Kyran

52.

Ich drücke ihn leise lachend von mir weg, als meine Haut unter seinen Küssen zu kribbeln beginnt. Aber seine Lippen lösen sich nicht sofort von meinem Nacken, stattdessen verharren sie noch einige Sekunden dort, bevor Kyran seine Stirn auf meine Schulter legt und laut seufzt.

»Ich bin so glücklich«, flüstert er. Wenn ich in dem Moment nicht den Atem angehalten hätte, dann hätte ich seine leisen Worte vermutlich nicht einmal verstanden. Seine linke Hand fährt meinen Arm herauf, bis er auf meiner freien Schulter liegen bleibt. Er drückt sanft meine Schulter, bevor er sich wieder aufsetzt und mich ansieht.

Am liebsten würde ich ihm sagen, dass ich auch glücklich bin, nein, nicht nur glücklich – ich könnte explodieren vor Freude, aber ich schaffe es nicht, auch nur ein Wort von mir zu geben. Die Überwältigung und Freude ist so groß, dass ich anscheinend das Sprechen und auch das Atmen verlernt habe. Ich hätte niemals gedacht, dass sich dieser Abend noch so entwickeln würde.

Seine Augen strahlen, als sein Blick sich wieder auf mich legt und ein fast schon schüchternes Lächeln schleicht sich auf seine Lippen. Erst da fällt mir auf, dass ich seit dem Kuss nichts mehr gesagt habe und als ich mich an den weniger unschuldigen Kuss von eben zurück erinnere, wird mir schlagartig heiß.

Panisch schaue ich mich um, aber unser Haus liegt immer noch im Dunkeln und auch das Auto meiner Eltern ist immer noch weit und breit nicht zu sehen. Ich atme tief ein und aus und sinke tiefer in meinen Sitz, während ich mein rotes Gesicht mit meinen Händen bedecke und mich in Grund und Boden schäme.

Kann man sich schämen und gleichzeitig so glücklich sein, dass man sich am liebsten ein Kissen schnappen würde, in das man hinein schreien kann, um nicht zu explodieren? Und das wegen ein und derselben Person, die einem dieses verdammt warme und wohlige Gefühl gibt, geliebt zu werden?

Ich würde Kyran so gerne um den Hals fallen, aber im selben Moment habe ich Angst, auch nur einen Schritt zu wagen, denn die Unsicherheit und Angst darüber, etwas falsch zu machen, ist größer als je zuvor. Denn ich kann immer noch nicht glauben, dass Kyran tatsächlich Gefühle für mich pflegt, die weit über Freundschaft gehen, aber ich sitze hier – habe es mit eigenen Ohren gehört, mit meinen Augen gesehen und mit dem Mund gespürt. Mehr Sicherheit kann es doch nicht geben, oder?

»Ich...«, sage ich leise und sinke immer tiefer und tiefer in den Sitz, in der Hoffnung, dass er mich einfach verschluckt und nie wieder ausspuckt. Meine Hände, die ich um mein Gesicht gelegt habe, wie ein Schutzschild, dämpfen meine Stimme ab. »Ich bin auch so unglaublich glücklich.«

Im nächsten Moment legt er seine Hände auf meine, um sie von meinem Gesicht zu nehmen. Als mein Gesicht frei – ohne Schutzschild – ist, fällt mein Blick wieder auf seine blauen Augen, die trotz Dunkelheit so hell leuchten, dass sie mich beinahe blenden.

Er lächelt. »Alles okay?«

Ich nicke langsam, unsicher, ob ich wirklich okay bin. Es könnte die Möglichkeit bestehen, dass ich jeden Moment wieder eine Panikattacke erleide, wenn er mich noch länger so ansieht und meine Hände festhält, als wären sie aus purem Gold und unglaublich kostbar.

»Wieso hast du nie etwas gesagt?«, frage ich, klinge aber nicht anklagend dabei, sondern einfach nur unglaublich neugierig. Warum ich ihm nichts über meine Gefühle erzählt habe, weiß er ja, immerhin habe ich es eben laut ausgesprochen, aber ob er aus dem selben Grund gehandelt hat? Hatte er auch Angst um unsere Freundschaft?

Er sieht mich überrascht an, so als hätte er nicht mit dieser Frage gerechnet, doch als die Überraschung aus seinem Gesicht weicht, beißt er sich nervös auf die Unterlippe. Dass er zögert, bevor er antwortet, ist nicht zu übersehen. Er dreht sich langsam wieder um, so dass er das Lenkrad, das er nun wieder fest umklammert hält, anstarrt. »Weil ich...« Er lässt den Satz unbeendet im Raum – oder besser gesagt Innenraum des Autos – stehen und lässt seinen Kopf stöhnend auf das Lenkrad fallen.