Immortalis*aktualisiert

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11.

Allison Grey starrte mit aufgerissenen grauen Augen die Mosaike an der Decke an. Das Grau in ihren Augen erinnerten Alainn an einen wolkenverhangenen Novembermorgen, der einen stürmischen Tag versprach. Alainns Beine zitterten als, sie sich mit wackeligen Schritten dem Mädchen näherte. Dicke Seile fesselten sie an den Opfertisch inmitten des Pavillons. Alainns versuchte den Kloß aus Galle und Magensäure, die ihre Kehle hochstiegen, herunter zu würgen, aber ihr Mund war trocken. Trocken wie die Wüste Gobi. Wie gerne hätte sie ihre Augen von den leblosen, furchterstarrten Pupillen losgerissen, aber was hätte das genutzt? Allisons tote Augen waren längst in ihre Erinnerung eingebrannt. Ihr Mund war noch immer in einem lautlosen Todesschrei verzogen. 

„Bei den Göttern..", wisperte Alainn. Ihre Finger fanden ihren Mund. Versteckten ihn, als würde es den Anblick, der sich ihr bot besser machen. Sie spürte Kiran Körperwärme in ihrem Rücken.

 „Nein.", flüsterte er. Alainn hatte vorher nicht gewusst, wie viel Trauer, Verzweiflung und Selbsthass in einem einzigen Wort stecken konnte, bis sie es ihn murmeln hörte. Alainn drehte sich nicht zu ihm um. Doch sie spürte, wie er zitterte. Mit den Händen rang und sich schließlich an einen der Pfeiler lehnte und zu Boden glitt, ohne auch nur einen Moment, die Augen von der toten Allison zunehmen. Sie hörte wie, die Jungen ihnen folgten. Ihre erstickten Laute, das erschrocken Japsen, die aufgerissenen Augen und Münder. Die Seile, die Allison an den Opfertisch banden, waren an Metallringen befestigt, die jede Extremität in eine Spitze des auf den Boden eingekerbten Pentagramms, anordneten. Alainn bemerkte die Rostpartikel, um die Ringe. Sie waren wohl abgefallen, als Allison an den Seilen gezogen hatte. Nicht mehr als, fallende Rostpartikel hatte sie ausrichten können. 

„Geist, Erde, Luft, Feuer und Wasser...", murmelte Alainn und schaffte es endlich ihre Füße vom Boden zu heben und auf den Tatort zu, zu laufen. Rillen im Tisch bündelten sich in merkwürdigen Symbolen auf den Boden des Tempels. Die gleichen Einkerbungen die Alainn auf den Sandsteinplatten vor dem Tempel aufgefallen waren. Sie kniete sich hin, um die Symbole besser erkennen zu können. Als ihr klar wurde, was die dunkle Färbung in den Rillen bedeutete, fing Alainn an zu würgen. Ihr Magen krampfte sich zusammen. Sie presste die Hand auf den Mund und versuchte durch tiefes Ein- und Ausatmen, dass Gefühl loszuwerden sich hier an Ort und stelle ihres Frühstückes zu entledigen. Stell dich nicht so an, schimpfte sie mit sich selbst, das ist schließlich nicht deine erste Tote. Wie viele hast du selbst schon umgebracht? Unzählige! Und du übergibst dich wegen getrocknetem Blut? Wegen einer klaffenden, aufgeschlitzten Kehle? Reiß. Dich. zusammen! Du. Bist. Eine. Korrigan! Willst du deiner Rasse Schande machen?

Also zwang Alainn die Säure hinunter, presste die Lippen fest aufeinander und sah Allison an. Ihre Kehle zierte ein tiefer, klaffender Schnitt, das Blut hatte getrocknete Ströme auf ihrem Hals hinterlassen- dort wo das Blut hinunter und in die Rillen gelaufen war. Erst jetzt bemerkte Alainn die fünf Kreise. Nur der erste war mit dunklem Blut bedeckt. Die anderen Einkerbungen waren sauber. Wir treffen uns am Tempel der Feen, hatte Allison gesagt. Tempel der Fünf. Es sind fünf. Das hatte sie gesagt. Allison Grey hatte gewusst, dass sie sterben würde. Vielleicht hatte sie sich einige Tage im Wald verbergen können bis, ihr Mörder sie fanden. Aber sie hatte es gewusst. Sie hatte alles vorhergesehen. Der Alptraum, dachte Alainn entsetzt, sie hatte von Allison geträumt. Geträumt? Oder war sie dabei gewesen? Hatten Allison sie an ihrem Tod teilhaben lassen? In Alainns Geist blitzen die drei kapuzenverhangenen Gestalten auf. Der blitzende Dolch. Das Lachen. Allison Angst. Ihre Angst.

„Ich habe ihr versprochen auf sie aufzupassen!", Alainn zuckte zusammen. Sie hatte nicht bemerkt, dass Kiran hinter sie getreten war. „Ich hab es ihr versprochen!", seine Haut war aschfahl und in seinen schwarzen Augen schimmerte eine traurige Leere. „Das war ein Opferritual!", wisperte Alainn unbeholfen. Sie zwang sich Luft zu holen und sog angewidert die Luft ein:" Lavendel?", fragte sie sich laut. 

Officium #Wattys2016Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt