Erdrückende Dunkelheit

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In der großen Halle ist es stockdunkel und kühle Luft schlägt uns entgegen. Zitternd wringe ich meine Kleider aus. Das Wasser fällt plätschernd zu Boden. Ich prüfe, ob meine Waffen an ihrem Platz sitzen und streiche mir die Haare aus dem Gesicht. Ich höre nur wenige Geräusche. Jeder atmet viel zu schnell. Der Eingang ist von großen Felsbrocken verschlossen, deshalb dringt nicht der kleinste Lichtschimmer herein und ich kann die anderen kaum erkennen. Da glimmt ein Licht auf, es sitzt direkt auf Gandalfs Stab. Der Zauberer, Aragorn und Boromir bewegen sich auf die Treppe zu, die in einen Gang zu münden scheint. Ich werfe Lucea einen Blick zu. Ihr muss der Schreck noch in allen Knochen sitzen. Dieser riesenhafte Tintenfisch wollte zuerst Frodo und dann sie verspeisen. Lucea ist ziemlich tief gestürzt, sie hat sich vermutlich irgendetwas verstaucht, wenn nicht gebrochen. Sie belastet den linken Fuß kaum, doch sie beißt tapfer die Zähne zusammen.

» Ea ilya mi tyelle? «, fragt jemand neben mir. Legolas hält die Sehne seines Bogens noch immer gespannt, als erwartete er jeden Augenblick einen Angriff.

» Annin pen-al «, antworte ich und schenke meinem Bruder ein leichtes Lächeln.

Wir streifen schon lange durch die Hallen Morias. Mein Zeitgefühl habe ich bereits verloren. Es scheint mir Tage her, dass ich die Sonne das letzte Mal gesehen und ihre wärmenden Strahlen auf meinem Gesicht gespürt habe. Meine Gedanken werden immer düsterer und damit scheine ich nicht allein zu sein. Die Gesichter der Gefährten werden immer grimmiger. Der Weg ist beschwerlich, wir müssen unsere Verpflegung rationieren und bekommen kaum Schlaf. Der Marsch durch die Mienen scheint ein Alptraum, ein schier endloser Schlaf von jedem noch so kleinen Geräusch gestört, das hier zu einem hallenden Dröhnen wird. Gandalf und Frodo gehen ganz vorne, während ich das Schlusslicht bilde. Irgendwann kommen wir an eine dreifache Gabelung des Weges. Gandalf, der uns führt, lässt sich nieder. Ich bin für die Pause dankbar. Zwar schmerzen meine Beine nicht, jedoch bin ich müde. Die Dunkelheit scheint mich zu erdrücken. Den Hobbits scheint es den Umständen entsprechend gut zu gehen. Sie klagen nur über schmerzende Füße. Sam teilt jedem etwas Brot aus und setzt sich zu Merry und Pippin. Einen Moment bleibe ich noch stehen und sehe mich mit wachsamen Augen um.

» Wir sollten jeden Augenblick ruhen, den wir dafür haben «, meint Boromir hinter mir. Er sitzt auf einem Stein und trinkt langsam aus seiner Flasche.

» Vermutlich habt Ihr Recht, doch ich möchte möglichst schnell dieser Schwärze entfliehen «, erwidere ich und lasse mich neben dem Krieger nieder.

» Seid Ihr nicht erschöpft? «, fragt er.

» Nicht allzu sehr «, antworte ich und nehme einen Bissen von meinem Brot. Boromir ist der einzige der Gefährten, mit dem ich noch kaum gesprochen habe. Die Worte, die wir gewechselt haben, könnte ich vermutlich an einer Hand abzählen.

» Erlaubt Ihr mir, eine Frage zu stellen? «, ich sehe Boromir an und er nickt,

» Warum habt Ihr Euch den Gefährten angeschlossen, wenn Ihr es nicht gutheißt, den Ring zu zerstören? «. Damit hat er wohl nicht gerechnet. Es verstreichen einige Sekunden bis er antwortet

» Der Ring könnte uns alle vernichten! Wenn ich zu seinem Schutz beitragen kann, will ich das tun. Niemand soll ihn einsetzen, wenn wir es selbst nicht können «. Dann herrscht Schweigen. Ich weiß nicht, was ich sagen könnte, und halte deshalb besser den Mund. Die anderen unterhalten sich leise flüsternd. Niemand wagt es, die ungeheure Stille zu durchbrechen.

» Wenn Ihr gestattet... «, beginnt Boromir schließlich,

» Warum folgt Ihr dem Ringträger? «. Ein Lächeln huscht über mein Gesicht. Diese Frage habe ich mir selbst bereits einige Male gestellt. Bisher bin ich immer zu demselben Ergebnis gekommen.

» Es mag sein, dass sich viele Völker aus dieser Sache heraushalten. Doch betrifft sie nicht uns alle? Es ist die Pflicht jedes Kriegers, sein Land und die darin Lebenden zu schützen. Der Ring ist eine Gefahr für all jene, die noch gute Gedanken haben. Um wenigstens die Aussicht auf eine glücklichere Welt zu haben, muss er vernichtet werden «, erkläre ich.

Dann geht es weiter. Wir stoßen auf Balins Grab. Gimli klagt und auch mein Herz zieht sich zusammen. Ich kannte den Zwerg. Auf der Reise von Thorins Gemeinschaft war er stets ein guter Ratgeber. Plötzlich stößt Pippin ein Skelett in voller Rüstung in einen tiefen Schacht. Ein lautes Krachen ertönt, dessen Echo donnernd durch den Berg hallt und noch lange zu vernehmen ist. Bereits kurz darauf höre ich leise Trommelschläge, die immer lauter werden. Mit ihnen hallt wildes Geschrei durch die Gänge. Unsere Anwesenheit ist nicht unbemerkt geblieben, es musste ja wohl so kommen. Boromir und Aragorn verriegeln in aller Hast die Tür der Grabkammer. Die Hobbits und Lucea werden nach hinten geschickt. Während Aragorn, Legolas und ich unsere Bögen spannen, zieht Boromir sein Schwert und Gimli seine Axt. Uns bleibt nicht viel Zeit, da durchbrechen die Goblins die morsche Tür. Die ersten geraten in den Hagel unserer Pfeile, doch es kommen noch viele weitere nach. Bald lege ich den Bogen beiseite und ziehe meinen Dolch. Geschickt weiche ich den Schlägen der Kreaturen aus und erledige dabei möglichst viele von ihnen. Eine neue Horde Goblins drängt in den Raum und hinter ihnen stampft ein Höhlentroll nach. Er schleudert Boromir und Aragorn zur Seite, die sich jedoch schnell wieder aufrappeln. Legolas führt seinen Bogen blitzschnell und unermüdlich, doch nichts bringt den Troll zu Fall. Nachdem dieser Balins Sarg zerschmettert hat, stellt sich ihm Lucea entgegen. Mit nichts als einem kurzen Messer in der Hand. Sie huscht unter den plumpen Schlägen des Monsters hindurch und sticht ihr Messer in die dicke Haut, wo es nur geht. Dieser Mut nützt ihr allerdings nicht viel. Einmal trifft der Troll, Lucea wird durch den Raum geschleudert und knallt an eine Wand. Irgendjemand ruft nach ihr. Das Ungetüm will sich ihr gerade nähern, da greife ich an. Ein Pfeil trifft den Troll an der Stirn und lenkt seine Aufmerksamkeit auf mich. Ich bleibe ruhig stehen und ziele. Der nächste Pfeil trifft das rechte Auge des Biests und lässt es vor Schmerz aufheulen. Damit ist es jedoch noch längst nicht besiegt. Es wendet sich von mir ab, da es drei der Hobbits entdeckt hat. Sie drängen sich hinter einer breiten Säule zusammen.

» Aragorn! «, ruft Pippin verzweifelt. Ich köpfe einen Ork und durchbohre die Brust den nächsten mit meinem Dolch. Nur langsam komme ich voran, denn immer wieder stellt sich mir ein neuer Gegner in den Weg. Als ich hochsehe, entdecke ich Aragorn am Boden liegen. Frodo rüttelt ihn an der Schulter. Der Troll pflückt einen Speer vom Boden und sticht zu.

» Frodo! «, schreie ich. Es ist zu spät. Die Speerspitze hat sich in seine Seite gebohrt. Auch die anderen rufen nach dem Ringträger und beginnen, sich wütend einen Weg durch die Angreifer zu bahnen. Aragorn erreicht ihn als erster und dreht ihn auf den Rücken. Der Hobbit hustet und setzt sich auf. Unter seinem Hemd kommt etwas Perlweißes zum Vorschein.

» Mithril! «, meint Gandalf,

» Das hat dir das Leben gerettet, mein lieber Frodo «. Erleichtert atme ich auf. Alle sind auf den Beinen, ohne ernsthafte Verletzungen davongetragen zu haben. Zumindest nichts, das sich nicht behandeln ließe. Plötzlich horche ich auf. Lautes Gekreische nähert sich uns.

» Wir müssen hier weg! «, sage ich. Gandalf nickt und läuft los.

» Auf zur Brücke von Khazad-dûm! «, ruft der Zauberer und wir rennen ihm hinterher.



Ea ilya mi tyelle? – Ist alles in Ordnung?

Annin pen-al – Mir fehlt nichts

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