Teil31

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Im heißen Wasser zusammen mit Rufus kam Jeremy der Gedanke, dass seine Leidenschaft für den Gesang und die Musik das Einzige war, was ihn jemals wieder aus dieser Wanne heraus bekäme. Sonst würde er einfach hier liegen bleiben, mit Rufus zwischen den Beinen, der sich zurückgelegt an ihn schmiegte und nur leise atmete. Wenn er ein Kater wäre, würde er wohl schnurren. Jeremy roch an seinen nassen Locken, die er zuvor mit irgendeinem Lotusshampoo gewaschen hatte. Rufus hielt Jeremys Arme vor seiner Brust und strich gedankenverloren ein bisschen mit den Daumen über die Unterarme. Nach einer ganzen Weile waren sie beide fast eingedöst und Jeremy schlug vor, ins Bett zu gehen. Rufus war zu müde zum Antworten, stand aber langsam auf und holte sich ein Handtuch. Jeremy tat das Gleiche und folgte ihm dann ins Bett. Rufus musste bereits eingeschlafen sein, noch bevor er wirklich zum Liegen kam. Jeremy lächelte, dann legte er sich dicht an ihn heran und zog die Bettdecke über sie beide. Er nahm sich vor, dieses Mal besser auf seinen Freund aufzupassen als beim letzten Mal. Wie um es zu bestätigen, küsste er die dunklen Locken, dann schlief er auch ein.

Am nächsten Morgen schlief Rufus noch tief und fest, als Jeremy die Augen aufschlug. Er und Rufus lagen sich beide auf der Seite gegenüber. Im Schlaf hatte Rufus einen Arm über ihn gelegt. Er beschloss, ihn schlafen zu lassen und döste ein bisschen vor sich hin, bis Rufus irgendwann langsam die Augen aufschlug und blinzelte. „Mmmm, guten Morgen", nuschelte er. „Dir auch", sagte Jeremy leise und küsste ihm auf die Stirn. Rufus rückte noch näher zu ihm und küsste seine Lippen nur ganz sacht. Er musste wirklich noch müde sein, aber das war auch kein Wunder nach einem Tag mit zwei Vorstellungen. „Sag mal", fing er an, „du bist so müde, willst du wirklich morgen Abend mitkommen? Dann müsstest du doch wieder die Matinee auch spielen, oder?"

Rufus spielte jetzt mit Jeremys Haar und strich es ihm hinter das Ohr. „Das macht gar nichts. Wenn du es dir so wünschst, bin ich dabei."

„Natürlich wünsche ich mir das. Wenn ich da wirklich so einen wichtigen Preis gewinnen kann, dann möchte ich, dass du dabei bist."

Dabei ist ja wohl nicht so ganz richtig. Ich bin auch da, wenn du mit June gehst", stellte Rufus etwas bitter fest.

„Du weißt, wie ich das meine." Jeremy hasste es ja selbst nicht weniger, dass es so sein musste.

„Ja sicher. Also bin ich dabei. Mach dir keine Sorgen. Ich habe schon mit Richard gesprochen. Ich gehe da an seiner Stelle hin, dann denkt sich keiner was dabei. Aber er hält das alles für Heuchelei."

„Heuchelei. Da formuliert er noch nett. Ich werde ihm sagen müssen, wie leid mir das alles tut." Jeremy bekam jetzt eine Sorgenfalte zwischen den Augen. Natürlich war ihm das alles mehr al nur unangenehm.

„Mach dir keine Sorgen. Er versteht das schon. Aber er ist auch jederzeit bereit, denen vom Preiskomitee die Hölle heiß zu machen." Rufus gab ihm einen Kuss, diesmal etwas wacher als der erste und deutlich länger. Jeremy war jetzt hin und her gerissen. Er würde beides gern weitermachen. Küssen und reden. Vielleicht doch eins nach dem anderen? Er versuchte es.

