Semper

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39.

Zaras weißblonde Haare funkelten wie Eis im Licht, das durch das Klassenzimmerfenster fiel.

„Wir sind, was wir sind. Und wir sind hier, um Boudicca aufzuhalten und die magische Bevölkerung zu schützen!", Zara richtete sich auf. Sie zwang ihren Körper in die Höhe, die Schultern tief, der Rücken gerade, ihr Verhalten: Das Gebaren einer Königin. Ihre grauen Augen wanderten über die Jungen. Sie streckte das Kinn nach vorne, besah sich ihre Zuschauer von oben nach unten und wirkte genauso überlegen, wie die Prinzessin sich offensichtlich fühlte. Alainn lehnte hinter ihr an der Tafel. Sie hatte die letzte halbe Stunde nicht einen Ton gesagt und agierte nur als stumme Beobachterin. Kiran war während Zaras Monolog aufgestanden und starrte aus dem Fenster. 

Sie konnte sein scharfes Profil sehen, das von der Oktobersonne angestrahlt wurde. Alainn zwang sich ruhig zu atmen, obwohl sie wusste, dass er sie in der Spiegelung der Scheibe ansah, jede ihrer Bewegungen registrierte. Das Mädchen konzentrierte sich auf die anderen. Chris hörte aufmerksam zu, seine Augen wanderten fragend von Kiran zu seinem Bruder hinüber und zu Alec, der sich auf seinen massiven, bulligen Armen aufstützte, sodass die Sehnen und Muskeln hervorsprangen und Alec noch bedrohlicher wirken ließen. In Lincolns Stirn fräste sich eine skeptische Falte, die umso tiefer wurde, desto länger er der Prinzessin zuhörte. 

Sie waren alle hier. Lincoln, der Skeptiker. Kiran, der stille Anführer. Alec, der Mann fürs Grobe. Chris, der Nachdenkliche. Alainn fühlte sich wie ein Eindringling, in eine ruhige, friedliche Welt. Die Zerstörerin einer Ordnung, die besser war, als das, was kommen würde. Schuld nagte in ihrem Inneren und biss kleine Stücke aus der Mauer um ihr Herz, die bröckelig und instabil wurde wie die Häuser in der toten Stadt. Zaras schwere Stiefel klackerten auf dem stinkenden Linoleum Boden, während sie vor den Jungen herum stolzierte. Die Prinzessin kam bei ihnen nicht gut an. Ganz und gar nicht. Lincoln und Kiran wechselten bedeutungsvolle Blicke.

„Wie wollt ihr sie aufhalten?", fragte Lincoln und sah Alainn dabei an. Die Rothaarige drehte den Kopf und betrachtete Zara, die mit ihrem Verhalten vollkommen deplatziert wirkte.

„Boudicca tötet ihre Opfer in der elementären Reihenfolge. Als nächstes ist das Element Erde dran. Wir brauchen die Liste aller weiblichen Erdwesen."

„So eine Liste existiert nicht!", knurrte Lincoln. Er war aufgesprungen und funkelte Zara an. In Zaras Sturmaugen tobte es. Es musste ein Kulturschock sein von mittelalterlichen Gepflogenheiten in das respektlose Gebaren des 21. Jahrhunderts geworfen zu werden. Alainn unterdrückte ein Grinsen.

„Dann stellt mir eben eine Liste aus! Wo ist das Problem?!". Durch die zusammen gepressten Zähne kamen die Worte undeutlich hervor und verloren ihre Wirkung. Zaras Hand knallte auf das Lehrerpult. Der Knall ließ Chris zusammen fahren und mit dem Nagelbett seiner Finger spielen.

„Das Problem ist..", zischte Lincoln, der sich von dem wütenden Funkeln der Prinzessin nicht einschüchtern lies, „...das wir dich nicht kennen!"

„Ich bin eure Prinzessin!", wieder schlug Zaras Hand auf den Tisch. Das Holz knarrte warnend.

„Wir leben in einer Demokratie!"

„Die Demokratie der Menschen ist nicht die eure. Ihr gehört nicht zu ihnen!"

„Das ist unsere Entscheidung!"

Zara lachte. Ihr Kopf fiel in den Nacken und die Jungen konnten sehen, wie sich ihre Kehle bewegte unter dem abfälligen Lachen, das die Prinzessin ausstieß. Auf Alainns Armen breitete sich eine Gänsehaut aus und sie fröstelte leicht. Als Zaras Kopf wieder nach vorne schnellte, fixierte sie die Jungen aus schwarzen Augen. Die Symbole tauchten aus ihrer Haut auf, breiteten sich wie ein Geflecht auf ihrer Haut aus. Der Gestank eines Raubtieres verpestete den Raum, während Zara den Jungen zähnefletschend zu lächelte. Langsam stieß Alainn sich von der Wand ab und machte einige Schritte auf die Streithähne zu, um notfalls einzugreifen. Kiran sah ebenfalls die Gefahr einer Eskalation und stellte sich neben Lincoln.

Officium #Wattys2016Where stories live. Discover now