Palantír

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Am nächsten Tag findet ein Fest statt. Zu Ehren der Helden in der Schlacht um Helms Klamm und die Hornburg. Éowyn, Laladriel und ich machen uns gemeinsam fertig. Die Schildmaid Rohans trägt ein hellblaues Kleid, das mit goldenem Stoff verziert ist. Ihre langen, leicht gewellten Haare lässt sie offen. Nur zwei Strähnen steckt sie locker nach hinten. Laladriels Kleid ist mattgrün vorne mit weißen Bändern geschnürt. Um die Schultern zieht sich ein feiner, weißer Stoff, aus dem auch die weiten Ärmel gemacht sind. Ihre Haare flechte ich zu einem Zopf und um ihre Stirn schlingt sich ein ebenso weißer Stirnreif mit einem grünen Edelstein in der Mitte. Ich selbst hülle mich in ein rotes Kleid mit silbernen Säumen. Um meinen Hals liegt das Medaillon. Meine Haare lasse ich offen, aber Éowyn und Laladriel bestehen darauf, mir eine Frisur zu machen. Also machen sie sich ans Werk und stecken einige Strähnen mit silbernen Haarnadeln am Hinterkopf fest. Anschließend geht es zum Fest, das in der großen Königshalle von Edoras stattfindet. Zu dritt betreten wir den Saal, der bereits jetzt gut gefüllt ist. Wo das Auge hinblickt, stehen Menschen zusammen, unterhalten sich, essen und trinken. Die Stimmung ist ausgelassen und fröhlich. Nicht wie bei Festen in Bruchtal. Dort geht es nicht so laut zu und auch nicht so wild. Éowyn gesellt sich zu ihrem Onkel und ihrem Bruder, während Laladriel und ich uns auf die Suche nach den anderen Gefährten machen. Merry und Pippin haben wir schnell gefunden, die beiden sitzen an einem reich gedeckten Tisch und halten Bierkrüge in den Händen. Sie prosten uns verschmitzt zu, als sie uns sehen. Legolas und Gimli finden wir bei einer Art Trinkspiel. Die Elbenprinzessin entschließt sich, besser hierzubleiben und etwas auf die beiden aufzupassen. Keine schlechte Idee, denn Gimli taumelt bereits leicht hin und her. Den Zwerg scheint das allerdings überhaupt nicht zu stören. Ganz im Gegenteil, er amüsiert sich köstlich.

Ich streife weiter durch die Menge und entdecke Gandalf nach einer Weile. Ich kann noch immer nicht fassen, dass er tatsächlich nicht tot ist. Oder nicht mehr. Der weiße Zauberer steht auf seinen Stab gestützt da und beobachtet das Treiben um ihn herum. Ich dränge mich zu ihm durch und lehne mich etwas erschöpft an eine der Säulen neben ihm.

» Geht es dir wieder besser? «, fragt Gandalf, woraufhin ich nicke.

» Ich kann mich nicht beklagen, aber ich glaube, ich muss einmal an die frische Luft «, sage ich und halte nach einer Tür Ausschau.

» Geh nur, ich halte hier die Stellung «, meint der Zauberer lächelnd und bedeutet mir freundlicherweise die Richtung, da ich etwas hilflos den Kopf recke. Also kämpfe ich mich zwischen den Rohirrim hindurch und erreiche das Hauptportal nur langsam. Zwei Wachen öffnen mir das Tor. Sobald ich draußen stehe und einige Schritte getan habe, atme ich einmal tief durch. Im Festsaal steht die Luft ja beinahe, deshalb bin ich nicht besonders scharf darauf, wieder hinein zu gehen. Stattdessen laufe ich um das Herrscherhaus herum. Dahinter befindet sich ein kleiner Garten. Dort ist es ruhig, die Geräusche des Festes dringen nur gedämpft nach draußen. Edoras liegt still und verlassen da, eng an den Hügel geschmiegt. Der Mond wird von dunklen Wolken verdeckt, nur hier und da blitzt das Licht eines Sternes hervor. Ich weiß nicht, wie lange ich an jener Stelle stehe, doch mit der Zeit fröstle ich etwas. Der Herbst beginnt, den Sommer langsam zu verdrängen, die Blätter der Bäume und das Gras verfärben sich langsam und der Wind wird kühler.

In diesem Moment streicht eine Hand über meine Schulter und ertönt eine Stimme hinter mir.

» Ist dir nicht kalt? «, fragt sie sanft und die Person, der sie gehört, tritt neben mich. Ich wende den Kopf zur Seite, obwohl ich auch so weiß, wer es ist. Aragorn hat die Hände hinter dem Rücken verschränkt und blickt zum Himmel empor. Seine kinnlangen Haare flattern in der leichten Böe. Ein Lächeln huscht über mein Gesicht und meine Schulter kribbelt angenehm warm. Ein seltsames Gefühl ist das.

» Nein «, flüstere ich nur. Der Wind wird nun stärker und zerrt an meinen Haaren und an meinem Kleid. Ich kann nicht verhindern, dass eine Gänsehaut über meinen Körper zieht und mich zittern lässt. Mit einem Mal legt sich ein Arm um meine Schultern. Ich blicke hoch und sehe direkt in Aragorns funkelnde Augen. Er lächelt leicht, seine Hand umfasst zögerlich die meine und ich lege sie an seine Brust. Der Erbe Isildurs ist mir nun so nah, dass beinahe nichts mehr zwischen uns gepasst hätte. Sein Kopf ist leicht zu mir geneigt und unsere Gesichter sind nicht mehr weit voneinander entfernt. Seine Lippen kommen den meinen immer näher. Ein warmer Schauer nach dem anderen läuft meinen Rücken hinab und das Kribbeln ist beinahe überall, wo Aragorn mich berührt. Gerade in dem Moment, als sich unsere Lippen fast berühren, tönt eine Stimme zu uns herüber.

» Aragorn, er ist hier! «, ruft Legolas und taucht nur einen Augenblick später aus den Schatten auf. Aragorn und ich fahren auseinander und Elb und Mensch laufen los. Ich folge ihnen mit raschen Schritten, den Blick gesenkt und mit tausend Fragen im Kopf. Was war das gerade? Waren wir wirklich so knapp davor, uns zu küssen? Doch das ist im Moment nicht wichtig, Legolas klang erschrocken und drängend. Wer ist dieser "Er", der hier sein soll?

Wenig später stürzen wir in ein Zimmer mit mehreren Betten. Augenblicklich erregt eine leuchtende Kugel meine Aufmerksamkeit, die zu brennen scheint. Pippin hat sie in die Höhe gereckt und stolpert unkontrolliert durch den Raum. Merry schreit aus voller Kehle und Gandalf verfolgt den Hobbit mit der mysteriösen Kugel. Aragorn erreicht Pippin als erster und reißt ihm das Ding aus der Hand. Sofort geht er in die Knie, seine Augen flattern einen Moment und er fällt zu Boden, wobei ihm die Kugel aus der Hand rollt. Legolas macht einen Satz zurück, als wäre sie giftig. Der Zauberer wirft ein Tuch über das Rund und geht neben Pippin in die Hocke. Der arme Hobbit liegt völlig erschöpft am Boden und starrt mit unnatürlich weit aufgerissenen Augen an die Decke. Legolas hilft Aragorn auf, während ich mich neben Merry setze. Der Braunhaarige kauert auf seinem Bett und sieht Pippin entsetzt an. Ich nehme ihn vorsichtig in die Arme.

» Was ist denn hier los? «, fragt Laladriel und tritt durch die Tür. Ihr Kleid hat sie etwas hochgerafft. Vermutlich, um besser rennen zu können. Gandalf murmelt leise vor sich hin und hält Pippins Hände.

» Das Palantír, Pippin hat hineingesehen «, antwortet Legolas anstatt des Zauberers. Seine Schwester zieht scharf die Luft ein.

» Was ist ein Palantír? «, frage ich leise.

» Sie werden auch die sehenden Steine genannt. Es gibt sieben davon und sie werden verwendet, um zu sehen, was anderorts geschieht... «, erklärt Laladriel und setzt sich zu uns.

» Aber woher hat Pippin denn dieses Ding? «, frage ich weiter. Laladriel wiegt den Kopf hin und her

» Die beiden sind mit Aragorn in den Orthanc gelaufen. Da haben sie das Palantír gefunden und mitgenommen. Mithrandir hat es an sich genommen, aber es scheint, als hätte die Neugier der Hobbits zugeschlagen «. Merry lacht kurz auf und wimmert dann wieder vor sich hin. Ich erinnere mich an diese schwarze Kristallkugel. Sie lag auf einem Marmortisch in der Nähe des Thrones von Saruman. Schnell schüttle ich den Kopf, um diesen Gedanken loszuwerden. Die Gefährten haben Pippin in ein Bett verfrachtet und ihn zugedeckt. Der arme Kerl ist noch immer ganz starr vor Schreck. Aragorns Blick kreuzt den meinen, doch ich wende meine Augen schnell von ihm ab. Ich weiß nicht, was ich denken soll.

» Ich muss sofort mit Théoden sprechen «, erklärt der Zauberer und begibt sich zur Tür. Aragorn, Legolas und Laladriel folgen ihm. Ich bleibe in dem düsteren Raum und leiste mit Merry Pippin Gesellschaft.

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