75 - Zukunftspläne.

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Vierte Woche. Noch acht Monate. Acht Monate, die ich ohne Jukka verbringen würde und in denen das Kind wachsen würde. Jukka soll es nicht erfahren, soll nicht wissen, dass er einen kleinen Menschen in die Welt gesetzt hat. Normalerweise bin ich eigentlich nicht sadistisch, aber die Schwangerschaftshormone vernebeln mir im Moment das Hirn. Jukka wird das Kind erst sehen, wenn es zehn ist. Vielleicht bleibe ich bei Osmo wohnen, vielleicht ziehe ich auch zu Samu. Den anderen Jungs werde ich auch nichts sagen, sonst ist die Chance, dass sich einer verplappert, zu groß. Samu und Osmo habe ich Stillschweigen auferlegt, Hanni werde ich es jetzt wohl beichten gehen. Ich wähle ihre Nummer. „Räisänen?" „Hanni? Kann ich vorbeikommen? Es ist wichtig." „Klar, ist es schlimm, dass Tapio da ist? Es geht ihm im Moment nicht sonderlich gut, er hat sich eine schwere Grippe eingefangen." „Solange er nichts ausplaudert, kann er gerne da bleiben. Ich bin in zwanzig Minuten da." „Bis gleich."

Ich habe Schuhe und Mantel noch an und setze mich direkt ins Auto. Es riecht immer noch nach Jukka. Ugh. Ich laufe zurück ins Haus, hole mein Parfum und sprühe einige Male in den Innenraum. Besser. Flasche zurückbringen, dann setze ich mich hinters Steuer. Das kleine Plastikklavier, das am Rückspiegel baumelt, nehme ich ab und werfe es auf der Beifahrerseite ins Handschuhfach. Ich lasse den Motor an, parke aus und finde meinen Weg durch die Stadt, durch die sich lauter Leute auf dem Weg zu ihrem Lieblingsrestaurant machen, um dort die Mittagspause zu verbringen. Einige vielleicht allein, andere wiederum mit Kollegen und Freunden, und wieder andere mit Ehe- oder Lebenspartnern. Und mittendrin fahre ich zu meiner Schwester und ihrem kranken Freund.

Hanni steht schon im Türrahmen, als ich vor der Garageneinfahrt parke. "Hei, hei, was ist denn passiert? Warum bist du bei unseren Eltern so plötzlich abgehauen?" „Kann ich vielleicht rein kommen? Muss ja nicht gleich halb Helsinki mitbekommen, was für Probleme ich habe." Hanni zieht mich nach drinnen und die Tür ins Schloss. „Darf ich kurz zu Tapsi?" „Aber nur kurz, wahrscheinlich schläft er eh schon wieder." Sie führt mich in ein Schlafzimmer und deutet auf das Bett, in dem Tapio selig schlummert. Ich gehe um das Bett herum und lege meine Hand an seine Wange. Er glüht richtig. „Hast du ein paar Handtücher da? Er braucht dringend kalte Umschläge." „Ja, ich hol welche." Damit ist sie zur Tür hinaus. „Hei. Dir geht's auch nicht grade rosig, was? Bei mir geht auch grade alles den Bach runter." Flatternd öffnet der Lockenkopf seine Augen. „Hei, Süße. Was los?" Er nuschelt unheimlich, aber das liegt am Fieber. „Zu viel. Schlaf weiter." Dankbar lässt er die Lider wieder sinken. Dann kommt Hanni mit trockenen und nassen Handtüchern zurück. „Hier. Einen Versuch ist es wert. Ich hab schon alles mögliche ausprobiert, aber nichts hat bisher geholfen." Ich nehme den ersten Stofflappen und falte ihn klein, bevor ich ihn auf Tapios Stirn lege. Dann schlage ich am Fußende die Decke zurück und Hanni legt zwei trockene Tücher unter seine Beine während ich etliche nasse darumwickele. Noch zwei trockene darüber legen und die Bettdecke wieder zumachen. Sie schiebt mich vom Schlaf- ins Wohnzimmer und drückt mich dort aufs Sofa. „Und jetzt zu dir. Warum bist du einfach ohne ein Wort abgehauen?" „Wir waren ja den Abend in der Sauna. Ging ziemlich heiß her, jedenfalls sind wir dann eingeschlafen und als ich mitten in der Nacht wach geworden bin, hat Jukka mich nicht mehr erkannt. Ich hab auf der Couch geschlafen und bin in aller Herrgottsfrühe aus dem Haus. Dann hab ich Osmo angerufen und hab dann die letzten Tage bei ihm verbracht. Joa, und währenddessen hab ich morgens mehr als einmal reihernd über der Toilettenschüssel gehangen." „Hast du dir den Magen verdorben oder was? Ist doch sonst nicht deine Art, du schaust doch jedes Mal dreimal aufs Verfallsdatum!" „Das dachte ich anfangs auch, aber Osmo hat darauf bestanden, dass ich zum Arzt gehe. Joa, und wie sich herausgestellt hat, hat der Bruder deines Freundes ein neues Leben in die Welt gesetzt." „Und du schuftest dich mit Emil und Osmo ab? Bist du noch zu retten? Mensch, Mädel, spinnst du? Ich würde diesen Idioten ja jetzt am liebsten anrufen, her bestellen und ihm gehörig den Kopf waschen, aber ich weiß genau, dass du das nicht willst. Aber ewig kannst du ihm das Kind auch nicht vorenthalten, allein schon wegen der Rechtslage. Wie willst du das schaffen?" „Ich werde erstmal in den Lehrberuf gehen, ich hab Englisch und Bio auf Lehramt studiert. Dann müssen wir mal schauen, was wir machen, wenn das Kind da ist." „Ich weiß zufällig von Mama, dass sie in der Sekundarschule bei ihnen im Viertel noch Lehrer brauchen. Vielleicht versuchst du es da mal." „Ich fang schon mal mit Bewerbungen schreiben an, sobald ich wieder zu Hause bin. Aber Samu wollte mir noch Liisa auf den Hals schicken, wenn sie Zeit hat. Hat sie aber anscheinend nicht." „Dann bleib doch einfach hier und wir machen uns einen netten Tag."

Finnian //Jukka Backlund [under editing]Where stories live. Discover now