47 | Ablenkung à la tits

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Als wir aufwachten, viel mir eine Sache auf. Nämlich, dass wir aufwachten.
Also zusammen.
Noch immer bei den Zellen.

,,Scheiße!", stieß ich aus.

,,Fuck!", bemerkte nun auch Seth.

Cassandra stöhnte müde.

Henry war es doch wohl noch nicht genug Gefluche, denn er zischte ebenfalls: ,,Verdammt!"

,,Ihr seid am Arsch.", erkannte Joel, der breit grinste. Im Gegensatz zu uns musste er ja auch hier unten sein. Wir hingegen durften das nicht.
Das geht nicht gut aus!, wimmerte Alice.

,,Klappe!", erwiderte ich gestresst.

,,Meine Güte...", verdrehte Joel die Augen, weil er dachte, ich meinte ihn.

,,Was ist passiert?", stöhnte Eva, die langsam aufwachte. Dann richtete sie sich auf, sah uns, das halbe Stück Pizza, das in ihrem Gesicht klebte, und nickte leicht. ,,Ah, jetzt weiß ich's wieder."

,,Wir sind eingeschlafen!", rief Henry aus.
,,Ach wirklich?" Seths Sarkasmus war so früh am Morgen noch ziemlich trocken.

Da es etwas heller war, konnte man schon mehr sehen. Ich warf einen Blick den Gang entlang - und bekam einen halben Herzinfarkt.

Wir hatten den Wachmann vergessen!

Schlimmer noch, wir saßen mitten in der Auslage, direkt vor Joels Zelle. Ich hatte keine Ahnung, wann der Kerl letzte Nacht gekommen war (bestimmt kurz nach uns), doch wenn er uns im Dunkeln nicht gesehen hätte, dann hätte er uns zumindest hören müssen.
Wieso hatte er also keinen Alarm geschlagen? Oder uns zumindest hochgeschickt?

,,Leute!", murmelte ich halblaut.

Meine Freunde und Eva blickten mich an. Ich zeigte in Richtung Aufzug, den der Wachmann bewachte. Er stand lässig an die Wand gelehnt da und hatte seine Mütze fast bis über die Augen gezogen.

,,Warum hat er uns nicht verpetzt?", flüsterte Seth ungläubig.

,,Hören Sie,... äh, Sir,... wir wollen keinen Ärger. Wir wollten niemanden befreien, sondern einfach nur reden...", stammelte Henry zittrig.

,,...Wenn Sie uns einfach... gehen lassen, das wäre... das wäre sehr nett.", fügte Cassandra hinzu. Mein Herz raste.
Joel krallte sich vor Nervosität an die Gitterstäbe, als wollte er sie zerbrechen

Der Wachmann antwortete nicht.

,,Schläft er?", flüsterte Seth.

Cassandra und ich sahen uns fragend an.
,,Hey, schläfst du?", schrie Eva aus ihrer Zelle.
,,Sh!", machten wir alle panisch.

,,'Tschuldigung...", sie hob abwehrend die Arme und verdrehte die Augen.

Es folgten gefühlte drei Minuten voller unsicherer Blickaustausche zwischen Seth, Henry, Joel, Cassandra und mir.
Schließlich hatte einer von uns einen Entschluss gefasst.

Seth stand vorsichtig auf, die Hände vor seiner Brust erhoben und mit wachsamen Blick auf den Kerl, der vor dem Fahrstuhl stand.
Keiner von uns hielt ihn auf, als er auf ihn zuging, doch ich merkte, dass wir alle etwas sagen wollten.

Außer Eva. Eva aß die Reste ihrer Pizza, die die halbe Nacht an ihrer Wange geklebt hatte.

,,Hey...?", hörten wir Seth sagen, als er schon beinahe den Wachmann berühren konnte.
Keine Antwort, er rührte sich nicht mal.

Seth wedelte mit der Hand vor seinem Gesicht. ,,Jap, er schläft.", kam es von ihm.
Henry atmete erleichtert aus, während Cassandra aufstand und mich ebenfalls auf die Beine zerrte.

Gangsterboy | TBSWhere stories live. Discover now