich, als ich ihn da so stehen und warten sehe. Leider kann ich nicht verhindern, dass mir plötzlich ganz warm wird, bei dem Gedanken daran, dass wir gleich zu mir gehen und er mir endlich sagt, was er mir schon gestern hatte sagen wollen.

Elijah scheint meinen Blick zu bemerken, denn er dreht sich um und folgt der Richtung, in die ich schaue, dann sieht er mich wieder an, die Augenbrauen schießen in die Höhe, als er auf Kyran deutet. »Ist das dein Freund?«

Ich werde schlagartig rot und bin glücklich, dass Kyran am anderen Ende des Ganges steht und uns nicht hören kann. Er wirft zwar ab und zu einen Blick auf uns, aber nur weil er uns sieht, heißt das noch lange nicht, dass er weiß, wovon wir hier reden. Nachdem ich einen weiteren Blick auf Kyran werfe, sehe ich Elijah wieder an und lache, während ich den Kopf schüttelte. »Nein, wir sind nur gute Freunde.«

Elijahs Brauen ziehen sich zusammen, so als könne er meinen Worten nicht glauben. Er dreht sich noch einmal zu Kyran um, der mit einem Jungen aus unserer Stufe quatscht. Dieses Mal liegt sein Blick etwas länger auf Kyran, der am anderen Ende des Ganges steht und lacht.

Ich würde gerne bei Elijah bleiben und weiter reden, aber irgendetwas in mir schreit danach, zu Kyran gehen zu wollen. Auch wenn er mir nicht glauben will, dass Kyran und ich nur Freunde sind, aus welchem Grund auch immer, habe ich im Moment mehr das Verlangen danach, zu Kyran zu rennen, als ihm zu versichern, dass da nichts zwischen uns läuft. Also lächle ich Elijah an und entschuldige mich. »Sorry, aber ich muss gehen. Wir sehen uns dann vielleicht morgen.«

Elijah lächelt, doch sein Lächeln wirkt nicht ganz so glücklich, doch darum kann ich mich in diesem Moment leider nicht kümmern, denn da bin ich schon halb an ihm vorbei. Ich höre ihn noch sagen »Na klar, bis morgen«, aber da höre ich ihm nur noch mit einem Ohr zu, viel mehr liegt meine Aufmerksamkeit auf Kyran, auf den ich lachend zu renne.

Als er mich bemerkt, sagt er noch kurz etwas zu dem Jungen, mit dem er bis gerade eben geredet hat, wendet sich dann mir zu und lächelt mich an.»Hey. Du hast es aber eilig.«

»Ich warte jetzt schon seit gestern, Kyran«, antworte ich schmollend. »Vielleicht hast du es noch nicht bemerkt, aber ich bin ein sehr ungeduldiger Mensch.«

Er grinst mich an, doch dann fällt sein Blick hinter mich und für eine Sekunde verfinstert sich sein Gesicht, bevor sein Blick wieder auf mir liegt. Seine Augen wirken mit einem Mal dunkler. »Mit wem hast du da geredet?«

Ich drehe mich um und sehe Elijah immer noch neben meinem Spind stehen. Er schaut direkt zu uns. Ich schlucke schwer und sehe Kyran wieder an. »Das? Ach, das war nur ein Freund von Tess«, sage ich und laufe neben ihm her, über den Schulhof und aus der Schule. »Nicht so wichtig.«

KyranWhere stories live. Discover now