111 - Ey!

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~Mi~

Ich klingele bei Ben und er lässt den Summer öffnen. „Treppe oder Aufzug?" Ich werfe Heike einen verunsicherten Blick zu. „Die Treppe hat Sie heute schon einmal aufs Kreuz gelegt. Nehmen wir den Lift," sagt sie bestimmt. Ich betätige den Knopf und warte ungeduldig auf das Blechungetüm. Eine merkwürdige Stille entsteht zwischen uns.

Oben angelangt steht die Wohnungstür bereits offen. „Schon wieder zurück? War wohl nichts, wie?", ruft Ben uns vom anderen Ende der Wohnung entgegen. „Äh, Ben, vielleicht solltest du deine Aussage nochmal überdenken." Ich höre das Sofa quietschen. „Wieso das denn, ich-" Er steht nun im Flur und starrt uns an. „Verzeihung, tut mir leid, ich konnte ja nicht ahnen, kommen Sie rein. Es ist ein bisschen sehr unaufgeräumt, ich habe ja nicht damit gerechnet, dass Michael seine Begleitung direkt mitbringt. Und Michi, wie siehst du denn aus, was ist denn passiert? Hast du dich mit jemandem geschlagen?" Heike ist die ganze Situation schrecklich unangenehm, aber sie bleibt standhaft. Während Ben munter drauf los plappert, zieht er uns in die Küche. Dort drückt er mich auf einen Stuhl und begutachtet mein Gesicht. „Junge, Junge, wir hast du das denn geschafft?" „Könntest du deine Griffel mal bitte aus meinem Gesicht nehmen? Ich hab vergessen, meine Schuhe zu zu machen und bin diese erbärmlich harte Steintreppe runtergesegelt." „Sorry, Mann. Ich hol mal eben den Verbandskasten." Ben erhebt sich aus seiner Hocke und verschwindet ins Bad.

„Es tut mir leid, dass das alles so gelaufen ist. Letztenendes ist es nämlich meine Schuld." Beschämt senke ich den Kopf. „Was können Sie denn dafür, dass Sie die Treppe hinuntergefallen sind? Das kann jedem mal passieren." Ich schnaube deprimiert. „Aber jeder normale und vor allem vernünftige Mensch wäre dann zurück nach oben oder zum Arzt gegangen." Ich stütze die Ellenbogen auf die verzogene Tischplatte und verberge das Gesicht in den Handflächen. „Soll ich mal ganz ehrlich sein? Ich mag verrückte Menschen. Und man kann auch nicht immer im Leben vernünftig sein." Verwirrt schaue ich sie an. Vorsichtig legt sie ihre Hand auf meinen Arm. „Ich mache mir trotzdem Vorwürfe. Ich hätte besser aufpassen müssen, aber ich wollte Sie nicht warten lassen. Es tut mir leid."

~Ju~

„Es gibt da nur ein kleines Problem..." „Was denn?" „Deine Familie ist noch bei dir zu Hause, bis auf Tapio und Hanni. Die beiden sind schon wieder zurück nach Finnland geflogen." „Also sind noch Heidi, Jari und meine Mutter da. Dann sehe ich mal zu, dass ich noch einen Flug für sie finde, ansonsten gehen wir zwei einfach in ein Hotel." „Du musst zur Untersuchung, ich schau mal, ob ich was finden kann, ja?" „Danke, Baby. Ich warte noch eben auf die Schwester." Die kommt auch keine Minute später herein und nimmt mich mit zur Untersuchung.

~Mi~

Schneller als ich vermutet habe, betritt Ben wieder den Raum und legt den Verbandskasten auf den Küchentisch. „Michi? Darf ich...?" Ich nehme die Hände vom Gesicht und präsentiere ihm meine aufgeplatzte, mittlerweile angekrustete Lippe. „Alter Schwede, ist mir ein Rätsel, wir du das geschafft hast, ganz ehrlich." Er kippt ein wenig Desinfektionsmittel auf einen Wattebausch und tupft damit vorsichtig auf meiner Lippe herum. Die dünne Kruste reißt auf und benommen von dem auflodernden Schmerz keuche ich auf. „Sorry. Bin gleich fertig." Er legt den blutverschmierten Tupfer beiseite und holt einen nassen Waschlappen aus dem Bad. Das Ding klatscht er unter meiner Nase auf die angetrocknteten Rinnsale aus Blut und sie verflüssigen sich wieder, sodass der Waschlappen rötlich beschmiert ist, als Ben ihn neben den Tupfer auf den Tisch legt. „Wegen deinem Fuß sollten wir vielleicht doch besser zum Arzt." Unsicher schaut er zu Heike hinüber. „Das habe ich ihm vorhin bereits gesagt, allerdings wollte er nicht hören." Ben steht auf, baut sich vor mir zu seiner vollen Größe auf und blickt auf mich herunter. „Wir gehen jetzt zum Arzt." Dann hebt er den Blick. „Soll ich Sie nach Hause bringen, wenn er beim Arzt ist?" „Warum redest du mit ihr, als wäre ich nicht da? Und ja, ich fände es schön, wenn du sie heimbringen würdest. Das ist wohl das mindeste, nach dieser ruinierten Verabredung."

Finnian //Jukka Backlund [under editing]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt