Teil50

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Am nächsten Morgen schien die Sonne durch's Fenster. Jeremy fragte sich, wie lange sie wohl geschlafen hatten und schätzte, dass es ganz sicher nach zehn am Morgen war. Es wurde also Zeit, sich um ein paar Dinge zu kümmern. Das erste wäre ganz sicher ein heißes Bad zu zweit und dann die Tüte aus Camden, in der sich alles befand, was Jeremy am Abend gegriffen hatte. Wie immer reichlich Süßes, für die zwei Süßen und Nachschub für French Toast. Eigentlich waren sie wohl längst an dem Punkt ihrer Zweisamkeit angelangt, wo sie entweder regelmäßiger und vielleicht auch gesunder einkaufen sollten oder sie sollten den alten Butler von Richard bitten, das zu übernehmen. Jeremy schaute kurz auf den schlafenden, zerzausten, nackten Rufus und das Chaos im Bett und im Raum. Er grinste. Die erste Variante wäre wohl die bessere Lösung. Jeremy begann, sich vorsichtig unter Rufus zu bewegen und versuchte aufzustehen, ohne ihn zu wecken. Der junge Mann schlief noch so fest, dass er gar nicht merkte, wie Jeremy ihn seitlich abrollen ließ, ihm ein Kissen zu halten gab und ihn dann zudeckte. Jeremy ging darauf ins Bad, um sich fürs erste herzurichten. Er würde Frühstück machen und das Bad einlassen. Rufus könnte dann entscheiden, womit sie anfangen sollten. Rufus, das bedeutete Rotschopf. Ein sehr kurzer und irgendwie zu kurzer Name für all das, was der junge Mann war und erst recht für alles, was er Jeremy bedeutete. Jeremy hatte das längst gegoogelt. Man konnte sich denken, dass der Altfranzösische Name mit den St. Aubyns aus der Normandie herüberkam. Ausgerechnet eine so alte, traditionsreiche Familie schien kein Problem mit der Tatsache zu haben, dass der jüngere Sohn homosexuell war. Rufus hatte nie etwas in der Art angedeutet und Richard und Miranda waren ihm gegenüber offen und herzlich gewesen. Jem hatte Rufus mal kurz darauf angesprochen. Seine Antwort war typisch Rufus. Bei einer Familientradition, in der man früher Ehebrecherinnen die Nase abschnitt, wäre ja wohl alles eine Verbesserung. Jeremy grinste für sich und überlegte, ob er vielleicht doch seiner eigenen Familie eine zweite Chance geben sollte. Vielleicht hatten sie gar nichts von Davids Krankheit und Tod erfahren? Das setzte natürlich voraus, dass sie sich nach ihrer Abkehr von ihm doch zumindest dafür interessiert hätten, ob er oder David lebten oder starben. Aber dann hätten sie von Davids Tod erfahren und sie hätten sich bei ihm gemeldet, oder? Jeremy schüttelte den Kopf, um ihn frei zu bekommen und widmete seine Aufmerksamkeit dem Toast. Was sollte ihn eigentlich daran hindern, sich eine neue Familie zu suchen? Genau genommen nichts. Er könnte alles verkaufen, was er noch in den USA besaß, nur ein paar Erinnerungen behalten (die Black Sabbath- Sammlung mit der Widmung von Ozzy für David) und in England neu anfangen. Warum nicht? Zufrieden mit dem Gedanken begann er zu pfeifen.

„Hast du aber eine gute Laune, so früh am Morgen!" Rufus stand in der Tür und gähnte noch ganz verschlafen.

„Ich habe immer gute Laune, wenn du da bist", antwortete Jem wahrheitsgemäß und mit einem Blick auf Rufus, völlig blank. „Und wo du sowieso nichts anhast, schlage ich vor, wir baden erst und frühstücken dann."

„Mmmh, wie wär's mit Frühstück in der Badewanne. Stell ich mir sexy vor."

„Auf so eine dekadente und gleichzeitig praktische Idee kannst nur du kommen", scherzte Jeremy.

„Gut, dann lasse ich das Wasser ein." Rufus kam kurz zu ihm und gab Jeremy einen langen Guten-Morgen-Kuss, dann zwinkerte er und ging zum Bad.

„Ich packe dann mal alles auf's Tablett", rief Jeremy ihm noch nach und pfiff weiter. Definitiv, kein Butler.

Nach etwa einer Stunde waren sie satt, rasiert und gebadet und dösten noch ein bisschen zusammen in ihrer Badewannenposition. Rufus spielte ein wenig mit Jeremys Fingern, da fiel ihm ein, dass Jeremy ihm noch gar nicht erzählt hatte, worüber er und June gestritten hatten. Ob er einfach fragen sollte? „Jem? Was ist da eigentlich gestern mit dem Streit gewesen? Du hast sogar die Vorstellung platzen lassen, dann muss es heftig gewesen sein." Er schaute sich fragend zu Jeremy um, der ihn von hinten hielt. Jeremy pustete erstmal verlegen. „Ich weiß nicht, ob ich noch alles zusammenkriege", begann er dann, „aber im Wesentlichen lief es darauf hinaus, dass sie sich vorgestellt hat, dass sie und ich ein Paar werden, was besser sei für unsere Karrieren. Und das würde meine Familie versöhnen. Und du warst der lästige Störfaktor bei der ganzen Sache."

No lies, keine LügenWhere stories live. Discover now