Venenum*aktualisiert

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27.

„Alainn", sie schlug die Augen auf. Finsternis umgab ihr Bett. Sie schwang die Beine über den Rand des Bettes und sah sich um. Alainn spürte ihre Anwesenheit im eisigen Kribbeln, dass über ihre Haut lief, wie tausende haarige Spinnen. Sie nahm sie in der Schwärze wahr, dem dunklen Knurren ihrer Magie, die die Finsternis maskierte. Sie hatte keine Angst mehr. Sie war nur ein gebrochenes Wesen. Ein Wesen, dass ihre menschliche Seele abgestoßen hatte und nun nur noch in ihrer Bösartigkeit lebte. In ihrer Grausamkeit. In einer Welt voller Gewalt und Blut, die sie sich selbst geschaffen hatte. Sie war eine bemitleidende Kreatur. Eine gefährliche Gestalt, aber dennoch zu bemitleiden. Sie tauchte aus der Dunkelheit aus, als schäle sie sich aus schwarzen Tüll. Ihr rotes Haar wogte wie stürmische Wellen vor der Küste. Das schwarze Leder schmiegte sich an ihre große, schlanke Gestalt wie eine Schlangenhaut. 

„ Du bist klein für eine Namara!", gurrte Boudicca und betrachtete Alainn mit ihren schimmernden roten Augen. Der Saum ihres Kleides waberte gestaltlos wie Nebel um ihre Füße.

 „Das sind die Gene deines gottverdammten Vaters!", sie kicherte und setzte ihren Rundgang, um das Mädchen vor. „Ich würde ja furchtbar gerne weitere Höflichkeiten mit dir austauschen, Urgroßmutter", angewiderte spuckte Alainn die Worte wie vergammeltes Essen aus:" aber ein traumloser Schlaf wartet auf mich. Wenn du dich also beeilen könntest...", Boudiccas Augen blitzen amüsant:" Aber natürlich, ich will dem Kinde ja nicht den wohlverdienten Schlaf rauben..",sie lachte gackernd.

 „Was willst du?"

„Was ich will?", gespielt erschüttert legte die Frau eine Hand aufs Herz und sah sie bestürzt an:" Kann eine Urgroßmutter ihre Urenkelin nicht ohne Grund besuchen?!"

„Das kommt ganz drauf an, findest du nicht?", sagte Alainn und zeigte ihr ein zähnefletschendes Lächeln. Boudiccas Augen blitzend und in ihren Mundwinkeln zuckte ein böses Lächeln:" Und auf was, kommt es an, liebste Enkelin?"

„Ob die Urgroßmutter überhaupt Gefühle besitzt?", trotzig sah Alainn ihre Verwandte an:" ich besitze Gefühle!", sagte Boudicca entrüstet und legte wieder ihre Hand aufs Herz. Eine Geste, die so falsch, wie ihr Dauergrinsen war. 

„Hass ist kein Gefühl, sondern eine Einstellung!", Boudicca lachte schallend. Alainns Nackenhaare stellten sich bei diesem Geräusch auf und eisige Schauer liefen über ihren Körper. 

„Ist das so?" Der Geruch von Blut verstärkte sich je näher die rothaarige Frau ihr kam. Jemand anderen hätte der metallische Geruch angewidert und abgestoßen. Die dunkle Melodie in Alainns Inneren jauchzte, sog den Duft ein und ergötzte sich an ihm. Das Kribbeln steigerte sich zu einem wohligen liebkosen, angereichert durch das Metall, das durch die Luft waberte. 

„Die kleine Alainn wird stärker!", grinste ihre Urgroßmutter, als sie den lüsternen Ausdruck auf ihrem Gesicht erkannte. „Was willst du ?", zischte Alainn erneut und bohrte ihre Augen in Boudiccas. Keine Zurückschrecken vor dem Rot. „Ist das nicht offentsichtlich?",ihr heißer Atem berührte ihre Wange. Ihre Hand strich ihr das Haar aus dem Gesicht:" ich will dich! DICh und deine erwachende Macht!", gurrte sie:" Weißt du, was das bedeutet ?", ihre Hände fuhren über Alainns nackte Oberarme, hinunter zu ihren Händen. Sanft, ja fast ehrfurchtsvoll hob Boudicca Alainns rechte Hand in die Höhe und strich über die schwarzen Linien des Males:" Wunderschön", sagte sie und strich über die Haut um das Brandmal. „Das hier ist der Grund für die Antworten, die deine Mutter dir gegeben hat. Nicht ihr Vertrauen oder ihre Mutterliebe ist dafür verantwortlich!", erklärte Boudicca Alainn, die am liebsten ihr die Hand entrissen hätte, aber sie wollte unter keinen Umständen dieser Frau das Gefühl geben, dass sie sich fürchtete. 

„Meine Mutter hat mich eingeweiht, weil ich ihr helfen soll dich zu schnappen!", Boudicca lachte. Sie lachte sie laut aus, verhüllte ihre Belustigung über ihrer Naivität nicht, sondern zeigte sie Alainn, um sie zu demütigen und ihr das Gefühl zu geben ein dummer, ahnungsloser Backfisch zu sein. 

„Deine Mutter weiß, dass es Zeit ist.", mit der freien Hand fuhr sie über Alainns Kinn :"Weißt du...", ihr Griff wurde stärker:" weißt du, welches Schicksal auf dich wartet?", Alainn versuchte sich aus ihrem Griff zu befreien. Fingernägel bohrten sich in die weiche Haut an ihrem Kinn und hinterließen rote Abdrücke. „Hat deine Mutter dir alles erzählt?". Alainn stemmte sich gegen sie auf. Boudicca lachte wieder und zog sie näher an sich heran. Das Mädchen spürte ihren Körper an ihrem:" Wenn du eines Tages die Fragen satt hast, dann komm zu mir. Ich erzähle dir alles.. alles über das hier!", sie fuhr um den Weltenbaum:" alles über dich und deine Mutter. Und über deine Welt.". Sie lächelte ein zähnefletschendes, überlegendes Lächeln. Alainn stieß sie von sich."Niemals!", schrie sie im jugendlichen Eifer:" Niemals helfe ich dir deine Ziele zu erreichen für ein paar Antworten!"

„Ich habe nichts von einer Gegenleistung gesagt"

„Heutzutage ist nichts kostenlos. Nicht einmal der Tod!".

„Weise gesprochen!", Boudicca zog sich in die Schatten zurück. Sie umarmte die Dunkelheit, die sich scheinbar ihrer bemächtigte. Aber Alainn wusste es besser. Nicht die Dunkelheit bemächtigte sich Boudicca. Nein, sie war die Dunkelheit und sie gehorchte ihr wie ein treuer Hund seinem Herrchen.

 „Noch hast du eine klare Vorstellungen von Gut und Böse. Aber ich verrate dir etwas, kleine Alainn: In einem Krieg gibt es keine Seite.In diesem Krieg wirst du umgeben von Monster sein. Aber das größte, das grausamste und tödlichste Monster von allem, wirst du sein!"

„Es wird keinen Krieg geben! Ich halte dich auf. Wir halten dich auf!", schrie Alainn sie an. Aufgebracht über die Worte der Frau. Boudicca lachte sie aus, zeigte ihre Missbilligung offen und vor sich her tragend. 

„Deine Naivität ist wirklich herzergreifend. Wie schade, dass sie dem Krieg zum Opfer fallen wird. Aber was ist schon ein weiteres Opfer unter Millionen, nicht wahr?" Alainn spuckte vor ihr aus. Zorn beherrschte ihr Gesicht und die Fäuste, die sich aus ihren Händen gebildet hatten. „Am Ende musst du nur eines entscheiden, kleine Alainn: auf welcher Seite willst du in diesem Krieg stehen. Auf der Gewinner oder Verlierer Seite?"

„Du glaubst, du gewinnst?"

„Schlussendlich gewinne ich immer! Also überlege weise!"

„Ich muss nicht überlegen. Ich werde auf der richtigen Seite stehen. Auf der Seite, die für Gerechtigkeit und Humanität kämpft.". Boudicca klang traurig. Aber Alainn hörte den Unterton, der frohlockte:" Und noch ein Opfer. Es wird mir keine Freude bereiten deinen Idealismus zu zerstören. Wirklich nicht!", sagte sie, doch ihr Gesicht sprach eine andere Sprache. Wilde Gier sofort mit dem Blutvergießen zu beginnen, sprach aus ihren Zügen. 

„Ich muss dich enttäuschen, Alainn, aber eine solche Seite gibt es in einem Krieg nicht. Es ist ein Mythos, eine Lüge, die man Idealisten wie dir erzählt, damit sie gerne für eine Lüge sterben. Aber man kämpft niemals für Gerechtigkeit oder Humanität. Man kämpft immer für Macht. Macht und Herrschaft. Krieg für Gerechtigkeit und Humanität ist ein Widerspruch in sich. Auf dem Schlachtfeld gibt es nur Vernichtung und Zerstörung, Tod und Verderben. Es gibt keinen Ruhm und keine Ehre. Nur Blut und Fäkalien. Kriege machen Monster. Denn alle anderen sterben. Und das ist, was am Ende übrig bleibt. Die Monster. Die Starken. Die Mörder!", Alainn schluckte schwer. 

Sorgen und Angst machten sich breit in ihrem Inneren:„Dann werde ich sterben."

„Und mit dir die Welt!"

Officium #Wattys2016Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt