~2~ Falle

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Ungläubig starrte ich sie an, sie stand auf und humpelte zu mir, um sich vor dem inzwischen wieder einigermassen lebendigen Tawaqif zu entfernen.
Ich war disqualifiziert, alles was ich bis hier hin erarbeitet hatte war zunichte gemacht, und das nur weil ich ihr geholfen hatte, und sie nicht herzlos hatte verrecken lassen.
Den Bogen liess ich in der Hand baumeln, während Mace nun ausser Atem dazu stiess und nicht einmal zwei Sekunden brauchte um zu begreifen.
"Nein", sagte er und schüttelte den Kopf.
Mitfühlend sag er zu mir und ballte die Hände zu Fäusten, doch das half mir jetzt auch nicht mehr.
Alles war weg, wenn ich die Prüfung nicht bestand, was war ich dann? Das hatte es bis jetzt noch gar nie gegeben, und erst recht nicht bei einer Tochter von zwei Spitzen Jägern, ich hatte sie enttäuscht, und alle anderen noch dazu.
Wütend krallte ich die Nägel in meine Handfläche und versuchte durch den aufkommenden Schmerz wieder zu mir zu kommen.
Doch noch immer schwebte in mir nur der Gedanke herum, dass ich alles umsonst gemacht hatte, die erste Jägerin die in ihrer Prüfung versagt hatte.
Da nützte mir wahrscheinlich auch die Tatsache dass ich Erika vor dem gefressen werden bewahrt hatte nicht mehr all zu viel.
"Duuuu hassssst veeeerlooooreeen kleeeiner Eeengeel", wisperte der Tawaqif und ich erkannte Freude in seiner Stimme, falls er überhaupt imstande war das zu fühlen.
Die Wörter wiederhallten in mir und suchten jede Zelle heim, um es auch überall und an jeder Stelle in mir zu verbreiten.
Doch meine Zellen wehrten sich. Sie wollten es nicht wahrhaben, und wenn doch, dann musste ich wenigstens noch das zu Ende bringen was ich begonnen hatte.
Ich hob den Blick und sah dass er verschwunden war, doch ich liess mch nicht mehr abschütteln.
Es war das letzte was mir im Moment noch Halt gab, ich brauchte die Gewissheit wenigstens den Dämonen getötet zu haben, bevor ich wie auch immer meines nicht vorhandenen Amtes enthoben wurde.
"Arya lass es, komm, Klaus wird sonst ungeduldig", Mace legte mit sanft ene Hand auf die Schulter und versuchte mich wohl so auf seine Art zu trösten.
Erika war schon längst weg, und ich hätte gerade einiges gegeben um sie wieder...nein das stimmte nicht.
Selbst wenn ich noch tausend Mal die Wahl hätte, ich würde sie immer retten, jedes Mal, es war einfach dass was mir richtig erschien, und dass liess ich mir nicht von einer Regel verbiegen.
Ich sah zu Mace, vielleicht hatte er ja Recht und ich sollte es jetzt gut Sein lassen, aber irgendwie war mein mulmiges Gefühl noch nicht vorbei.
Im nächsten Moment ertönte ein schriller Schrei, ich spürte die Angst förmlich und konnte die Panik in der Stimme schon fast schmecken.
Doch es war nicht eine der Stimmen die ich kannte, oder die des Tawaqif, sondern...
"Menschen", das Wort war mir zu schnell über die Lippen gekommen, sodass Mace mich verwirrt ansah, aber anhand von seiner Gänsehaut auf den gebräunten Armen sah ich, dass er den Schrei ebenfalls gehört hatte.
"Arya denk nicht einmal dran, du weisst doch dass du jetzt schon in Schwierigkeiten steckst", er sah mich bittend an, in seinen Augen entdeckte ich ehrliche Sorge, was mich zwar rührte aber nicht von dem Entschluss abbrachte den ich gefasst hatte.
Wenn ich sowieso schon disqualifiziert war, und eine Regel gebrochen hatte, dann fiel diese Tat auch nicht mehr gross ins Gewicht.
"Es sind Menschen hier! Ich weiss zwar nicht wieso oder wie, aber es sind genau dieses Leute die wir beschützen wollen ok? Wenigstens dass könnte ich noch in bekommen", ich sah ihm stur in die Augen, er sollte erkennen wie wichtig es mir war, denen zu helfen die jetzt in Lebensgefahr schwebten.
Doch an seinem Blick konnte ich ablesen wie sehr er sich dagegen sträubte und rannte einfach alleine los, wer auch immer in Schwierigkeiten steckte, würde nicht mehr all zu viel Zeit haben.
Stolpernd rutschte ich einen Abhang hinunter und zog eine kleine Lawine aus Blättern und Erde mit mir, während ich an Wurzeln oder Ästen Halt suchte und dann mit einem grossen Sprung auf der Landstrasse landete, die vielen Leuten als Jogging-Route oder Wanderweg diente.
Der Boden war zwar nicht hart aber fühlte sich auch nicht mehr an wie der Wald, sodass meine Schritte sich nun nicht mehr hinter den Gewohnheiten des Dickichts verstecken konnten.
Also blieb ich vorerst stehen um mich kurz zu orientieren.
Aber ich konnte nur den leichten Nebel auf der anderen Seite des Weges ausmachen und die dunkeln Baumkronen die sich über die Strasse beugten, als ob sie sie vor dem Licht des Mondes abschirmen wollten.
Dann sah ich auch schon die Frau.
Sie hatte einen hautengen Jogging Anzug an und die weissen Kopfhörer baumelten an ihrem Hals, während ich die Musik bis zu mir hören konnte.
Der Tawaqif grinste, und bleckte seine dunkeln Zähne, de eher wie spitze, aneinander gereihte Nadeln aussahen.
Ich spannte den Bogen, die Frau hatte ihn sowieso schon gesehen, also konnte es mir egal sein.
Ihre Augen zeigten blankes Entsetzen und die Erkenntnis, die ich eigentlich niemals sehen wollte.
Aber es war zu spät, sie würde nun mit dieser Last leben müssen, und das nur wegen einem kleinen Fehler.
Den ich jetzt wieder gut machen wollte.
Dieses Mal würde ich nicht warten mit schiessen.
Ich atmete langsamer, die Bewegungen der Blätter waren nur noch in Zeitlupe wahr zu nehmen, ich hörte mich atmen und das rasende Klopfen meines Herzens.
Alles andere verschwamm, ich schloss ein Auge und zielte.
Ich sah nun nur noch mein Ziel, welches ich über den braunen Pfeil hinüber fixierte.
Seinen Kopf.
Die Wut in mir wallte wie jedes Mal auf, wenn ich kurz davor war ab zu schiessen. Jedes Mal erwartete ich sie, denn sie gab mir immer wieder erneut die Sicherheit den Pfeil los zu lassen, und in den Dämonen keine menschlichen Wesen zu erkennen.
Ich liess los, die Sehne klang und schwang leise hin und her, während ich dem Pfeil nachsah und mich aufrichtete, meine gebückte und gefasste Haltung aufgab.
Und meine Pfeile verfehlten ihr Ziel nie, das war auch dieses Mal so, er bohrte sich in den Schädel des Dämons und dieser begann zu zucken, Seine roten Augen glühten au und aus seinem Mund strahlten helle, fast goldene Strahlen, während er zurück taumelte und sich lautlos krümmte.
Dann erklang ein Schrei, der mir durch Mark und bein ging, nicht mehr wie die anderen Schreie der Angst, sondern ein Schrei von Rache.
Er hatte sich mich gemerkt, und er wollte Rache, unbedingt.
Dann begann schwarzer Staub an ihm hinunter zu rieseln und riss die Gestalt mit sich, bis der Tawaqif schliesslich in Form von einer Staubwolke vom Wind davon getragen wurde.
Mein Atem beruhigte sich und ich strich mir die Haare aus er Stirn, die vor Schweiss überall klebten.
Dann sah ich schluckend zu der Frau hinüber. Was sollte ich hetzt machen? Hingehen und ihr alles erklären? Ihr sagen sie wäre verrückt und das nichts stimmte was sie gesehen hatte? Das wir einen Film drehten?
Ich wusste es nicht, noch nie waren wir darauf vor bereitet worden einen Menschen über uns und diese parallele Welt auf zu klären.
Also lächelte ich ihr flüchtig zu und hoffte sehr dass sich ihr Leben durch dieses Ereignis nicht all zu sehr veränderte.
Dann zog ich mir die Kapuze über den Kopf und sprang wieder los, die Böschung hoch und verschwand im Schatten, sodass ich wieder, regelmässig atmend durch den Wald rannte.
Ich folgte den zerdrückten Blättern und Zweigen, sie führten mich zurück zu der Lichtung, auf der wir gestartet waren.
Den Weg dort hin lief ich schneller zurück als ich eigentlich wollte.
Ich hatte Angst darüber nach zu denken was passieren könnte und desto schneller ich dort war, desto weniger Zeit blieb mit für das Ausdenken von irgendwelchen Folgen.
Als ich die mondbeschienene Lichtung betrat waren die anderen bereits dort versammelt, und starrten mich erwartungsvoll an.
Klaus hatte sich zu Erika gekniet, die schwer atmend, und äusserst dramatisch auf dem Baumstamm sass und die anderen standen herum, die Waffen weg gelegt und nicht sehr glücklich.
Ich blieb stehen und liess meinen Blick von einem zum anderen schweifen.
"Er ist tot, und die Frau lebt noch."
Es schien mir das wichtigste zusammengefasst zu sein und so sahen es auch die anderen, sie atmeten aus und Alice umarmte mich, bevor sie mir ernst in die Augen sah.
"Keine Sorge ich weiss alles", flüsterte sie und mein Blick fixierte Klaus der mich nachdenklich und mit einem versteinerten Blick ansah.
Ich schluckte und schloss die Augen, erst jetzt spürte ich das brennen in meinen Muskeln, und die Müdigkeit in meinen Gliedern.
Jetzt wo das Adrenalin verschwand, spürte ich die eigentliche Anstrengung und meine Beine wurden weich.
Aber die Nacht war noch keinesfalls beendet, und ich würde sie wohl oder übel durchhalten müssen.

Teufelsengel *beendet*Where stories live. Discover now