15 - Déjà-vu

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~Ju~
Ellie bringt mich um, wenn ich ihr das sage, was Osmo mir grade erzählt hat. Und selbst wenn sie nicht sauer ist, ist die Sommerpause vollends ruiniert. Erst das am Flughafen in Helsinki, dann macht Vivianne mit Samu Schluss, der kriegt daraufhin die Motten, weil ich mit Ellie zusammen bin und jetzt das!

~El~
Ich bin allein auf dem Hof, Helen hat die Jungs in die Stadt gebracht und bleibt auch solange bei ihnen, bis sie wieder herkommen. Frustriert werfe ich meine nassen Klamotten über den Toilettendeckel und steige in die Dusche. Zum Glück brauche ich mir jetzt mal keine Sorgen um die Heißwasserkapazität zu machen.

Nach einer halben Stunde habe ich keine Lust mehr auf Shakespeare und überlege, was ich machen könnte. Nochmal zu Sasha will ich heute nicht, aber ich könnte die neuen Stücke üben. Mit der Geige gehe ich nach unten in den Musikkeller und setze mich auf die Klavierbank, da sich dort der einzige Notenständer im Raum befindet. Doch auch dabei bin ich nach drei Durchgängen fertig und dann komme ich auf die Idee, sauber zu machen.

Als erstes widme ich mich der Scheune, nach der Nummer mit Samu und Riku sieht es hier seit Tagen aus, als wäre die Horde Dschingiskhans hier durch gerauscht. Allein, um das Heu und Stroh wieder anständig zu stapeln, brauche ich drei Stunden. Mit Ausmisten gehen dann nochmal anderthalb drauf und so langsam wird es draußen auch schon dunkel.

Zurück in meinem Zimmer lasse ich mich erschöpft auf das Bett sinken und schließe die Augen.

Ich mache sie erst wieder auf, als am nächsten Morgen mein Wecker klingelt. Kurztrip ins Bad, Frühstück und dann weiter. Ich schnappe mir Helens Putzlappen und wische wie verrückt Staub. Bis Mittag habe ich die obere Etage geschafft, nach einer Dose Ravioli mache ich oben mit den Fußböden weiter. Gegen drei Uhr begebe ich mich dann nach unten und mache dort weiter. Um sieben bin ich mit allem fertig und gehe zu den Pferden. Eins nach dem anderen bringe ich sie zum Stall, putze sie und stelle sie wieder in ihre Boxen. Die Schafe bleiben mittlerweile Tag und Nacht draußen, also füttere ich die Pferde noch und gehe wieder rein. Ein weiterer Blick auf die Uhr sagt mir, dass ich noch unten das Klavier und die Gitarren putzen könnte, wenn ich mich beeile. Um elf bin ich vollkommen geschafft, als ich im Bett liege, meinen Wecker auf halb fünf stelle und sofort einschlafe.

~Ju~
Ich weiß, dass ich fast eine Stunde zu spät bin, aber ich habe für den Weg länger gebraucht als geplant. An der Koppel angekommen bekomme ich erstmal einen Schock, weil die Pferde alle weg sind. Hinten entdecke ich zwar die Schafe, aber von Helens Schätzchen fehlt jede Spur. Außerdem ist Ellie weit und breit nicht zu sehen. Gut, ich wäre auch sauer, wenn ich um eine ganze Stunde versetzt worden wäre. Im Flur staune ich dann erstmal, dass alles glänzt wie gewienert. „Ellie? Kultaseni, Schatz?" Keine Antwort. Wo steckt dieses Mädel bloß? Ich betrete oben ihr Zimmer. Da liegt sie, friedlich schlafend und vollkommen fertig mit der Welt. Ich muss lächeln. Sie hat wohl gestern den ganzen Tag geputzt wie eine Verrückte. Ich gehe wieder nach unten und mache Tee. Zurück in ihrem Zimmer stelle ich die Tassen beiseite, beuge mich über sie und raune in ihr Ohr. „Hyvää houmenta, prinsessa." Missmutig dreht Ellie sich auf die andere Seite und zieht sich die Decke über den Kopf. „Geh weg! Ich will schlafen!", brummt sie. „Hier sprecht ihr Captain Backlund. Bitte anschnallen für die Landeanflug auf Liss." Ich spreche mich extra tiefer Stimme und ganz nah an der Stelle, wo ich ihr Ohr vermute. Nicht unbedingt meine beste Idee, denn auf einmal schlägt sie die Decke zurück und zwar voll in mein Gesicht. „Aua!" Sie lacht auf. „Tut mir leid, Jukka."

~El~
Jukkas Gesicht ist einfach unbezahlbar! Ich habe ihm gerade aus Versehen meine Bettdecke samt Hand ins Gesicht geklatscht. Ohne nachzudenken reagiere ich auf Deutsch. „Tut mir leid, Jukka." Er sieht einfach zu niedlich aus, wenn er schmollt. „Oh, c'mon, how should I have known you're that close to the sheets?", versuche ich mich zu rechtfertigen, was Jukka wiederum zum Lachen bringt. „Liss, honey, it's okay, really. I'm fine, see." Er steht auf und will ein paar Schritte laufen, stolpert aber über eine Falte im Teppich und landet auf der Nase. „Alles klar, Captain Backlund," ich kann ein Grinsen nicht unterdrücken, „Komm mal her." Versöhnlich lege ich meine Arme um seine Schultern. Erst jetzt fällt mir auf, wie schmal Jukka im Vergleich zu den anderen ist. Sogar Riku, der ja nun wirklich dünn ist, wirkt dagegen leicht dick. „You and I. Kitchen. Breakfast. Now," verfüge ich mit Nachdruck und ziehe Jukka hoch und hinter mir die Treppe runter. Das geht nicht ohne Geräuschkulisse vonstatten, aber es ist ja keiner außer uns da. Jukka schiebt mich auf einen Stuhl und hantiert mit Pfannen, Tellern, Pfannenwendern, Tassen, Besteck und irgendwelchem Zeug, von dem ich nicht weiß, was es ist, weil die Verpackung auf Russisch beschriftet ist.

Als er endlich fertig ist, schiebt er einen Berg Pfannkuchen auf den Tisch. „Bon appetit, chérie," schmunzelt er und stellt Nutella und Honig auf den Tisch. „Toi aussi," gebe ich zurück. Von den etwa zwei Dutzend Pfannkuchen steckt Jukka mir fünf in den Mund, bevor er sich überhaupt etwas zu essen gönnt und sich mit dem Rest von mit füttern lässt. „You're very skinny, Ju, you don't eat much in general, do you?" Er senkt den Blick. „You know, appointments, studio work, travelling, tours with my brother's band... There's not much time for things like these." „I'll cook for you, no matter what, where or when. Just say something." Er schaut mich an, seine Augen schimmern feucht. Er will sprechen, findet aber keine Worte und stammelt unzusammenhängende Worte auf Finnisch. „Don't cry, Ju, I'm here." Plötzlich wird er laut. „That's the point, you're too good for every single one of us! Taking all of our sorrows and worries, never letting go of the wall around your feelings, always keeping your worries to yourself... I want to be the one you come to in the middle of the night when you cannot sleep, the one you tell anything that's a burden to you, the one to hold you when you cry, the one to make breakfast and snuggle up in bed with, the one to cuddle in front of the TV and the one to wake up next to you. The one you love from deep down inside." Seine Stimme wird immer brüchiger, Tränen rinnen seine Wangen hinab. „Ju... Ju, please, don't... " „Shhh, don't talk. Just let me be there for you." Wir stehen auf dem Teppich zwischen Sesseln, Sofas und der Verandatür. Er legt seine Hand an meine Wange und hebt meinen Kopf an. Langsam neigt er seinen Kopf in meine Richtung und legt seine Lippen auf meine. In diesem Kuss liegt so viel Verzweiflung, so viel Hingabe, dass auch ich die Tränen nicht zurückhalten kann.

Finnian //Jukka Backlund [under editing]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt