Morgenlicht

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*Alexis POV*

Als Alexis aufwachte, war sie von wohliger Wärme umgeben.  Sie musste irgendwann vor Erschöpfung eingeschlafen sein. Ihre Augen waren geschwollen vom vielen Weinen und ihre Nase war zu.
"Na bist du aufgewacht?" fragte Michael. Er lag mit ihr zusammen auf der schmalen Pritsche und hielt sie mit seinen Armen fest umschlungen.
"Mhm" gab sie nur von sich und vergrub ihr Gesicht an seiner Brust. Sie wollte noch nicht aufstehen. Sie wollte liegen bleiben, sich einfach ein wenig erholen, am liebsten für immer.
" Na komm, gehen wir zum Frühstück bevor es vorbei ist. Mein Magen hängt mir schon in den Kniekehlen." erwiderte Michael und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn. So wie er es schon gemacht hatte, als sie noch Klein gewesen waren. Als er sich von der Pritsche aufrichtete, hörte sie seinen Körper knacken. Stöhnend setzte er sich hin und streckte seinen Rücken durch.
"Oh man. Ich glaube der Boden wäre bequemer gewesen. Wie geht es dir überhaupt? Fühlst du dich in der Lage zu laufen?"
Alexis richtete sich ebenfalls auf. Ächzend hielt sie sich den Nacken. Das Teil war Steinhart. Sie drehte den Kopf vorsichtig etwas hin und her und versuchte alles wieder in Position zu bringen. Sie fühlte sich noch etwas schwach und auch irgendwie hohl, aber ansonsten war es ok. Sie rieb sich über die Augenlider und versuchte die Schwellung etwas rauszureiben.
"Alles ok" murmelte sie. Das war es wirklich. Michael ging es gut. Sie schaute ihn an und ihr kam plötzlich Fragen in den Sinn, an die sie vorher nicht gedacht hatte. " Haben noch andere überlebt? Wer? Und diese weißhaarige Frau, ist sie Freund oder Feind?"
Michael richtet sich zu seiner vollen Größe auf, blickte aus dem riesigen Fenster das sich an der Rückwand des Zimmers befand und kratzte sich am Hinterkopf. "Ein Paar."
Während sie den Namen lauschte die er nannte, blickte sie aus dem Fenster und betrachtete den sagenhaften Anblick der sich ihr bot. Wolken. Sie schwebten über Wolken aus denen ein paar dunkle Felsen heraus ragten. Die Sonne ging gerade auf und malte in Goldtönen über das Wolkenmeer. Der Anblick war einfach wunderschön und befreiend. Sie hätte nie gedacht, dass sie mal auf einem fliegendem Schiff sein würde.
Maya hatte überlebt, stellte sie fest, als Michael ihren Namen nannte. Das war gut. Später würde diese bestimmt mit ihr sprechen wollen. Alejandro auch. Die restlichen Namen sagten ihr teilweise etwas und teilweise nicht. In anbetracht der Tatsache das ihr Dorf fast tausend Wolfsmenschen gezählt hatte, war es ein Witz. Aber besser als Nichts.
Seufzend erhob sie sich. Einen Moment lang war ihr schwindelig. "Geht's?" fragte Michael. "Ja, gehen wir Essen. Ich hab das Gefühl ich hab schon ewig nichts mehr im Magen gehabt"
"Hast du auch nicht. Die Hexe Salbadell, also die weißhaarige Frau, die dich so nett begrüßt hat, hat dir nur irgendwelche nahrhaften Kräutertränke einflößen können. Nachdem wir dich aus dem Fluß gezogen und hierher gebracht haben, hast du Fieber bekommen und deine Lunge wurde krank. Salbadell sagte, das läge daran, weil Wasser aus dem Fluß in deine Lunge gekommen sei. Du hattest drei Tage hohes Fieber. Deine Schulter und Prellungen sind dadurch nur sehr langsam geheilt. Dann hast du zwei weitere Tage einfach nur geschlafen. Und jetzt bist du wach" grinste er.
Alexis fasst sich an die Stirn: " Boah Michael, red nicht so viel, bring mich lieber zum Essen. Ich fühl mich gerade als würde sich voll das Loch in meinen Magen brennen"
"Jaja, verfressen wie eh und je." feixte Michael und öffnete die Zimmertür. Alexis schaute ihn böse an.
Sie gingen gemeinsam einen schmalen und tiefen Gang entlang, bogen ein paar Mal ab, bis sie den Gemeinschaftsraum betraten. Dort waren ein paar schmale Bänke und Tische zusammengeschoben worden, damit man gemeinsam Essen konnte.
Der Raum war warm, auch etwas stickig wegen der vielen Leute und Stimmengewirr erfüllte die Luft. Einige aßen einen merkwürdigen Brei und als sie fertig waren, reichten sie ihre Holzschüsseln an den nächsten weiter.
"Das Geschirr reicht nicht für alle und mit Wasser müssen wir sparsam sein, deswegen können nie alle gemeinsam Essen, allein schon aus Platzgründen. Da wir abrupt Segel gesetzt haben, gibt es nicht sonderlich viele Vorräte, aber immerhin etwas zu Essen. Morgen und Abends gibt es diesen Brei, Mittags eine Suppe. Die Essenszeiten sind fest geregelt, da wir nach den Mahlzeiten die Bänke und Tische wieder an den Seiten stapeln. Wer kräftig genug ist, hilft auf dem Deck, da Schiff zu steuern und es in Schuss zu halten. Es gibt Tag und Nachtschichten, damit wir eine möglichst große Distanz zurücklegen können. Dir wird das noch zwei oder drei Tage erspart bleiben. Salbadell mag zwar nicht gerade freundlich sein, aber wir hätten es wirklich schlimmer treffen können. Die nächsten 10 Jahre werden wir Salbadell beistehen und tun was sie will. Das war die Bedingung für unserer Rettung." erklärte Michael. Er klang dabei so selbstverständlich, dass sie den letzten Satz beinahe überhört hätte.
Unwillen machte sich in ihr breit.
"Sklaven also?" hakte sie nach.
"Ja" atwortete Michael knapp, während er eine Holzschüssel mit etwas Brei an sie weiter reichte.
Alexis setzte sich auf einen Platz der gerade frei geworden war und Michael quetschte sich neben sie. Einen Moment lang starrte sie auf den Brei. Irgendwie hatte ihr diese Information gerade auf den Magen geschlagen. Sie versuchte das ganze logisch zu betrachten. Sie waren mit dem Leben davon gekommen, sie hatten Obdach, Sicherheit und Nahrung bekommen. Waren Zehn Jahre Freiheit dafür ein zu hoher Preis oder ein zu niedriger? Sie blickte sich um. Zehn Jahre...Ein beklemmendes Gefühl beschlich Sie bei der Vorstellung so lange Zeit auf so einen engen Raum miteinander zu leben. Sie war die Freiheit gewohnt, war es gewohnt durch Wiesen, Wälder und Felder zu rennen. Den Duft des Waldes in sich aufzunehmen und den Wind ihre Haut liebkosen zu lassen. Ob sie diese düsteren Räume zehn Jahre lang ertragen würde können?
Michael hatte ihren Blick bemerkt und lächelte sie an. "Warte erst einmal bis du oben an Deck warst, bevor du dir wieder einen Kopf über unnötige Gedanken machst."
Sie zog eine Augenbraue hoch. Sein ernst? Er steckte ihr die zehn Jahre Sklavendasein etwas zu locker weg. Aber gut. Sie aß ihre paar Löffel Brei. Es war nicht sonderlich viel, aber sie war satt. Sie gab wie die anderen vor ihr ihre Schüssel an den nächsten weiter der den Raum betrat. Dann ging sie mit Michael zur Treppe und rauf auf das Deck.
Wind kam ihr entgegen, als sich die Luke öffnete und freudige Erwartung lies ihr Herz schneller klopfen. Sie war noch nie auf einem dieser legendären Luftschiffe gewesen. Wie es oben wohl aussehen würde?
Sie blinzelte etwas um ihre augen an das Licht zu gewöhnen und was sie dann sah ließ ihren Mund offen stehen.
"Komm! Der Ausblick vorne am Bug ist noch viel atemberaubender!" sprach Michael und zog sie nach vorne zum Bug. Als sie da vorne standen, konnte Alexis sich nicht satt sehen. Der Anblick war atemberaubend. Das was sie von ihrer Pritsche aus gesehen hatte, war nichts dagegen gewesen. Sie blickte auf endlose Weiten mit klarem blauen Himmel und einem Wolkenmeer das kein Ende zu nehmen schien. Ein angenehmer Wind wehte und die Sonne malte in den verschiedensten gelb, rot, organge und goldtönen Farben auf die Wolken, dass man das Gefühl hatte, sich auf dem Weg ins Jenseits zu befinden. Am liebsten hätte sie Flügel gehabt und wäre selbst über dieses Meer geflogen.

Der MondgottTahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon