Nox*aktualisiert

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19.

Feuer brandete auf. Rote Flammen leckten vorsichtig an den Eingängen bis sie sich in die Adern und Venen hinein gleiten ließen. Sie roch verbranntes Fleisch. Die Flammen tanzten in ihrem Spiel aus rot-orange. Hitze traf Alainns Gesicht. Sie wollte den Blick abwenden, aber die tanzenden Flammen hielten ihren Blick gefangen. Aus den Flammen heraus trat zuerst eine schwarze Pupille. Dann noch eine. Ganz so als öffne jemand gemächlich erst das eine Auge, dann das nächste. Alainn starrte in rot glühende Augen. Für einen Moment erstarrte sie. Dann schrie Alainn. Keuchend wachte sie auf. Von ihrer rechten Hand ging ein stechender Schmerz aus. Als sie den weißen Verband abstreifte, den sie sich provisorisch umgelegt hatte, musst sie einen erneuten Schrei unterdrücken. Die Wundränder leuchteten wie glimmende Kohlen. Es roch nach verbrannten Fleisch. Ihr Fleisch und kein Traum. Panik kochte in ihr hoch und machte sich in Form von Tränen Luft. Mit dem Handrücken wischte Alainn sie ab. Schlaftrunken wankte sie aus dem Zimmer. Licht blendete sie. Alainn stöhnte, hielt sich eine Hand vor die Augen und tastete sich halb blind die Treppen hinunter. Ihre rechte Hand pochte unangenehm. Es war als würden die glühenden Flammen in ihrer Hand pulsieren und pochen, bis ihr Herz den Rhythmus annahm.

 „Mom?", im Flur und in der Küche brannte Licht, aber keine Caenna Namara. Die Tür zum Garten hin stand offen. Neugierig schlüpfte das Mädchen hindurch. 

„Mom?", flüsterte Alainn. Das Lich, das durch die geöffnete Tür in den dunklen Garten fiel, machte sie für einige Augenblicke blind. Die nackten Füße bewegten sich lautlos über den Schnee, während das Mädchen den Garten absuchte. Nichts. Keine Caenna Namara. Für einen Augenblick kehrte die Angst zurück, die den ganzen Tag in ihr gewütet hatte, bis es schließlich an der Tür der Wilsons geklingelt hatte. Caenna Namaras sonst so perfekte Frisur wirkte durcheinander, Strähnen standen wirr ab und Alainn hatte ihre Mutter noch nie so müde und erschöpft gesehen. Aber es ging ihr gut. Sie war nicht erreichbar gewesen, weil sie in einer schwierigen Operation gesteckt hatte. Noch immer erinnerte Alainn sich an das Pochen des Brandmal sowie ihre Mutter, die Worte ausgesprochen hatte. Sie hatte ihr nicht geglaubt. Bis jetzt wusste Alainn nicht woher ihr Misstrauen kam oder warum das Brandmal angefangen hatte zu pochen, so als ob es ein Lügendetektor war. Auf der anderen Seite war Alainn auch mehr als leicht betrunken gewesen, als sie aus dem Herrenzimmer getorkelt war. Ihre Mutter hatte das mit einem Stirnrunzeln kommentiert, Kirans Anwesenheit hatte allerdings einen so scharfen Blick auf den Plan gerufen, dass Alainn wortlos den Kopf eingezogen und zum Auto gewankt war. Die Diskussion, die sie danach führten war ziemlich schnell beendet gewesen. Nämlich genau in dem Moment als Alainn ihren gesamten Mageninhalt auf die Schuhe ihrer Mutter verteilt hatte. Wortlos steckte Caenna Alainn in die Dusche. Brachte ihr eine Schmerztablette und steckte sie ins Bett.

Stimmen. Leise nuschelnd klangen sie durch den Garten. Sie kamen von der Vorderseite des Hauses. Alainn schlich sich durch den Schnee, um zur Vorderseite zu gelangen. Dort zwischen den Bäumen, die gegenüber von ihrer Haustür lagen, stand eine schwarze Gestalt. Alainn stockte. Ihre Füße fühlten sich wie zwei Eisblocks an und Alainn ärgerte sich über sich selbst, dass sie keine Schuhe übergezogen hatte. Sie tastete ihr Nachthemd an, musste jedoch feststellen, dass sie bereits zwölf Stunden nach ihrem Versprechen nie wieder unbewaffnet das Haus zu verlassen, unbewaffnet war. Die Gestalt war groß und hob sich schwarz von dem hereinfallenden Licht der Straßenlaternen ab. Sie lehnte locker an einem Baum und beobachtete die leisen Stimmen, den das Mädchen gefolgt war. Alainns Augen tasteten bereits den Boden nach einer provisorischen Waffe ab, als die Gestalt den Kopf drehte. Das Licht der Laterne fiel schwach auf das Profil der Kreatur.

 „Stalkst du mich?". Erschrocken fuhr Kiran Graham herum. Vor ihm stand Alainn Namara. Das weiße Seidennachthemd schmiegte sich an ihre schlanke Gestalt und passte eindeutig nicht zu den minus Temperaturen. 

Officium #Wattys2016Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt