Geschichte

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~Laladriel~

Am nächsten Morgen setzt Gandalf seinen Plan, Pippin fortzubringen, in die Tat um. Der Zauberer begibt sich bereits bei den ersten Sonnenstrahlen in die Stallungen Edoras'. Der mehr oder weniger ahnungslose Hobbit trottet gutmütig hinter ihm her und unterhält sich mit Merry.

» Schattenfell «, begrüßt Gandalf den schneeweißen Hengst, der freudig schnaubt.

» Komm, Pippin «, meint er und hebt den Halbling auf den Rücken des Mearasfürsten. Pippin sieht Merry mit großen Augen und schüttelt die rotbraunen Locken.

» A...aber Merry, du kommst doch bald nach, oder? «, fragt er seinen besten Freund unsicher. Der zweite Halbling senkt den Kopf und vermeidet es, den anderen anzusehen. Währenddessen schwingt sich der weiße Zauberer auf das nicht gezäumte Pferd und nickt mir zu.

» Mae mentië, Mithrandir «, sage ich zum Abschied und lege Merry eine Hand auf die Schulter, um ihn aus dem Weg zu manövrieren. Keine Sekunde zu früh, denn Gandalf treibt Schattenfell eilig an und dieser setzt sich augenblicklich in Bewegung. Mit wenigen langestreckten Sprüngen hat er den Stall verlassen und ist kaum noch zu sehen.

» Auf Wiedersehen «, flüstert der Hobbit neben mir niedergeschlagen.

» In Minas Tirith wird Pippin sicherer sein als hier «, erkläre ich aufmunternd,

» Die Palantíri sind gefährlich, denn Sauron selbst sieht durch sie. Deshalb muss dein Freund hier weg «. Merry nickt

» Ich weiß, er ist einfach zu neugierig...aber auch mein allerbester Freund, weißt du? «. Während unseres kurzen Gesprächs bewegen wir uns aus dem Stall hinaus. Merry löst den Blick keine Sekunde vom Stadttor etwas unterhalb der Unterbringung der Pferde. Edoras ist nicht besonders groß. Abgesehen von der Halle Meduseld und den Stallungen, gibt es noch ein Wirtshaus und viele kleine Häuser, aus deren Schornsteinen unaufhörlich grauschwarzer Rauch qualmt. Das ist nicht verwunderlich, denn die Nächte hier sind nicht sehr warm.

» Laladriel, Merry! «, ruft jemand und ich hebe den Kopf, während meine Augen sorgsam in der Umgebung herumhuschen. Aragorn steht oben an der Treppe vor der Tür zum Thronsaal. Der Waldläufer winkt mich zu sich. Merry folgt meinem Blick und im selben Augenblick ertönt das Horn, das immer um die Mittagszeit erschallt.

» Geh nur «, meint er,

» Ich habe keinen Hunger und komme schon zurecht «. Der Hobbit macht noch immer einen ziemlich niedergeschlagenen Eindruck wie er sich auf den Aussichtsturm nahe dem Stadttor zubewegt. Ich lasse ihn ziehen, er braucht Zeit für sich.

Aragorn wartet auf mich und tritt von einem Fuß auf den anderen, als ich die Treppen zu ihm emporsteige.

» Ist mit Merry alles in Ordnung? «, fragt er besorgt. Ich nicke nur und folge dem Erben Isildurs durch die große Halle in den Speisesaal. Der lange Tisch ist zum Teil bereits besetzt. Lucea, Legolas, Gimli, Éowyn, Éomer, Théoden und einige andere haben Platz genommen. Der König bildet den Kopf der Tafel, seine Schwesterkinder je rechts und links von ihrem Onkel. Sobald die Anwesenden unser Eintreten bemerken, erheben sich die Herren. Das ist so Tradition, wenn eine Dame in den Raum kommt. Ich setze mich neben meinen Bruder, gegenüber von Gimli. Aragorn schnappt sich den Stuhl neben mir, gegenüber von Lucea. Ich bemerke die angespannte Situation zwischen den beiden deutlich und frage mich, wieso sie es vermeiden, sich in die Augen zu sehen. Doch Legolas' und Gimlis scherzhaftes Gezanke lenkt mich davon ab. Die beiden scheinen sich für einen Zwerg und einen Elb prächtig zu verstehen. Auch wenn sie ständig versuchen, den anderen zu übertrumpfen. Ihr Wetteifer ist mir natürlich nicht entgangen. Bei ihrem Anblick schweifen meine Gedanken plötzlich zu Kíli. Der jüngere Neffe von Thorin Eichenschild hat mir in Zeiten der Not geholfen und im Gegenzug habe ich sein Leben einige Male gerettet. Ich erinnere mich gerne an die Reise zum Erebor zurück, die noch nicht einmal so lange her ist. Thorin war lange König des Einsamen Berges, doch nun sitzt bereits der älteste Sohn von Fíli auf dem Thron. Er selbst und sein Bruder haben sich zur Ruhe gesetzt und verbringen ihren Lebensabend in Frieden. Schnell schüttle ich den Kopf, um den nächsten Gedanken zu vertreiben. Als ich aufsehe, bemerke ich, dass Luceas Blick auf mich gerichtet ist. Die Dunkelhaarige scheint mein kurzes Abschweifen erkannt zu haben.

» Du hast schon viele Reisen hinter dir, richtig? «, fragt sie lächelnd. Ich nicke nur zur Antwort.

» Erzählst du uns etwas davon? «, fragt sie ehrlich interessiert weiter. Aus dem Augenwinkel nehme ich die Königsfamilie wahr, die mit dem Essen aufhört.

» Oh ja, erzählt uns davon «, bittet Éowyn wie ein kleines Kind und Éomer nickt bestärkend. Ich richte mich etwas auf und ignoriere den eigenartigen Blick meines Bruders.

» Nun gut «, willige ich ein und beginne, zu erzählen,

» Es ist schon viele Winter her, da reiste ich mit meinem Bruder in den Norden. Unser Vater erteilte uns den Auftrag, die Waldläufer zu suchen. Einen ganz bestimmten unter ihnen «, ich erwidere Aragorns verschmitztes Lächeln,

» In einer kühlen Nacht wurden wir Wargen überrascht. Es war nur eine Handvoll, doch wo Warge sind, sind auch Orks nicht weit. Das dunkle Gezücht kam auch bald herbei und griff uns ebenfalls an. Es waren einfach zu viele, um sie nur zu zweit zu besiegen und der es stand nicht gut für uns. Vielleicht wären wir auch heute nicht hier, wären uns nicht einige der Grauen Schar zur Hilfe geeilt. Ein Waldläufer namens Halbarad führte sie und rettete uns somit das Leben. Tatsächlich stellte sich heraus, dass die Meute ein kleines Dorf etwas weiter nordwestlich überfallen wollte. Hätten die Ork ihre Deckung nicht verlassen, um uns anzugreifen, wäre es den Dorfbewohnern schlecht ergangen «. Einen Moment spreche ich nicht weiter. Gimli murmelt irgendetwas Unverständliches vor sich hin, das wohl an Legolas gerichtet ist. Mir entgeht keines Weges, dass mir die meisten am Tisch aufmerksam zuhören. Vor allem Lucea scheint gespannt auf den Fortgang der Geschichte. Aragorn indes mustert die Dunkelhaarige einige Male, um sich dann schnell wieder seinem Teller zu widmen.

» Halbarad begleitete uns schließlich zu einer Siedlung der Dúnedain, nachdem er hörte, wen wir suchten. Aragorn war zu dieser Zeit nicht in der besten Verfassung, aber wir hatten ihn nach langem Suchen gefunden «, fahre ich fort.

» Ohne eure Heilkunst wäre ich ganz bestimmt nicht so schnell genesen «, meint eben jener schmunzelnd und entlockt auch mir ein leises Lachen.

» In der Tat. Deine Wunden zeigten, dass man sich eben nicht mit einem Höhlentroll anlegen soll, wenn man alleine durch die Gegen streift «, erwidere ich mit leicht tadelndem Unterton. Lucea reagiert darauf mit einem erschrockenen Innehalten und wirft dem Dúnadan einen äußerst besorgten Blick zu. Immerhin sehen sie sich wieder an, denke ich mir und lächle in mich hinein.



Mae mentië – Gute Reise

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