„Du hast eine tolle Familie." Jeremy war nicht sicher, ob er das schon gesagt hatte, also sagte er es jetzt.

„Findest du?" Rufus wirkte etwas überrascht.

„Ja sicher. Richard steht voll hinter dir, Miranda auch und die Mädchen sind aufgeweckt und bildhübsch."

„Stimmt. Aber das stand sowieso nie zur Frage. Wir sind zusammen aufgewachsen und unsere Eltern haben uns geliebt... Bedingungslos." So wie Rufus jetzt über seine Eltern sprach, bekam Jeremy den Eindruck, als fiele ihm das alles andere als leicht. Sie waren tot, soviel war klar, denn sonst wäre Richard nicht in Besitz des Titels und das Dower Haus wäre nicht im Besitz von Rufus. Aber da war noch mehr.

„Was ist mit deinen Eltern?"

Rufus musste mit der Frage gerechnet haben, doch die Antwort war nicht so ganz einfach. „Ein Jagdunfall."

„Was heißt das? Was ist passiert?" Jeremy legte eine Hand in Rus Nacken und streichelte ihn da ein bisschen. Erst schien es, als wolle er nicht weiterreden, doch dann nahm er sich zusammen und erzählte alles so sachlich und monoton, dass es mehr weh tat als alles andere. „Diese Jagden fanden jeden Herbst statt. Und alle Sommerford St. Aubyns sind verdammt gute Reiter, immer gewesen, aber das Pferd meiner Mutter hat den Sprung über eine Hecke verweigert und gescheut. Sie ist gestürzt. Mein Vater war direkt hinter ihr und ist abgestiegen, um zu helfen. Die anderen haben sie zu spät gesehen und sind über die beiden..." Weiter kam er nicht aber Jeremy hatte genug gehört. Wie furchtbar...Er legte seine Stirn an die von Rufus und flüsterte nur seinen Namen.

„Ich war damals dreizehn und ...Richard und ich ritten auch mit, aber sie waren schon tot, als wir dort ankamen. Da war nichts mehr zu machen. Sie mussten das Pferd meiner Mutter erschießen. Und seitdem gibt es keine Jagden mehr auf Sommerford."

„Es tut mir leid...", begann Jeremy.

„Das ...muss es nicht. Es war ein tragischer Unfall und es ist lange her", wehrte Rufus ab.

„Das meine ich nicht. Ich meine, dass ich dachte, du hättest eine völlig sorgenfreie Kindheit gehabt. Das war naiv von mir." Jeremy schaute Rufus in die Augen.

„Oh, das hatte ich. Sie war nur zu früh vorbei. Richard war gerade zwanzig und auf der Uni, also kam ich in eine Public School. Eine nur für Jungen."

„Da wusstest du aber noch nicht, dass du ..."

„...auf Jungs stehst? Na, das habe ich ziemlich schnell herausgefunden. Gerade da." Rufus' Ton hatte sich jetzt verändert. Er schien jetzt weniger traurig als zuvor, aber welches Gefühl anstelle der Traurigkeit getreten war, ließ sich nicht klar ausmachen. Bitterkeit? Leere? Erinnerte er sich an etwas? Am ehesten schien jeder Gefühlsausdruck völlig aus seiner Stimme und seinen Augen gewichen zu sein. Das war beinahe unheimlich und Jeremy entschied, jetzt nicht weiter zu fragen. Irgendwann vielleicht, aber nicht jetzt. Lieber wollte er ihn jetzt aufheitern. Erst gab er ihm einen Kuss, dann schaute er ihn an. „Wie sieht es aus? Hast du Lust zu lernen, wie man Pfannkuchen macht?"

Das war wohl die richtige Idee. Rufus lächelte nach und nach und nickte. „Aber ja, von dir lerne ich gern. Alles."

„Ich nehme dich unbedingt beim Wort", versicherte Jeremy und lächelte zurück.

No lies, keine LügenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt