„Alainn?", Zaras Totenfinger drückten leicht zu, „Es tut mir leid. Unendlich leid!"

„Du hättest mich nicht k.o. schlagen dürfen!", zischte Alainn ihr zu. „Glaubst du, du hättest all die Korrigans und Soldaten besiegen können? Ich habe dich vor dem gleichen Schicksal wie deine Mutter gerettet!"

„Soll ich dir jetzt tatsächlich dafür danken?", knurrte Alainn und entzog Zara grob ihr Handgelenk. Sie hörte, wie sie in der Dunkelheit seufzte.

„Es tut mir leid, Alainn. Ich wollte dich nur retten!" Stille breitete sich aus. Alainns Lippen liefen blau an, aber sie bemerkte es nicht. Ihre Gedanken waren bei ihrer Mutter und den eingeschnürten Organen in ihrem Inneren, die sie zu ersticken drohten.

„Alainn, wir sollten los!" Zara zuppelte an ihrem Jackenärmel.

„Ja, du hast recht!", sagte Alainn mit rauer Stimme und meinte nicht nur ihre vorangegangen Worte. „Ich schalte die Soldaten alleine aus, damit sie dich nicht sehen!"

„Ich habe keine Angst mich gegen meine Mutter zu stellen. Ich warte schon so lange darauf...", Wut brannte in Zara Stimme und verlieh ihr einen fiebrigen Ton, der den Patienten in der Psychiatrie ähnelten, während sie über die Dinge redeten, die Stimmen ihnen befohlen hatten. Alainn drückte jetzt ihrerseits Zaras Handgelenk: „Alles zu seiner Zeit. Deine Mutter wird mich danach jagen!"

„Wenn sie es nicht bereits tut. Du bist die Nachfolgerin als Hüterin. Und sie will das Buch! Sie hofft wahrscheinlich, dass du es ihr bringst!"

„Ich weiß nicht einmal, wofür das Buch gut ist!", knurrte Alainn und ohne eine Antwort abzuwarten, stieg sie über sie drüber zur Lucke, die nach oben führte. Sie umfasste die eisigen Stangen der Treppe. Eiskristalle bildeten einen rutschigen Film auf den Eisenstangen und Alainn wäre mehr als einmal fast abgerutscht und in die Tiefe gefallen. Alainn stemmte sich in die Höhe, tastete die Eisenplatte über ihr ab und suchte die Einbuchtungen, nach denen sie greifen konnte. Sie presste die Platte mit aller Kraft nach oben. Ihre Arme zitterten und ihre Muskeln schmerzten schon nach wenigen Sekunden. Um einen besseren Halt zu bekommen, lehnte Alainn sich mit den Rücken an die Mauer. 

Auch hier musste sie vorsichtig sein. Da die Eiskristalle die Mauern überzogen. Mit ihrem Stiefel kratze sie die Kristalle von der Eisenstange und setzte ihre Füße so auf die Stangen, dass das dünne Eisenrohr zwischen zwei Profilerhebungen ihrer Stiefel eingeklemmt war. Dann stammte sie die Füße gegen die Stange, den Rücken gegen die Mauer und presste sich gegen die Platte. Alainn musst um jeden Zentimeter kämpfen. Ihre Arme zitterten und sie biss sich auf die Lippe, damit sie nicht vor Anstrengung aufstöhnte. Das Lachen der Wachen wurde lauter, dauernd klackerten Würfel auf das Brett. Die Kunst die Eisenplatte anzuheben und dabei so wenig Geräusche wie möglich zu machen, verlangte ihr einiges ab. Zitternd hob sich die Platte nun von dem Boden ab. Langsam setzte Alainn einen Fuß auf die obendrüber gelegene Stange, dann den nächsten. Sie drückte ihre Beine durch und zwang ihren Körper an der eisverkrusteten Mauer nach oben zu rutschen. Ihre Arme waren bis zu den Ellenbogen draußen. Alainn war verwundert, dass die Wachen sie noch nicht bemerkt hatten, aber als sie die Platte langsam und ruhig abgesetzt hatte, bemerkte sie, dass sie direkt unter ihrem Tisch war. Sie blickte zu Zara herunter und hob den Daumen. Sie hatte an alles gedacht. Lautlos befreite sie sich aus dem Loch. 

Sie rief ihr Monster, die Melodie in ihrem Inneren. Sie schloss die Augen und spürte ihnen nach. Ein dunkler, sehnsuchtsvoller Ton erwartete sie, liebkoste sie, bis es sie berührte, über sie strich. Die dunkle Melodie, verwandelte sich in einen Basslaut, bis es sich ein dröhnendes Knurren wandelte. Erst dann lud Alainn es ein. Als sie die Augen öffnete, waren sie schwarz. Sie stürzte sich auf den ersten Mann, der vor ihr am Tisch lag. Bevor er wusste, was geschah, war er bewusstlos. Die anderen sprangen auf. Alainn sprang. 

Officium #Wattys2016Where stories live. Discover now