Der Rat

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~Lucea~

Das Fest ist in vollem Gange. Ich habe schon einmal mit meinem "Großvater" getanzt und stehe nun am Rand des Geschehens und beobachte die Elben, Menschen und Zwerge um mich herum. Plötzlich steht Aragorn vor mich. Ich zucke unmerklich zusammen, als mich seine graublauen Augen genau mustern. Er trägt ein dunkles Gewand, dessen Saum mit Goldfäden eingefasst ist. All das lässt ihn stattlich erscheinen, noch mehr als sonst. Sanft fragt er

» Würdest du mit mir tanzen? «. Dies sind die ersten Worte, die wir seit Langem miteinander wechseln. Ich lächle zaghaft und lege meine Hand ihn seine, die sich mit entgegenstreckt. Er führt mich auf die Tanzfläche, wo sich etliche andere Paare im Takt wiegen. Vorsichtig, als könnte ich zerbrechen, legt er seine Hand an meine Hüfte und wir beginnen, uns zu drehen. Es ist ein langsameres Lied. Anfangs betrachte ich die anderen Pärchen. Arwen und Haldir zum Beispiel, die eng umschlungen mehr oder weniger auf der Stelle stehen. Die beiden sind ein so schönes Paar und meine Ziehmutter glücklich zu sehen, lässt es mich auch sein. Nach einer Weile gehört meine volle Aufmerksamkeit Aragorn, der seinen Blick keine Sekunde von mir abwendet. Das Stück geht viel zu schnell zu Ende. Aragorn lässt mich los und ich möchte mich gerade umdrehen, da zieht er mich noch einmal zu sich und flüstert

» Ich habe dich vermisst, pîn táva «. Einen Moment erlaube ich mir, mich an ihn zu lehnen. Pîn táva ist seit jeher sein Spitzname für mich. 'Kleine Tanne' bedeutet es. Dieser Name hat zwei Ursprünge. Zum einen, weil er mich damals unter einer hohen Tanne fand. Zum anderen, weil meine Augen die Farbe von Tannennadeln haben. Zumindest beschreibt er sie so. Aragorn ist wohl der Einzige, der diesen Namen kennt und benutzt. Ich bin froh darüber, es war schon immer unser kleines Geheimnis. Just in diesem Augenblick erinnere ich mich an so viele Dinge und darüber vergesse ich das betretene Schweigen, das lange zwischen uns herrschte.

» Ich habe dich auch vermisst «, erwidere ich. Fast hätte ich ihn aus alter Gewohnheit "Estel" genannt, unterlasse es aber. Er heißt nun nicht mehr so. Als sich seine Hände endgültig von mir lösen, bleibt nur ein seltsames Kribbeln zurück. Ich sehe ihm noch nach bis er in der Menge verschwindet. Aus dem Augenwinkel bemerke ich Gandalf. Der graue Zauberer sieht zu mir herüber und stützt sich nachdenklich auf seinen Stab.

Ich mache mich gerade auf den Weg in mein Zimmer, da werde ich noch einmal zurückgehalten. Ich drehe mich um und sehe Elrond vor mir. Er legt mir eine Hand auf die Schulter und meint

» Lucea, ich muss mit dir sprechen «. Sein Tonfall lässt mich erschrecken und ich frage mich instinktiv, ob irgendetwas geschehen sein mag.

» Worum geht es? «, frage ich so ruhig wie möglich. Elrond lächelt

» Gandalf und ich haben uns überlegt, dass du morgen am Rat teilnehmen solltest «.

» Sollte ich das? «, murmle ich und warte auf eine Erklärung oder etwas dergleichen, aber nichts geschieht. Also nicke ich nur verblüfft.

» Gut «, schließt mein "Großvater" und wünscht mir eine gute Nacht.

Am nächsten Morgen erwache ich wie immer früh. Der Rat findet gleich nach dem Frühstück statt, doch ich bin zu aufgeregt, um etwas zu mir zu nehmen. In meinem Kopf wirbeln so viele Fragen umher, auf die ich mir selbst keine Antwort geben kann. Warum soll ich am Rat teilnehmen? Was wird wohl besprochen? Was ist mit dem Einen Ring? All diese Gedanken lassen mir keine Ruhe. Ich stehe auf und suche mir ein Kleid aus dem Schrank aus. Ich trage eigentlich immer ein Kleid, außer ich reite aus oder gehe in den Wald. Der Anlass scheint mir wichtig zu sein, deshalb wähle ich ein edles, aber möglichst unauffälliges Kleid. Es ist so dunkelgrün, dass es beinahe schwarz scheint. Vor der Brust wird es mit goldenen Bändern geschnürt. Die Ärmel sind lang und anliegend und der Rock reicht nicht ganz bis zum Boden. Nachdem ich mich fertig angezogen habe, kämme ich meine Haare. Ich stecke sie in einem lockeren Knoten hoch, doch einige Strähne befreien sich daraus und fallen mir ins Gesicht. Da es bis zur Versammlung noch eine Weile dauert, begebe ich mich doch in den Speisesaal. Dort sind bereits alle auf den Beinen. Es wird nur leise gesprochen. Ich knabbere an einem Stück Brot herum, um wenigstens etwas im Magen zu haben. Ich bin viel zu sehr mit meinen Gedanken beschäftigt, um irgendetwas um mich herum richtig wahrzunehmen. Deshalb bemerke ich auch die fünf Hobbits nicht, die sich zu mir gesellen.

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