85 - Coming Home.

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Ich verstehe Liss nicht. Was hat sie? Wieder habe ich das Gefühl, in ein endlos tiefes Loch aus bodenloser Schwärze zu fallen. Ich bleibe noch einen Moment im Auto sitzen und schließe die Augen. Ihre schmale Hand legt sich sacht auf meinen Unterarm. „Geh jetzt. Bitte." Der flehende Ton in ihrer Stimme lässt mich die Augen wieder öffnen. Liss hat Tränen in den Augen und sieht mich aus großen rehbraunen Augen an. „Auf bald." Damit erhebe ich mich und stapfe durch den Schnee zur Tür des Mietshauses. Der Schlüssel in meiner Hand fühlt sich an, als stünde er in Flammen. Schnell schließe ich auf und lasse ihn auf die kleine Kommode gleiten. Etwas ist anders. Ein seltsam vertrauter Geruch liegt in der Luft, aber ich kann ihn nicht zuordnen. Meine Nase kennt ihn, aber mein Gehirn vermag ihn nicht zu erkennen.

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Ich vergrabe meinen Kopf in den Armen und bleibe erst einmal so sitzen. Die Tränen versuche ich gar nicht erst zurückzuhalten, es nützt sowieso nichts. „Mensch, Ellie, komm mal her." Hä? Ich bin leicht verwirrt. Ach ja, Tapio. „Geht schon. Außerdem will ich das Kind nicht gefährden und du bist mit deiner Grippe leider grade etwas gefährlich." Er lässt es sich dennoch nicht nehmen, tröstend mit seiner warmen Hand über meinen Rücken zu fahren. Ich sacke in mich zusammen, lasse mich fallen. Tapio bleibt da, aber ich spüre, dass es ihm immer schwerer fällt, bei der Stange zu bleiben. „Komm, ich bring dich jetzt zu Hanni. Sonst sitzen wir morgen noch hier." Erleichtert sinkt er zurück in die Polsterung des Autos und schließt die Augen. Als ich bei Hanni ankomme, habe ich Mühe, ihn wieder wach zu bekommen. „Hey, Tapsi, aufstehen. Wir sind da." Ich werde erstmal angegähnt und ich merke, dass er gleich loshustet. Schnell drehe ich mich weg und steige aus. Hanni ist noch nicht da, aber Tapio hat Gott sei Dank einen Schlüssel. Ich bleibe noch bei ihm, zum Einen, weil ich ihn nicht allein lassen kann, zum Anderen, weil ich nicht allein sein will. Kurz vor mittag kommt meine Zwillingsschwester mit chinesischem Essen heim. „Hallo, meine Süßen. Hab was zu futtern mitgebracht. Wie geht's euch?" „Scheiße," kommt es gleichzeitig zurück. „Setzen." Sie drückt uns zurück auf das Sofa und stellt uns unsere Boxen auf den Schoß. „Essen. Damn können wir reden." Ich öffne die Box und versenke die Gabel in ihrem Inhalt. Nudeln, Hähnchenfleisch süß-sauer eingelegt. „Danke, Han." „Nicht quatschen, essen," befiehlt sie streng und mit eingezogenem Kopf stopfe ich mir mein Essen in den Mund. Tapio fällt immer wieder die Gabel aus der Hand, er ist todmüde. Ich stelle meine Box beiseite. „Komm, ich bring dich ins Bett." Schwerfällig erhebt er sich und stolpert hinter mir her in Hannis Schlafzimmer. Kaum steht er vor dem Bett, lässt er sich bäuchlings hineinfallen und schläft auf der Stelle ein. Ich ziehe noch die Decke über seinen schmaler gewordenen Körper und schließe sacht die Tür. Hanni mampft noch immer ihr Essen und schaut mich mir schief gelegtem Kopf an. „Er schläft. Hast du Jari und Heidi heil nach Hause bekommen?" „Ja, aber ich hab noch immer keinen Plan, was mit denen los ist." „Juuso... Er..." „Nein, oder?" „Doch." „Ich muss zu Tapsi." Schon ist sie aus dem Zimmer und die Türen fliegen ins Schloss. Ich höre nur noch die Matratzenfedern quietschen und strecke mich auf dem Sofa aus, zum Glück ist es lang genug. Meine Gedanken beschließen kurzerhand, Karussell zu fahren und bringen meinen Kopf fast zum Platzen. Schnell bin ich wieder auf den Beinen und schwanke zunächst etwas, weil mir schwindelig ist. Dann schreibe ich Hanni einen Zettel und gehe wieder runter zum Auto. Die Fahrt zu Osmos Haus dauert nicht lange, es ist kaum etwas los. Mein Laptop piepst schon vor sich hin und so laufe ich direkt in die Küche, wo das Teil noch immer am Ladekabel hängt. Schnell die Mail überfliegen, bingo! Die Schule nimmt mich, zwar vorläufig nur befristet, aber immerhin.

Finnian //Jukka Backlund [under editing]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt