63 | Epilog; keine Kontrolle

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Das ist nicht tot, was ewig liegt, bis dass die Zeit den Tod besiegt.


Ich glaubte nicht, dass meine echten Freunde verstört genug von mir waren. Cass und Henry hatten es in meiner Nähe ausgehalten, ohne mir ständig diese bestimmte Art von Blicken zu zuwerfen. Und Seth und Joel hatten mich beim Abschied genauso behandelt. Gut, es war zwar kein richtiger Abschied denn wir wurden alle in verschiedene Autos gebracht, um in ein Polizei-Revier gefahren zu werden, doch der Kern der Sache blieb unverändert.

Also lag mein Problem nicht bei meinen Freunden. Sondern bei meinen Eltern. Von ihnen bekam ich diese bestimmte Art von Blicken und zwar ununterbrochen, während ich eingeklemmt zwischen ihnen auf der Rückbank eines Polizeiwagens saß.

Aber das konnte ich verstehen. Ich hatte makabere Dinge gesagt, ich hatte geschrien und meine Mitmenschen vergessen.
Es war in Ordnung, dass sie sie mich so behandelten.
Doch es frustrierte mich trotzdem.

Sie wussten von Alice, der Grinsekatze und dem Hutmacher! Zwar glaubten sie, meine blühende Fantasie wäre vor zwei Jahren stark zurück gegangen, aber nur, weil ich nicht der Ansicht war, ihnen von meinen kleinen Flirts mit dem Wahnsinn erzählen zu müssen.
War doch nicht meine Schuld, wenn sie so intolerant waren.

Es war still im Auto. Zu still. Wir fuhren bereits, aber dieses Geräusch lenkte mich nicht genug ab. Ich sah Alices Körper vor mir. Klein, schwach und blutend. Und leblos. Das war das Schlimmste. Alice war so aufgeweckt gewesen, so frisch und verrückt. Und ihre Leiche sah so normal aus. Einfach leer.

Dumme Tränen!, dachte ich, als sie mir bereits über die Wangen liefen.
Der Hutmacher schrie und hielt sich den Kopf, als hätte er furchtbare Migräne. Er sah offenbar die selben Bilder wie ich.

Mein Vater fuhr mir tröstend über die Haare. Keine Ahnung was er dachte, warum ich weinte. Es war mir egal. Ich hatte so oder so vermutlich ein paar gute Gründe.

Ruuuubyy....

Der Hutmacher stockte. Grins erschien auf dem Schoß meiner Mutter und blickte neugierig umher. Von ihm war diese Stimme also auch nicht gekommen.

Ruuuuuubyyy..., erklang die Stimme wieder. Sie war hell und kindisch.

Ich wischte mir die Tränen ab und versuchte nicht zu schluchzen, um besser hören zu können. Meine Eltern venahmen diese Stimme nicht. Ihre Gesichter sahen weiterhin besorgt und ernst aus, besonders, wenn sie mich ansahen. Was sie alle drei Sekunden abwechselnd taten

Psst, Ruby!

Ich blickte mich um. Das Auto war keine gigantische Villa, hier konnte sich doch niemand verstecken. Außer im Kofferraum, was ich aus eigener Erfahrung wusste, aber die Stimme kam nicht von hinten.
Woher kam sie?

Plötzlich drehte sich der Beifahrer um.
Hätte ich mehr Zeit zum Verarbeiten gehabt, hätte ich mich vermutlich darüber gewundert, dass wir auf einmal einen Beifahrer hatten.

Aber das interessierte mich nicht mehr, nachdem mir Alices strahlendes Gesicht herzhaft entgegen grinste.

,,Alice!" Ups, das war zu laut.

Hallo, liebste Ruby!

,,Alice, wie geht das, du wurdest angeschossen, du bist-" Meine Eltern unterbrachen mich.

,,Ssshhh, Kleines." Sie fuhren mir über den Rücken, tätschelten meine Schulter, umarmten mich und ließen unterdessen ihre Hände manchmal subtil über meinen Mund gleiten, als würde ich sonst ausplaudern, dass meine ganze Familie aus Wahnsinnigen bestand.

Dummchen, kicherte Alice. Ich bin deiner Vorstellung entsprungen. Stell dir vor, ich lebe und ich tu's!

Ja, ganz einfach, fügte der Hutmacher hinzu. Er sah so glücklich aus, wie er breit grinsend vor Freude an der Stelle saß, an der mein Papa vor wenigen Sekunden noch gesessen hatte.

So einfach wie das Reparieren einer Taschenuhr, gluckste die Grinsekatze. Ich wandte mich zu ihr um und sah, dass sie zwar die Größe meiner Mutter hatte (und deshalb zu einem gigantischen Tier mutiert war), aber sonst Grins sie völlig abgelöst hatte. Das waren nicht mehr meine Eltern, das waren meine geliebten Halluzinationen - endlich wieder vollständig, mit Alice vorne am Beifahrersitz.

,,Nein, das ist es nicht.", flüsterte ich. ,,Ich kann euch nicht mehr einfach so kontrollieren. Das wissen wir."

Ja, großartig, nicht?

Was wir noch alles tun werden...

Gangsterboy | TBSWhere stories live. Discover now