Aufbruch nach Moria

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» Eine trostlose Gegend «, flüstere ich meinem Bruder zu, der neben mir dahinstapft. Das Wasser des Sees ist pechschwarz und ich würde nicht wagen, es zu trinken.

» Da ist es «, ruft Gandalf und klopft mit seinem Stab an die steinerne Wand vor ihm. Es klingt hohl, was darauf schließen lässt, dass dies die Zwergentür ist. Tatsächlich erkenne ich in dem wenigen Licht, das Gandalfs Stab spendet, elbische Buchstaben.

» Sprich, Freund, und tritt ein «, liest Frodo stockend vor.

» Das haben wir gleich «, sagt Gandalf. Er hebt die Arme und murmelt einen Zauberspruch. Es scheint nicht ganz zu funktionieren. So bleibt es auch. Lange stehen wir gespannt um den Zauberer herum und warten darauf, dass sich die Türe öffnet. Doch nichts geschieht und so verteilen wir uns etwas. Der Ringträger, Sam, Lucea und Boromir setzen sich, während Legolas, Aragorn und ich ruhelos umherwandern. Merry und Pippin vertreiben sich die Zeit des Wartens damit, Steine über die Wasseroberfläche springen zu lassen. Dicht am Wasser wächst eine niedrige Weide, deren Blätter Großteils verwelkt und abgefallen sind. Meine Finger gleiten über den Stamm und die morsche Rinde bröckelt unter ihnen. Irgendetwas gefällt mir hier ganz und gar nicht.

» Das ist es! Ein Rätsel! «, ruft der Zauberer plötzlich aus. Frodo legt den Kopf nachdenklich schief und betrachtet die eingemeißelten Buchstaben.

» Sprich Freund und tritt ein...Was ist das elbische Wort für Freund? «, fragt der Hobbit.

» Mellon «, antwortet Gandalf. Sobald die letzte Silbe verklungen ist, knackt es, als würde ein Schloss aufspringen. Dann schwingen die beiden Torflügel auf und wir stehen einer noch tieferen Dunkelheit gegenüber, als der Nacht hier draußen. Gandalf und Aragorn marschieren auf der Stelle los. Misstrauisch verharre ich einen Moment vor der Tür, die Hobbits mit mir. Da steigt mir ein Geruch in die Nase, der mir einen Schauder den Rücken hinunter jagt.

» Aragorn! Legolas! «, zische ich und habe sofort ihre Aufmerksamkeit.

» Riecht ihr es nicht? «, frage ich und deute in die Dunkelheit. Legolas runzelt die Stirn, dann werden seine Augen groß.

» Das ist der Tod «, sagt er tonlos. Aragorn dreht sich zu Boromir, der zusammen mit Gandalf etwas weiter in die Halle getreten ist. Die beiden stehen vor einer Treppe.

» Das ist ein Grab! «, ruft der Sohn Gondors entsetzt. Erst jetzt bemerke ich die Skelette. Sie sind überall auf dem Boden. Mir macht ein solcher Anblick eigentlich nichts mehr aus, aber jetzt muss ich mich einfach abwenden. Ich drehe mich zu den Hobbits um und entdecke die schwarze Schlange.

Blitzschnell wickelt sie sich um Frodos Bein und reißt ihn zu Boden. Ich kann nicht schnell genug reagieren, da liegt der Hobbit schon schreiend im Wasser. Noch mehr Schlangen kommen aus dem See gekrochen, winden sich über den Kies. Ich ziehe meinen Dolch und lasse ihn auf eines dieser Dinger niedersausen. Merkwürdigerweise zucken alle zurück, als gehörten sie zusammen... In diesem Moment taucht ein riesiger Kopf aus den Fluten auf.

» Aragorn! «, brüllt Frodo, der durch die Luft gewirbelt wird. Ich reiße meinen Bogen von der Schulter und lege einen Pfeil an die Sehne. Hektisch suche ich nach einem Ziel. Das Monster hat so viele Stellen, die getroffen werden könnten. Wahllos bestimme ich das Ziel und lasse den Pfeil los. Er sirrt durch die Luft und durchbohrt den Tentakel, der Frodo gepackt hält. Ein lautes Brüllen dröhnt durch die Luft und das Monster zieht einige seiner Arme zurück. Frodo lässt es dennoch nicht los. Da sind Aragorn und Boromir zur Stelle. Mit gezogenen Schwertern gehen sie auf das Ungetüm los. Auch Legolas schießt einige Pfeile ab, viel richten diese jedoch nicht aus. Da hebt das Monster Frodo über seinen Kopf und öffnet das mit messerscharfen Zähnen gespickte Maul. Ohne lange nachzudenken ziehe ich meinen Dolch und wate ins Wasser. Schon nach wenigen Fuß reicht es mir bis zu den Knien. Sobald mir einer der schwarzen, schleimigen Tentakel zu nahe kommt, macht er Bekanntschaft mit der Klinge meines Dolches. Mit Leichtigkeit trennt sie den einen oder anderen Arm des Monsters ab. Nichts desto trotz tauchen immer mehr Tentakel auf. Boromir schneidet kurzerhand den Arm durch, der Frodo gepackt hält. Dieser stürzt und wird von dem Krieger aufgefangen. Schnell sehe ich mich um. Außer Aragorn und mir ist nun niemand mehr in Reichweite des Ungetüms.

» Laladriel, komm schon! «, ruft Aragorn und hechtet ans Ufer. Dort scheucht er die Hobbits und Lucea durch das Tor. Ich folge ihm so schnell wie möglich.

Vorbei ist es jedoch nicht. Ein Fangarm saust durch die Luft. Ich ducke mich gerade rechtzeitig darunter hinweg, doch das Ding packt nun Lucea und schleift sie über den Boden Richtung Wasser. Sie schreit auf und wehrt sich, doch weitere Arme wickeln sich um ihren Bauch und ihre Beine und machen sie mehr oder weniger bewegungsunfähig. Sie strampelt wild, doch das nützt gar nichts.

» Lucea! «, brüllt Aragorn. Als sie an mir vorbeigezogen wird, springe ich kurzerhand auf den Tentakel und klammere mich fest. Mit dem Dolch beginne ich, Tentakel für Tentakel durchzuschneiden, damit unsere Gefährtin freikommt. Wie es scheint, ist das Monster nicht dumm. Es hebt uns beide gerade in dem Augenblick in die Höhe, in dem ich die letzte Fessel durchtrenne. Lucea stürzt viele Fuß hinunter. Aragorn kann sie nicht mehr auffangen, sie schlägt mit voller Wucht auf das Kies im seichten Wasser auf. Bevor mich das Ding packen kann, springe ich ab und laufe hinter Aragorn her, der Lucea mit sich zieht. Die Fangarme wuchern hinter uns her und prallen gegen das Tor. Immer wieder und wieder bis die ersten Steinbrocken fallen. Ihnen folgen immer mehr und begraben die Tentakel unter sich. Zugleich verschließen sie jedoch den Eingang. Nun bleibt uns nichts anderes übrig, als durch Moria zu gehen. In die Dunkelheit und Ungewissheit.

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