7~Raziel der Rebell

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Ich hatte Alpträume.
Ich hatte immer Alpträume.
Ich erinnerte mich nicht an eine Nacht, in der ich nicht von Erinnerungen, Erlebnissen oder einfach von Ängsten gequält worden wäre.
Immer wenn ich die Augen zu machte, und mich die Dunkelheit umhüllte, kamen sie.
Es fühlte sich so real an, ich wusste dass es ein Traum war, und dennoch spürte ich die Kälte der Dämonen auf meiner Haut, die nach mir griffen und die flüsternden Stimmen der brennenden Titanen.
Ich versuchte mich tiefer in meinen Verstand zurück zu ziehen, doch die Träume folgten erbarmungslos.
Ich drehte mich unruhig auf dem Bett, selbst im Traum klang das knarzen des Holzes zu mir durch, und vermischte sich mit meinen hallenden Schritten in der Dunkelheit.
Ich spürte die Angst, wie sie mir den Rücken hinauf kroch und mich zu lähmen schien.
Ich warf den Kopf hin und her, im Gedanken sie ab zu schütteln, doch die Kälte hatte mich fest im Griff.
Plötzlich spürte ich noch etwas.
Jemand versuchte in meinen Kopf zu gelangen.
Sämtliche Alarmglocken aktivierten sich, und ich versuchte meine Mauer auf zu fahren, doch in mentalen Dingen war ich schon immer schlechter gewesen, als ich jagte.
Ohne grosse mühe, aber dennoch ohne mir Schaden zu zu fügen, drang das helle Wesen in meinen Kopf ein, und ich spürte wie ich sanft gepackt wurde.
Eigentlich hätte es Panik in mir auslösen sollen, ich hätte mich wehren sollen, aber das tat ich nicht.
Es war warm, erhellte meinen Traum und liess die Gestalten zurückweichen, während ich langsam weiter gezogen wurde, auf eine andere Traumebene.
Ruhiger, friedlicher.
Ich fühlte mich geborgen in dem Licht, hielt mich daran fest, aus Angst dass wenn es verschwand, dass die Dunkelheit zurück kehren würde.
Doch behutsam, beinahe sanft, löste es sich von mir, und zog sich aus meinem Kopf zurück, sodass ich sofort die schwindende Wärme wahrnehmen konnte.
Und trotzdem blieb der schöne Traum.
Ich träumte vom Wald, den rauschenden Flüssen in den Bergen in denen ich nie war und von Alice und Mace, wie wir lachend im Schulbus sassen.
Ich schlief ruhig durch, und als ich am nächsten Morgen aufwachte, hatte ich mich noch nie so ausgeruht gefühlt.
Ich blinzelte und setzte mich im Bett auf, die raue, erwärmte, Bettdecke über meinen Beinen und sah mich um.
Raziel sass auf dem Boden, seinen Mantel hatte er ausgezogen, sodass ich die Ledernen Waffengurten erkennen konnte, die sich über seine starke Brust spannten.
Von den Zeichnungen der anderen, die hin und wieder aufblitzten, war nicht die Spur zu erkennen.
Seine hellen Augen waren konzentriert auf das leuchtende Schwert gerichtet, von dem er mit einigen Bewegungen eines merkwürdigen hellblauen Lappen, die roten Sprenkel abwischte.
Seine Haare waren zerzaust, aber sahen trotzdem so aus als hätte er stunden damit verbracht, sie zu stylen.
"Alles gesehen?"
Seine Stimme war verschlossen, beinahe so wie gestern, was mich verwirrte, da er anscheinend zu schwanken schien.
Ich konnte mir einen roten Touch auf meinem Gesicht nicht verkneifen, es war mir unangenehm, das er bemerkt hatte wie genau ich ihn beobachtet hatte.
Ihn schien das nicht wirklich zu interessieren. Nur dezent demütigend.
Da ich nicht imstande war zu antworten, fügte er, ohne eine Miene zu verziehen oder den Blick von seinem Schwert zu heben hinzu.
"Das Frühstück steht auf dem Tisch, Alice hat es gebracht als du noch geschlafen hast."
Ich zwang meinem Blick von ihm ab zu wenden, was mir schwerer fiel als ich es annehmen wollte, und lief zum Tisch, wo ich mir den Pappteller mit dem, eher mageren Frühstück, schnappte.
Dann sah ich an mir hinunter, ich trug noch die Kleidung von gestern.
Stirnrunzelnd blieb ich stehen, bevor ich mich zögerlich ihm gegenüber auf den Boden setzte und ohne Kommentar begann zu essen.
Den Blick hatte ich auf das wunderschöne, mit Licht gespeiste Schwert gerichtet, aber nahm dennoch wahr, wie sich seine Mundwinkel leicht anhoben, was in mir das abrupte Gefühl von Gestern auslöste.
Wir sassen eine Weile schweigend da, ich hatte ihn stundenlang bei seiner Arbeit beobachten können, auch wenn ich teilweise von seinem Oberkörper abgelenkt wurde.
Doch als ich den Teller längst fertig gegessen und neben mich gestellt hatte, war er endlich fertig, zog seinen Mantel an und steckte das Schwert in seine Halterung.
Dann richtete er seinen intensiven Blick auf mich, und hob fragend die Brauen.
Ich brauchte etwas das mich von seinen Augen ablenkte, die mich an das kristallklare, leicht blaue Wasser eines Gletschersees erinnerten.
„Wieso bist du hier?"
Fragte ich dann direkt. Diese Frage ging mir nunmal nicht aus dem Kopf.
„Sagte ich doch schon. Um dich am Leben zu halten, was du alleine ja nicht sonderlich gut hinbekommst."
Ich schnaubte.
„Ich meine es ernst. Bitte sag es mir."
"Mein Auftrag beinhaltet Respekt vor dir, natürlich. Doch da ich derjenige bin, der die Verantwortung trägt, darf ich mir keine Fehler erlauben, also sollte ich dir nichts näheres erzählen.
Das würde den Göttern nicht gefallen."
Ich grinste möglichst herablassend.
„Tust du immer was sie dir sagen?"
Lachte ich und sein Blick hob sich.
„Immer." antwortete er todernst und ich hörte überrascht auf zu lachen.
„Oh. Okay." verlegen kratzte ich mich am Nacken.
„Und was passiert wenn du es nicht tust?"
Er zuckte die Schultern, währen er seine Hände behutsam auf dem kalten Boden abstützte.
"sag schon!"
Forderte ich neugierig, es gab so viel das ich nicht wusste.
Er war wie ein verschlossenes Buch, welches mir ab und zu eine Seite hinaus reichte.
Aber ohne den Zusammenhang mit den übrigen Buchseiten, verwirrte es mich nur noch mehr, und bestätigte meine Vermutung, dass Razhiel wahrscheinlich das Wort "Geheimnis", erfunden hatte.
Sein Grinsen wurde schwächer, aber seine Augen schienen zu glühen.
"Du willst es wirklich wissen, oder?"
Ich nickte eifrig mit dem Kopf, worauf er beinahe lächelte, dann jedoch abrupt wieder ernst wurde.
"Gut."
Er nickte und fügte etwas mehr in Gedanken hinzu.
"Die Konsequenzen sind tragbar."
Den letzten Satz liess mich kurz zögerte, aber meine Neugier überschattete die wirren Worte, die mich sowieso bloss wieder aus dem Konzept gebracht hätten.
„Sag mir, wieso du hier bist, Raziel."
"Na gut, Arya."
Wie er den Namen aussprach, es versetzte mir eine Gänsehaut.
Beinahe melodiös, sanft und leicht, noch nie hatte ich auch nur ein annähernd so schönes Wort gehört.
„Ich bin hier, weil die Götter sich einst gegen ihre Eltern, die Titanen verschworen haben. Sie schickten sie in die Verbannung, eine Zwischenwelt, für Niemand anderen betretbar, in welcher sie für die Ewigkeit schmoren sollten und in ihrer eigenen Zerstörung leben sollten.
Doch wie du bestimmt mitbekommen hast, ist alles an einen Anker gebunden. Nichts passiert einfach so."
Ich nickte. Oh ja, ich wusste nur zugut wie es gewesen war, das Buch mit meinem und Deamons Blut zu öffnen und dadurch die Zerstörung auf die Welt freizulassen. Zum Glück war es und aber gelungen, Azrael noch rechtzeitig aufzuhalten.
Schlussendlich hatte Raziel dem abtrünnigen Engel dann den Gar ausgemacht und alles hatte ein Happy End gegeben. Abgesehen davon dass ich fast gestorben war, Deamon mich verwandelt hatte und ich ihn dann für immer weg geschickt hatte.
„Es gab nur eine Möglichkeit für die Titanen, zurückzukehren. Und die Götter dachten sich einen Anker aus, der niemals hätte entstehen dürfen.
Ein Wesen, welches die Menschen, die Dämonen und die Engel in sich vereint. Ein unmögliches Vorhaben, welches sie auch mit allen Mitteln becshützen. Deswegen war es so streng verboten, dass Engel und Menschen Kinder bekamen.
Doch jetzt bist du da. Und du bist ein Mensch. Jedoch hast du auch Engelsblut in dir. Und, wie du wahrscheinlich schmerzhaft spürtst, bist du auch ein Dämon. Dank dir, Arya, haben sich die Tore geöffnet und die Titanen sind wieder frei."
Setzte er in seiner Erzählung fort und ich starrte ihn nur geschockt an.
„Aber dann schliessen wir das Tor eben mit einem anderen Anker wieder!"
Er schüttelte den Kopf.
„Solange alle drei Seiten in dir existieren, ist das nicht möglich. Und nicht einmal die Götter wissen, wie sie einen Teil entfernen könnten. Jetzt weisst dus."
Er lehnte sich etwas zurück, als wartete er auf etwas.
Ich wollte gerade wieder ansetzen, etwas zu sagen, als er gequält das Gesicht verzog und begann keuchend zu Atmen. Dann presste er die Hände gegen seinen Kopf und wand sich.
"Oh mein Gott."
Murmelte ich und sprang auf, während er sich ebenfalls erhob und zurück taumelte, seine Augen leuchteten hell und ich hatte die Hand vor den Mund gepresst.
Ich wusste nicht was ich tun sollte, jedes mal wenn ich näher kommen wollte, hielt er mich mit eine Blick zurück, der sich jeweils für eine Sekunde aufklärte.
Schliesslich rief ich den Erstbesten der mir einfiel.
Raphael! Raphael!
Ich warf seinen Namen in den Raum und füllte soviel Erschrockenheit mit hinein wie ich konnte.
Keine Sekunde später stürmte er hinein.
"Was ist los Arya?"
Er drehte den Kopf zu mir und scannte mich sogleich auf Verletzungen ab, doch ich schüttelte bloss so heftig den Kopf, sodass meine Haare um mich herum flogen.
"Er!" Rief ich mit rauer Stimme.
Sein Blick wanderte zu Raziel, der mittlerweile verkrampf auf dem Boden kniete, das Gesicht stur auf den Boden gerichtet, einen rebellischen Ausdruck in den Augen.
Raphael entspannte sich merklich und seufzte.
"Hat er es dir also doch erzählt."
Ich nickte schnell und wollte zu einer Entschuldigung ansetzen als er abwinkte.
"Er hört dich nicht, geistlich ist er bei den Göttern, das ist ihre Art zu bestrafen, wenn wir die Regeln des Auftrags brechen.
Eigentlich machte er das bisher wenig, aber wenn, dann bleibt der Sturkopf bis zum Ende standhaft.
Letztes mal hat er neun Stunden durch gehalten."
"Bevor er was getan hat?"
Ich schauderte und Raphael grinste locker.
"Bevor er sich entschuldigt hatte."
Mein Blick wanderte zu Razhiel und ich schluckte, er hatte diese Schmerzen wegen mir.
"Nein hat er nicht."
Ich zuckte zusammen, erst jetzt viel mir wieder ein dass meine Mentale Abwehr sich ja noch aufbauen liess.
"Er mag es, sie zu provozieren, er war schon immer der grösste Schwachkopf von uns gewesen.
Aber da er auch ihr Liebling ist, werden sie ihn wohl kaum abziehen."
Er zuckte seelenruhig die Schultern und legte eine Hand ab meinen Rücken, um mich zu meinem Schrank zu führen.
"Abziehen?"
Ich sah ihn entgeistert an, das Wort hörte sich in mir nach ganz vielen Schmerzen an.
"Das ist kompliziert."
Wie oft hatte ich das Wort jetzt schon gehört? Die Erzengel schienen einfach darauf versessen zu sein, mir kein bisschen mehr als das Nötigste zu verraten, dass ich neugierig wurde.
Noch immer geschockt über Razhiel und verwirrt über Raphaels Gelassenheit liess ich mich von dem innerlich kämpfenden Engel weg führen.
"So, ich hab dir neue Kleidung mitgebracht, die alten Dinger sind wirklich nicht zu gebrauchen."
Meinte Raphael grinsend, und wies mich an die Tür zu öffnen.
Eigentlich wäre ich lieber bei Razhiel um mich an die tausend Male bei ihm zu entschuldigen, aber Raphael sah allem so gelassen entgegen, und seine Anwesenheit beruhigte mich.
Also atmete ich langsam aus und öffnete den Schrank.

Jup jup, was denkt ihr zu diesen Göttern und Titanen? Bin gespannt darauf!
Still loving you
Tala

Teufelsengel *beendet*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt