14.

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Am Nachmittag klingelt es wie immer an der Haustür. Ich stehe von meinem Schreibtisch auf, laufe die Treppen herunter und öffne sie. Kyran steht völlig durchnässt vor der Haustür. Ich werfe ihm einen bösen Blick zu, bevor ich zur Seite trete und ihn ins Haus spazieren lasse, dann deute ich auf die Treppen, als ich mit steinharter Miene erkläre:»Dritte Tür links. Ich hole dir eben ein Handtuch.« Dann drehe ich mich um und rufe meiner Mutter zu, dass wir heute auf meinem Zimmer lernen. Eigentlich würde ich wie jeden anderen Tag auch im Garten mit ihm lernen, aber heute regnet es in Strömen, weshalb diese Idee wohl wortwörtlich ins Wasser fällt.

Kyrans dunkles Haar ist komplett durchnässt. Selbst von seinen Klamotten tropft es. Warum er wohl so durchnässt ist? Eigentlich braucht er nur gefühlte fünf Schritte von seiner Haustür zu meiner, selbst wenn er langsam gegangen ist, sollte er eigentlich nicht so nass sein.

Er steigt die wenigen Treppen hoch und geht dann in mein Zimmer. Das Zimmer, in dem wir uns zum ersten Mal richtig begegnet sind. Seither hat sich ehrlich gesagt nichts geändert hier oben, dementsprechend schiebe ich mich an Kyran vorbei, als er seinen Blick über den Raum schweifen lässt, was total unnötig ist, denn das hat er vor wenigen Wochen schon einmal getan.

»Bin gleich wieder da.« Ich laufe ins Badezimmer, hole ein trockenes, frisches Handtuch heraus und krame den Föhn hervor, bevor ich zurück in mein Zimmer gehe. Kyran steht etwas unbeholfen in meinem Zimmer, während er auf meinen Teppich tropft. Als er mich sieht, lächelt er entschuldigend. »Sorry.«

»Alles in Ordnung. Komm, setzt dich hin. Ich föhne dir die Haare.«

Kyran protestiert, doch dann schubse ich ihn auf meinen Stuhl und schalte den Föhn an. So dass er gar nicht mehr vom Fleck kommt. Es ist still, bis auf das laute Rauschen des Föhnes. Ich fahre ab und zu mit den Fingern durch sein dichtes, dunkles Haar, das sich so weich anfühlt, dass jedes Mädchen glatt vor Neid erblassen würde. Aber ich genieße es einfach nur sein Haar berühren zu können, bis ich es schließlich so lange geföhnt habe, dass keine einzige Stelle mehr nass zu sein scheint. Ich schalte den Föhn aus und bringe ihn schnell zurück.

»Brauchst du frische Kleidung? Mein Dad-«, sage ich als, ich schließlich wieder ins Zimmer komme. Kyran steht lachend auf und geht sich dabei durch die Haare, so als wolle er sicher gehen, dass sie auch ganz bestimmt trocken sind und ich meinen Job erledigt habe. »Nein. Ich fühle mich super. Danke Mia.«

Er tritt von meinem Stuhl weg und läuft im Zimmer herum. Es ist lange still zwischen uns, keiner sagt etwas. Doch nach gefühlten tausend Jahren öffnet Kyran schließlich den Mund. »Du bist sauer oder?«

Ich nicke stumm.

»Und weshalb?«, fragt er. Als wüsste er den Grund nicht! Andererseits vielleicht weiß er es tatsächlich nicht, vielleicht war diese Umarmung für ihn selbstverständlich.

»Also«, schnaube ich wütend, lasse mich dann auf einen Stuhl fallen. Ich starre ihn an, ohne jede Regung im Gesicht. »Was zum Teufel sollte diese Aktion heute Morgen in der Schule bewirken? Willst du etwa, dass wir zum Gesprächthema der Schule werden?«

Als ich die Aktion von heute Morgen anspreche, taucht ein freundliches Grinsen in seinem Gesicht auf. Er lässt sich auf mein Bett fallen und seufzt. »Ach deswegen bist du so wütend. Ich wollte es dir eigentlich im Gang sagen, aber ich dachte, du versohlst mir den Arsch, wenn ich es vor allen anderen sage.«

»Aber wenn du mich vor allen anderen umarmst, versohle ich dich nicht?«

Kyrans Lächeln verschwindet. »Ich wusste ja nicht, dass die Idioten direkt stehenbleiben und so offensichtlich lauschen«, sagt er und bevor ich etwas erwidern kann, kommt er mir dazwischen. »Hör mal, Mia. Ich liebe es, dich zu ärgern, das stimmt, aber ich würde so etwas nie machen, damit du dich unwohl fühlst. Außerdem möchte ich nicht streiten, denn eigentlich wollte ich dit danken.« Er lächelt. »Ich habe eine Eins Plus in der Hausarbeit. Ich glaube Mr. Glines war ziemlich geschockt, als er sie mir zurückgegeben hat, aber er hat sich auch gefreut.« Kyran kratzt sich am Hinterkopf, plötzlich wirkt er ziemlich unsicher, aber er lächelt immer noch. Er lächelt immer. »Eigentlich hatte ich nicht vor, dich zu umarmen. Ich wollte dir nur danken, aber als ich dich da so stehen haben sehe, konnte ich nicht an mich halten. Du glaubst gar nicht, wie dankbar ich dir bin.«

»Du...du hast eine Eins Plus?«, frage ich begeistert. Ich habe mir zwar extra viel Mühe bei ihm gegeben, aber mit so einer guten Note hätte ich dann wohl doch nicht gerechnet. »Deshalb hast du mich also umarmt? Wow! Das ist spitze, Kyran.«

Er lächelt, steht langsam auf und kommt auf mich zu. »Das habe ich nur dir zu verdanken. Ich hätte nie im Leben damit gerechnet. Wieso bist du so gut in Chemie?«

Ich zucke mit den Schultern, denn ich weiß es ehrlich gesagt selber nicht so ganz. »Es interessiert mich einfach und ich habe Spaß daran.«

»Und welche Note hast du? Dasselbe?« Kyran grinst verschmitzt.

»Naja.« Ich lache, aber es klingt ziemlich nervös. »Ich habe eine Drei, aber alles gut. Hauptsache du wirst versetzt. Ich kann mir solche Noten leisten«, lüge ich und finde, dass ich dabei ziemlich überzeugend klinge. Über Kyrans Züge fällt ein Schatten. »Eine Drei? Scheiße, Mia, das wollte ich nicht. Wenn ich das gewusst hätte, dann-«

»Nein, nein«, falle ich ihm lächelnd ins Wort. »Es ist wirklich alles super. Keine große Sache. Die nächste Hausarbeit wird besser. Ich bin einfach nur froh, dass ich dir helfen konnte.«

Er lächelt und vielleicht war dieses Lächeln allein diese schlechte Note wert. Ein Lächeln, das mein Herz erwärmt.

KyranWo Geschichten leben. Entdecke jetzt