11.

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Kyran setzt sich auf sein Bett, nachdem er die Musik so herunter gedreht hat, dass man sie nur noch ganz leise im Hintergrund spielen hört. Mein Blick folgt ihm und als er das bemerkt, lächelt er und klopft auf den freien Platz neben sich, doch ich schüttele den Kopf.

»Komm schon«, meint er und lächelt. »Ich bin so einsam hier oben.«

»Nein danke«, antworte ich und starre auf meine Knie. »Mir gehts ganz gut hier unten.«

»Mia«, sagt er und ich bin mir ziemlich sicher, dass er gerade die Augen verdreht, auch ohne es sehen zu müssen. »Heute geht es um ein ernstes Thema und wenn du nicht sofort aufstehst, muss ich dir wohl helfen.«

Ich bleibe stur sitzen, versuche seinem Blick auszuweichen. Zugegeben, ich bin unglaublich nervös in Kyrans Zimmer zu sein und das alleine mit ihm. Gerade, als die Musik noch gespielt hat, war mir das Ganze nicht so bewusst, doch jetzt wo es so ruhig zwischen ist, bekomme ich es mit der Angst zu tun.

Plötzlich steht Kyran auf. Ich hebe verwirrt den Blick, als er sich zu mir vorbeugt, mich unter den Armen packt und hochzieht. Ich lasse mich widerstandslos auf den freien Platz auf seinem Bett setzen, einfach nur, weil ich viel zu perplex bin und seine Aktion total unvorbereitet kam.

Sein Bettbezug ist komplett schwarz. Ich fahre mit den Fingern über den weichen Stoff und schaue auf, als Kyran sich schließlich neben mich setzt. Er lächelt mir liebevoll zu. »Alles okay?«

Ich nicke stumm.

»Heute«, sagt er und rückt näher an mich heran. Ich werde das Gefühl nicht los, dass die Luft in seinem Zimmer immer stickiger wird. »Gehen wir ein bisschen weiter. Und das ist der Grund, warum ich dich zu mir eingeladen habe.«

Ich starre ihn verwirrt an. Mein Herz beginnt wie wild zu klopfen, während er mich angrinst. Meine Verwirrung wird noch größer und ich frage:»Was genau meinst du damit?«

»Deine Mutter ist ziemlich locker, aber ich glaube nicht, dass sie es so toll gefunden hätte, wenn ich dich vor ihren Augen geküsst hätte«, erklärt er und während er lacht, wird mir mit einem Mal ganz heiß. Ich bekomme einen plötzlichen Schweißausbruch und starre ihn an. »Ge-geküsst?«

Kyran grinst breit. »Irgendwann müssen wir schließlich zu den wichtigen Dingen kommen.« Er dreht seinen Oberkörper so zu mir, dass er mir direkt ins Gesicht sehen kann. Seine Augen scheinen zu leuchten und immer wenn ich seinen Blick erwidere, habe ich das Gefühl in den Himmel zu blicken. »Also Mia, hast du schon einmal jemanden geküsst?«

Ich öffne den Mund, doch Kyran kommt mir zuvor, bevor ich auch nur ein Wort sagen kann. »Deine Eltern zählen nicht«, sagt er lachend, woraufhin ich wieder den Mund schließe, betroffen auf meine Hand starre und murmele:»Nicht wirklich.«

»Nicht wirklich

Steht dieser Junge darauf, mich zu blamieren? Er weiß genau, was ich damit meine, aber er scheint es zu genießen, mich zu blamieren. Ich werfe ihm einen wütenden Blick zu. »Nein. Nein, ich hatte noch nie einen verdammten richtigen Kuss! Ist es das, was du hören wolltest? Bist du jetzt zufrieden?«

»Warum bist du denn auf einmal so wütend?«, fragt er immer noch grinsend und beugt sich zu mir vor. Er genießt es sichtlich, sich auf meine Kosten über mich lustig zu machen. Mein Herz springt mir beinahe aus der Brust, so heftig klopft es. »Und wieso wirst du so rot, Mia?«

»Lass diesen Mist«, fauche ich, wende das Gesicht ab und versuche mich zu beruhigen. Kyran meint es vielleicht nicht böse, aber ihm scheint manchmal nicht aufzufallen, wo die Grenzen bei mir erreicht sind. Er weiß gar nicht, wie verwirrend er ist. Wie sehr er mich verwirrt. In allem was er tut. In einem Moment ist er wütend und beleidigt, dann ist er gemein, macht sich lustig über mich und ganz plötzlich entscheidet er sich dazu, total nett und lieb zu mir zu sein und mir unglaublich aufmunternd Worte zuzuflüstern. Manchmal wüsste ich gerne, ob ihm das bewusst ist. Ob ohm klar ist, wie sehr er mich verwirrt, dass er mir wohl auf ewig ein Rätsel bleibt. Manchmal da wüsste ich gerne, was in seinem Kopf vorgeht.

»Hey«, sagt er, diesmal sanfter und dreht dann mein Gesicht zu sich. Er schaut mir ganz tief in die Augen. Ich wage es nicht, zu atmen, traue mich nicht einmal mit der Wimper zu zucken, viel mehr starre ich ihn an. »Das war doch nicht böse gemeint, Mia, und wenn du nicht möchtest, dass ich dich küsse, dann ist das auch okay. Dann lassen wir das einfach.«

Ich schüttele den Kopf und kneife die Augen fest zusammen. Mein Herz klopft so laut, dass ich befüchte, dass Kyran es hört. Ich weiß zwar nicht woher ich den Mut nehme, aber ich versuche alle meine Bedenken und Ängste zur Seite zu schieben. »Tu es einfach.«

Und ohne die Augen zu öffnen, spüre ich, dass Kyran sich vorbeugt. Die Wärme, die von seinem Körper ausgeht, legt sich um mich, umschmeichelt mich. Sein Geruch wird, mit jedem Zentimeter den er mir näher kommt, umso intensiver. Ich versuche das Zittern zu unterdrücken, das mich plötzlich überfällt, versuche still da zu sitzen. Noch nie in meinem Leben hatte ich so viel Angst und war gleichzeitig so aufgeregt, wie in diesem einen Moment.

Irgendwann höre ich Kyran seufzen. Ich öffne vorsichtig ein Auge und als ich sehe, dass er sich wieder zurückgelehnt hat, öffne ich das zweite Auge. Sein ruhiger Blick liegt auf mir. »Niemand will ein Brett küssen, Mia. Du musst locker bleiben. Entspann dich. Spätestens dann, wenn es ganz heiß hergeht, wird es dir gefallen.« Er lächelt und zwinkert mir aufmunternd zu. »Also, noch mal. Und bleib ruhig. Es macht wirklich Spaß. Du kannst auch die Augen offen halten, wenn du dich dann besser fühlst.« Er legt seine Hand auf meine Wange und lächelt liebevoll. »Und merk dir eins: Ich werde nichts tun, das dir nicht gefällt. Okay?«

Ich nicke und lasse dieses Mal tatsächlich die Augen auf, aber als Kyran die Augen schließt und sich zu mir vorbeugt, schaffe ich es nicht ihm in die Augen zu sehen. Meine Gefühle, mein Körper spielen verrückt und obwohl ich mir einrrede, dass alles okay ist, dass das bloß ein blöder Kuss ist, der nichts weiter zu bedeuten hat, fange ich an zu schwitzen. Plötzlich überkommt mich erneut die blanke Panik. Mein Herz hämmert mir in der Brust. Ich spüre Kyrans Atem auf meiner nackten Haut, als unsere Münder im Begriff sind, sich zu berühren.

»Verdammt!«, stöhnt Kyran eine Sekunde später und hält sich mit schmerzverzerrter Miene die Wange. Er starrt mich ungläubig an. »Wofür war das denn?«

»Ich...ich hatte plötzlich Angst«, stammele ich und werde ganz rot. Mein Blick fällt auf meine ausgestreckte Hand und dann auf seine knallrote Wange. Kyran sieht ziemlich wütend aus, aber es entspricht der Wahrheit. Ich wollte ihm nicht wehtun, ich wusste mir einfach nur nicht anders zu helfen. Es war vermutlich das dümmste, dass ich hätte tun können. Kyran lacht auf, aber es klingt nicht sehr glücklich. Ganz im Gegenteil, mein Blut scheint bei seinem eiskalten Lachen zu gefrieren. »Und da ist dir nichts besseres eingefallen, als mich zu schlagen

»Tut mir leid«, murmele ich eine Entschuldigung vor mich hin. Am liebsten würde ich aufstehen und alle Fenster aufreißen, so heiß ist mir, und Luft bekomme ich auch keine mehr. Kyran wischt sich über das Gesicht, streicht sich die Haare zurück und schüttelt den Kopf.

Ich sehe ihn reumütig an, die Augen ganz groß. Um ehrlich zu sein, ist mir gerade wirklich zum Heulen zumute. Ich wollte Kyran nie im Leben schlagen. So etwas passt eigentlich gar nicht zu mir. »Es tut mir ernsthaft leid. Ich bin ein hoffnungsloser Fall. Am besten wir lassen das. Es bringt sowieso nichts.«

Kyran schüttelt den Kopf, so als höre er mir gar nicht richtig zu. Seine Augen liegen ganz woanders. »Es wird wohl härter als erwartet«, murmelt er fast mehr zu sich selbst. »Ich schätze, wir müssen bei null anfangen.«

Ich hebe fragend eine Augenbrauen.

»Grundlagen, Mia«, sagt er und steht auf. Er lehnt sich gegen seinen Schreibtisch und öffnet erst nach einigen Sekunden wieder die Augen. »Dir fehlen die Grundlagen.«

KyranWo Geschichten leben. Entdecke jetzt