49| Brave (RN1)

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Und manchmal muss man nur 20 Sekunden unglaublich mutig sein. ~Unknown

*Ruby P.o.V*

Ungläubig starre ich ihn an. Doch es bestehen keine Zweifel. Er steht da wirklich. Nüchtern.

„Hallo Prinzessin. Ich dachte ich mache heute mal früher Schluss und koche uns was. Ich war die letzte Zeit ja nicht wirklich für dich da." Lächelnd breitet er seine Arme aus. Sofort lasse ich meine Tasche fallen und renne auf ihn zu. Meine dünnen Arme drücken ihn fest an mich.

So lange habe ich auf diesen Moment gewartet. Ich habe die Hoffnung nie aufgegeben. Und jetzt steht er hier und hält mich in den Armen, während er mein Lieblingsessen kocht. Mein Daddy!

Als das Wasser droht überzukochen, trennen wir uns wieder und ich hüpfe auf die Theke. Meine Augen verfolgen jede seiner Bewegungen. Ich bin glücklich, keine Frage, allerdings habe ich die ganze Zeit die Angst in mir, dass er wieder zum Alkohol greift und das ganze Spiel von vorne anfängt. Ich hab ihn doch gerade erst wieder!

„Daddy?", unterbreche ich die Stille, die in der Küche herrscht, leise. Er schaut sofort auf. „Was gibt's Prinzessin?" Ein kleines Lächeln huscht über mein Gesicht. „Wirst du dieses Mal bleiben?", frage ich unsicher. Meine Stimme zittert stark und klingt heiser. „Ich lass dich nicht mehr allein.", verspricht er.

„Versprochen?" - „Versprochen."

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„Kannst du mir bitte das Salz reichen?", fragt mein Vater mich. Lächelnd reiche ich es ihm. Mein Ärmel rutscht ein wenig nach hinten, sodass mein Handgelenk frei liegt und er die Spuren der vergangenen Nacht begutachten kann.

Schnell ziehe ich meinen Arm zurück und ziehe meinen Ärmel über meine Hand, doch es ist zu spät. Er hat es gesehen. „Wer war das?", fragt er knurrend. Ich schaue ihn ängstlich an und schlucke ein paar Mal unsicher, bevor ich schließlich antworte. „Du."

Erschrocken weicht er zurück. In seiner Miene liegt Unglauben und Wut. „Du lügst!", brüllt er mich schließlich an. Ich zucke zusammen und schüttle den Kopf. „Ich habe dich noch nie angelogen.", murmle ich und senke den Blick.

„Das kann aber nicht sein! Ich würde dich nie schlagen!" Seine Stimme klingt so zerbrechlich. Ein trockenes Lachen verlässt meinen Mund. „Und war das dann die letzten 10 Jahre?!"

Ein fetter Kloß bildet sich in meinem Hals, als ich ihm die nächsten Worte an den Kopf schleudere. „Du bist immer später nach Hause gekommen. Irgendwann betrunken. Jeden verdammten Abend habe ich dich in dein verkacktes Bett gebracht und was habe ich als Dank bekommen? Schläge. Jeden Abend hast du mich geschlagen. Jeden! Aber ich habe mich damit abgefunden. Ich hätte mich wehren können. Schließlich bin ich Boxerin. Aber ich konnte nicht. Ich hätte doch meinen Dad nicht schlagen können. Jede Nacht habe ich gehofft, dass du wieder der Alte wirst. Ich habe mich in den Schlaf geheult. Jeden Abend. Kannst du dir das vorstellen. Dad, ich war 7, verdammt! Ich hatte solche Angst, jeden Abend. In der Schule wurde ich gefragt, ob ich zuhause geschlagen werde. Weißt du was ich gesagt habe? Ich habe gesagt, dass es vom Boxen kommt. Ich habe gelogen, um dich zu schützen. Die anderen Kinder in meiner Klasse, haben Essen in die Schule mitgenommen. Ich nicht. Die anderen hatten Freunde. Ich nicht. Ich wurde zum Außenseiter. Wurde gemobbt und von da an nicht nur zuhause geschlagen, sondern auch in der Schule. Aber weißt du was mehr weh getan hat, als die Schläge? Deine Worte. Du hast gesagt, ich wäre ein Nichtsnutz, würde niemals einen Jungen abbekommen, wäre genau wie meine Mom. Ich habe diese verdammten Worte auch noch geglaubt. Und egal, wie schlimm meine Verletzungen auch waren, ich bin nie ins Krankenhaus gegangen. Ich wollte dich nicht verraten. Ich habe dich doch geliebt. Stück für Stück hast du mich immer weiter gebrochen. Immer weiter. Ich war nur noch eine kalte Hülle. Verdammt Dad! Du hast mich vergewaltigt! Mir meine Unschuld geraubt!"

When the mask falls...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt