8 | "fucked up"

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Sangster ging um den Stuhl herum. Ich konnte spüren, dass sein Messer auf meinen Rücken zeigte und versuchte ruhig zu bleiben, da ich irgendwo mal gelesen hatte, dass Panik den Schmerz nur vergrößerte.

Ich hab euch lieb, Mama, Papa.Und auch euch, Joel, Seth, Cassandra. Für dich, Henry, hoffe ich, dass du einmal deinen perfekten Mann finden wirst. Und dich, Giselle, werde ich auch vermissen. Obwohl du mir im Kindergarten mal die Tupperdose meiner Mutter geklaut hast und mein Schwarm dein Freund ist. Und meine Mathelehrerin, Mrs. Paddington, ist ja eigentlich auch nur ein Mensch. Ich liebe euch alle.

Ich schloss die Augen und presste die Lippen aufeinander, um nicht zu schreien.

Sangster's Messer berührte schon meine Handgelenke. Es war eiskalt und ich bildete mir sogar ein, etwas metallisches - vielleicht But? - zu riechen. Dann schnitt er mir die Fesseln durch.

Oh.

Sofort veränderte sich die Einstellung gegenüber meiner Mathelehrerin und der Schlampe Giselle.

Nachdem er mir auch das Klebeband von den Beinen gelöst hatte (und meinen Lieblingsrock dabei fast ruinierte), stand er wieder auf. Sollte ich jetzt sitzenbleiben? Sangster ging mittlerweile auf den riesigen Tisch zu und nahm sich ein viereckiges, kleines Teil. Ich vermutete, dass es ein Handy war. Unschlüssig saß ich da und stocherte mit meinen Schuhspitzen im roten Boden, der unbedingt einen Teppich brauchte, herum, während Sangster ein paar Zahlen tippte. Als jemand abhob, waren kaum drei Sekunden vergangen und er sprach sofort, ohne irgendein "Hi" oder eines zu erwarten.

,,Wir wissen ungefähr wo er ist. Kommt her!"

Und aufgelegt. Der andere Typ, dem er das mitgeteilt hatte, musste sich jetzt ziemlich dämlich fühlen, falls er überhaupt geantwortet hatte, da er wahrscheinlich irgendetwas in sein Handy gelabert hatte, ohne, dass sein Auftraggeber es hörte. Oder er war es einfach schon gewohnt.

Kaum neun Sekunden später (Ja, ich hatte mitgezählt) betrat ein Junge in Sangsters Alter mit schwarzem Haar den Raum durch die Hintertür. War das nicht der Typ, der mir die Waffe an den Kopf gehalten hatte? Jap, das war er. Hinter ihm kam ein rothaariger, schlaksiger, mit Sommersprossen übersäter Teenager im pinken T-Shirt (Dass ich soetwas überhaupt noch erlebte!) nach.

,,Trommelt zehn Leute zusammen. Minho soll euch helfen." trug Sangster ihnen auf.

,,Wohin geht's?"

,,Nach Chicago."

,,Was ist mit ihr?"

Es entstand eine Schweigepause, in der mich alle drei anstarrten. Ich saß immer noch auf dem Stuhl und das nicht, weil ich so überirdisch brav war, sondern weil Sangster das Messer noch nicht aus der Hand gelegt hatte und mir der Schwarzhaarige seine Pistole in der Jackentasche regelrecht präsentierte.

,,Sie kommt mit. Falls sie gelogen hat, muss sie dafür bezahlen, bis sie uns die Wahrheit sagt." Beim letzten Satz lächelte mich der Junge in dunkelblond an. Ich bemühte mich, nicht gleich Amok zu schreien und biss mir auf die Lippen, dass es weh tat. Scheiße, scheiße, scheiße, scheiße, scheiße.....

Gunther Fuchs (so nannte ich den Rothaarigen) und Sir Blackhair (Bezeichnung für den Schwarzhaarigen) gingen auf mich zu und packten jeweils einen meiner Arme. ,,Wartet, wo bringt ihr mich hin?" Die beiden drehten sich fragend zu ihrem Anführer um, - daran hatten sie wohl nicht gedacht - der kurz überlegte. ,,Micheal wird noch einen Platz für sie haben." meinte er. Dann wendete er sich dem riesigen Actionfilmjamesbondagentencomputer zu und schien es gar nicht zu merken, wie ich ich aus dem Raum geschleppt wurde.

