Fort

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Die verbleibende Zeit vergeht viel zu schnell. Die Sonne neigt sich langsam dem Horizont zu als sich das Heer bereitmacht. Ich lehne an einem Tisch in der großen Waffenkammer von Minas Tirith, während Aragorn gerade seine Rüstung anlegt. Zuletzt zurrt er den Gürtel mit seinem Schwert Anduril fest. Er sieht sich suchend um, dann legt er den Kopf schief.

» Wo ist mein Dolch? «, murmelt er. Ein Lächeln huscht über mein Gesicht und ich reiche ihm die Klinge. Es ist jener Dolch, den er von Lord Celeborn o Lórien erhalten hat. Einen Moment starrt er die Waffe an, dann wandern seine Augen zu mir. Ohne den Blick von mir abzuwenden, greift er nach dem Dolch und hängt ihn an seinen Gürtel.

» Oh Lucea, sieh mich nicht so an «, sagt er und nimmt mein Gesicht in seine Hände.

» Wie sehe ich dich denn an? «, frage ich verwirrt. Er lächelt nur ob meiner Unwissenheit und legt seine Lippen auf meine. Was hat er in meinen Augen nur gesehen?

» Es ist Zeit «, meint er schließlich und bietet mir seinen Arm an. Ich nehme ihn und nebeneinander verlassen wir das Schloss und treten auf den Hof hinaus. Die Soldaten warten bereits, manche zu fuß, manche zu Pferd. Rundherum stehen einige Frauen und Kinder. Beim Anblick der vielen Gesichter zieht sich mein Herz zusammen. Aragorn ist gerade im Begriff, sich von mir zu lösen, da umarme ich ihn noch einmal.

» Bitte komm zurück zu mir «, flüstere ich ihm ins Ohr. Er streicht mir über die Wange.

» Ich tue mein Bestes «, erwidert er und drückt mir einen flüchtigen Kuss auf die Lippen. Dann nimmt er Bregos Zügel und schwingt sich auf den Rücken des schwarzen Hengstes. Legolas und Gimli sitzen zusammen auf Hasufel, hinter Éomer klammert sich Merry fest und Schattenfells Rücken teilen sich Gandalf und Pippin. Die beiden Hobbits ziehen mit in die Schlacht? Ich trete zwischen die Pferde und sehe Merry und Pippin abwechseln an.

» Seid vorsichtig ihr beiden «, sage ich und nicke Éomer zu.

» Und ihr auch «, Legolas neigt den Kopf, Gimli grinst und Gandalf zwinkert mir zu. Als letztes erreiche ich Laladriel. Sie sitzt kerzengerade im Sattel und lächelt mir aufmunternd entgegen. Wie zwei alte Freundinnen umfassen wir unsere Hände.

» Pass auf dich auf «, bitte ich und mit einem Blick auf Aragorn setze ich leise hinzu,

» Und achte auf ihn. Ich könnte nicht ertragen, wenn ihm etwas zustoßen sollte «.

» Sollte ich ihn irgendwie schützen können, werde ich das tun «, verspricht die Elbin. Dankbar sehe ich zu ihr hoch. Dabei fällt mein Blick auf den schneeweißen Schimmel, der neben Arod vor und zurück tänzelt.

» Namarië «, Glorfindel neigt den Kopf vor mir, was ich nur erwidern kann. Ich bin nicht mehr fähig, ein Wort zu sagen.

So sehe ich zu wie sich die Reiter ihn Bewegung setzen und – gefolgt von den Fußsoldaten – über die sieben Ringe zum Stadttor reiten. Nicht eine einzige Sekunde lasse ich Aragorn aus den Augen. Als er die Mauern Minas Tirith' hinter sich lässt, beginnt meine Sicht zu verschwimmen. Heiße Tränen rinnen meine Wagen hinab und tropfen zu Boden. Es ist als würde sich eine eiskalte Hand um mein Herz legen und jegliche Freunde heraussaugen. Der Gedanke daran, dass Aragorn nicht widerkehren könnte, lasst mich aufschluchzen.

» Aber, aber «, sagt da eine Stimme neben mir und jemand reicht mir ein Tuch. Als ich meine Tränen getrocknet habe, sehe ich eine kleine, alte Frau dastehen. Das weiße Haar ist zu einem Knoten zusammengebunden, doch die Augen leuchten wie die eines jungen Mädchens.

» Sie werden zurückkehren, mein Kind «, meint die Frau und sieht auf den Pelennor hinunter. Das Heer überquert gerade den Anduin.

» Woher wisst Ihr das? «, frage ich und versuche vergeblich, das Zittern meiner Stimme zu unterdrücken.

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