Irgendwie hatte ich hatte ich das Gefühl, ich musste mich wehren oder die Jungen beschimpfen, doch ich hatte keine Ahnung wo ich hin sollte -wir befanden uns in einem Gang; da gab es nur ein Geradeaus- und Sir Blackhair war eindeutig, älter und schneller als ich. Außerdem traute ich mich nicht sie zu beleidigen, weil ich wusste, dass es beschissen rüberkommen würde.

Und so ließ ich mich brav von ihnen am Boden fort schleifen.

Wir durchquerten eine Halle, einen Gang, eine zweite Halle und kamen dabei an vielen Jungs vorbei, die mich keines Blickes würdigten, als wäre meine Situation das normalste seit es Kinder gab, die Schule hassten (denn das war mehr als nur normal!), als die Jungs vor einem Metallgitter stehenblieb. Dahinter erkannte ich einen Aufzug. Ich hatte ein ungutes Gefühl, als Gunther Fuchs aufsperrte und wir still im Lift standen.

Es gab das Untererdgeschoss, Untererdgeschoss 2 und Untererdgeschoss 3. Kreative Namen, dachte ich. ,,Du hast Glück, dass du nur ins Untererdgeschoss musst. Im Dritten sind nämlich die, denen es ganz scheiße geht." grinste Blackhair. ,,Und du bist auch nur für eine Nacht dort." fügte Gunther hinzu, als wäre mein Leben deshalb tausendmal besser.

Im Untererdgeschoss angekommen wurden wir freundlichst begrüßt -nämlich mit einem Gewehr im Gesicht.

,,Ruhig, Michael, ich bin's. Dylan."

,,Cool, Mann." gab Michael zurück und nahm die Waffe runter. Michael sah aus, wie Arnold Schwarzeneggers Zwillingsbruder in klein und mit etwas weniger Muskeln, doch ich wusste, dass er auch ohne Gewehr auskommen würde.

Sir Blackhair und Gunther Fuchs verschwanden durch den Lift. Michael packte grob meinen Arm (so oft, wie der heute schon angefasst wurde, müsste mein Arm bald abfallen) und ging mit mir -er trug mich fast, so groß war er- zu einer Zelle. Ich merkte erst jetzt, dass Tür und Wand aus Glas waren. Beim Vorbeigehen an den anderen Zellen, sah ich durch die durchsichtige Mauer, dass sie innen wie Zimmer aussahen. Ein Bett und ein Schrank. Zwar sah das alles hässlich und alt aus, aber trotzdem nicht ganz so schlimm, wie es vielleicht die im dritten Untererdgeschoss waren.

Ich wurde durch eine glasige Tür geworfen und knallte auf den Boden. Michael sagte noch irgendetwas, doch ich konnte es nicht hören. Schalldicht, stellte ich in Gedanken fest. Zerbrechen konnte man es wahrscheinlich auch nicht und wenn doch, hätte mich Michael vermutlich abgeballert.

Seufzend ließ ich mich in das Bett fallen. Es war ungemütlich, aber man konnte darin schlafen, was ich für die nächsten drei Stunden auch tat.

🔫🔫🔫

Als ich wieder aufwachte, kam mir alles so unwirklich vor. Doch ich hatte nicht geträumt. Ich saß wirklich in einer Art modernen Zelle fest und wartete darauf, dass ich wieder herausgezerrt und (wie schon so oft) wie ein Kartoffelsack mit Haaren behandelt wurde. Gott, ich war am Arsch. Sangster würde mich töten oder lebenslänglich festhalten.

Allerdings, dachte ich, ist er etwas älter als ich, deshalb würde er noch vor mir sterben und ich wäre dann frei. Mit 80 Jahren.
Reizvoll klang das nicht. Nicht mal ansatzweise.

Gangsterboy | TBSDonde viven las historias. Descúbrelo ahora