8~Das Ende der Erde

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Ich staunte nicht schlecht, als ich mich in den neuen Sachen in dem halb kaputten Spiegel in meinem mickrigen Zelt betrachtete.
Raphael stand mehr als zufrieden hinter mir und betrachtete sein Werk, während ein leichter Windstoss die hellen Federn seiner Flügel in Bewegung versetzte.
„Ja, ich wusste doch es würde dir stehen."
Meinte er und ich liess die Hand an dem engen Leder hinuntergleiten.
Ich trug ein enges Oberteil mir einer Schnürung am Rücken, das ganze natürlich aus gegerbtem Leder, welches sich jedoch keinesfalls unbeweglich anfühlte.
Viel eher gab es mir Halt in jeder Position die ich einnahm. Die Hose war aus schwerem Stoff, einen braunen Gürtel dazu, an dem meine üblichen Kampfsolche steckten.
Ich war jetzt zwar ein verrückter Hybrid-Mischling aber trotzdem fühlte ich mich sicherer mit meinen alten Waffen. Bei ihnen wusste ich wenigstens, dass ich sie wirklich unter Kontrolle hatte.
„Es ist echt toll. Danke dir, Raphael."
Sagte ich und schlüpfte in die schwarzen Riemenstiefel, die mir zusätzlichen Halt auf dem unebenen Boden verschafften. Als wäre alles massgeschneidert nur für mich erschaffen worden.
„Gerne. Ich wollte der erste sein, und so übertreffe ich die Kreationen der anderen."
Er nickte zufrieden und wandte sich dann um.
Ich linste fragend an ihm vorbei, da ich nicht wirklich etwas gehört hatte.
Raziel kam um die Ecke des Schrankes und hatte wieder einen kühlen Gesichtsausdruck. Jedoch konnte ich ein schelmisches Glitzern in seinen Augen ausmachen, was mich irgendwie faszinierte.
Abgesehen davon natürlich, dass er ein Erzengel war.
„Wow, eine halbe Stunde. Du hast dich auch schon besser gehalten."
Kommentierte Raphael und kassierte einen Flügelstoss seines nichtverwandten Bruders.
Engel waren nicht verwandt, sie waren alle von den Göttern einzeln geschaffen worden. Trotzdem sah ich sie als grosse, verrückte Familie an.
„Klappe. Sie hatten nicht all zu viel Zeit und sagten ich solle mich besser auf den Auftrag konzentrieren, bevor sie mich abziehen würden."
Raphaels Brauen schossen ehrlich überrascht in die Höhe.
Er murmelte etwas und Raziel nickte finster.
Dann fiel sein Blick auf mich und er legte den Kopf etwas schief.
Seine Hände ballten sich zu Fäusten und sein Kiefer spannte sich an, während er seinen Blick an meinem Körper entlang gleiten liess, dass mir ganz heiss wurde.
Ich lief rot an und hätte beinahe gefragt, ob ich ihm gefiel. Doch zum Glück kam mir Raphael davor.
„Ist gut gekommen, oder?"
Raziel schnaubte nur und verliess das Zelt ohne einen weiteren Satz zu verlieren.
Das Metall seiner Stiefel rasselte, sein Mantel aus Leder, den er über die beiden Gurte an seinem freien Oberkörper trug, wehte hinter ihm her.
Etwas enttäuscht starrte ich ihm hinterher.
„Wow. Nett."
Kommentierte ich dann möglichst desinteressiert und trocken, als ich mir Raphaels Blicken bewusst wurde.
„Er mag es."
Meinte dieser nur fröhlich und lief dann ebenfalls raus.
„Wenn ja dann hat er eine komische Art, das zu zeigen." murmelte ich leise und folgte den beiden Engeln dann.
Die Blicke der anderen Jäger, die sie mir noch immer gerne zuwarfen, waren mir egal.
Dafür kamen jetzt Alice und Mace Händchen haltend auf uns zu.
Beim Anblick der beiden Engel leuchteten ihre Augen wie bei kleinen Kindern, wenn sie an Weihnachten Geschenke öffneten.
„Arya!"
Rief Alice fröhlich und strich ihre geschnittenen Haare hinters Ohr. Da sie aber etwas zu kurz waren, glitten sie gleich wieder nach vorne.
Ich umarmte meine einzige Freundin und begrüsste auch Mace, der etwas schweigsamer die Waffen der Engel musterte, die nur schweigend hinter mir standen.
„Es ist mir eine Ehre, euch kennen zu lernen."
Meinte Alice dann mit einer leichten Verzückung in der Stimme und hielt dann ein Honigglas hoch.
„Als Geschenk."
Raphael, der bisher eine kühle und respekteinflössende Stille bewahr hatte, taute augenblicklich auf und schnappte sich das Glas.
„Opfergabe angenommen." murmelte er und machte sich über die goldene, süsse Flüssigkeit her.
Raziel verdrehte nur die Augen und musterte Mace und Alice weiterhin distanziert.
„Wow, er ist ja wirklich kalt."
Flüsterte mir Alice laut zu, sodass er es selbst dann gehört hätte, wenn er nicht ein Erzengel gewesen wäre.
Daraufhin zuckte ein winziges Lächeln über seine Lippen.
„Oh ja, das ist er." stimmte ich ihr finster zu. Sofort war das Lächeln verschwunden.
Alice blinzelte verwirrt aber schien dann ihre eigenen Schlüsse zu ziehen und nickte verstehend.
„Wenn du magst, wir beerdigen Matteo, den Jäger der heute...gefallen ist. Komm doch auch."
Zweifelnd neigte ich den Kopf zur Seite.
„Ich weiss nicht ob sie mich da haben wollen." merkte ich an und sie nickte niedergeschlagen.
„Sie verschliessen die Augen davor, aber ich weiss was du für uns getan hast und sehe dich als eine Heldin an, Arya."
Meinte sie dann ernst und gab mir einen Kuss auf die Wange, bevor sie Mace an der Hand wieder mit sich zog.
„Ein kleiner Wirbelwind, die Kleine, was?"
Mampfte Raphael und ich betrachtete belustigt das leere Glas.
„Ja...ich kenne da noch so jemanden."
Zustimmend wies er mit den klebrigen Finger auf Raziel.
„Oh ja, ein klarer Fall."
Ich prustete los und er stimmte mit ein. Raziel schwieg und hob die Grauen Augen gegen Himmel.
Vielleicht ein Stummer Hilferuf.
Naja, er wurde mich trotzdem nicht so schnell los.
Und irgendwie war mir das auch recht.
Soso.
Ich zuckte zusammen.
„Raziel! Hör endlich auf..."
Er hob angespannt einen Finger.
„Shh!"
Ich schnaubte empört.
„Wag es nicht mir das zu sagen! Du sollst dich gefälligst aus meinem Kopf raushalten, hast du das endlich kapiert?"
Ich baute mich vor ihm auf, was vermutlich nicht einmal so lächerlich aussah, da ich es wirklich ernst meinte.
„Ich sagte du sollst still sein, verdammt."
Raziel stiess sich hinter mich und im nächsten Moment raste etwas durch den Wald, direkt auf mich zu.
Etwas schwarzes, schnelles, es hörte sich wie ein Windstoss an, nur das Knacksen der Zweige verrieten es.
Mit voller Kraft spurtete es auf Raziel zu, der sich in den Boden stemmte und es mit einem Knall abwehrte, sodass das schwarze Etwas zu Boden fiel.
Ich linste hinter seinem Rücken hervor und entdeckte einen Tawaqif, der sich langsam aufrappelte und sich die Seite rieb.
Die leeren Augen auf mich gerichtet.
„Ganz ruhig. Ich wollte nur etwas Ssssspasss haben."
Ich hob eine Braue.
„Was tust du hier? Hat Luzifer dich geschickt?"
Er nickte und humpelte auf seinen knochigen Beinen auf mich zu. Den kahlen Kopf gehoben und die spitzigen Zahnreihen zu einem Lächeln entblösst.
„Ssso issst esss."
Zischte er und Raphael trat angeekelt näher.
„Wow, bist du ein hässlicher Kerl."
Der Tawaqif deutete eine Verbeugung an.
„Ich danke euch, Herr Engel."
„Erzähl, ich will die Neuigkeiten hören!"
Forderte ich ihn auf und er strengte sich an, bevor es ihm wieder einzufallen schien.
„Nicht die hellsten Sterne unter dem Mond, was?"
Fragte Raphael leise grinsend.
„Ssseid nicht ssso ungerecht, Herr Engel. Ich habe die halbe Erde bereissst im Auftrag des Herrn Luzifer. Um deine Armee zu besssorgen."
Ich nickte. Ja daran erinnerte ich mich.
„Und?"
Er kratzte sich mit den langen Klauen am Kopf und ein fauliger Geruch stieg auf.
„Sschlechte Nachrichten. Wie ess ausssieht, sssind die Titanen unsss einen Schritt vorausss. Viele der Völker sssind vollsständig ausssgerottet und dazu noch unzählige Menschenkreaturen."
Er leckte sich über die Lippen und kicherte wieder so unheimlich wie damals, als meine Geschichte gerade erst ihren Anfang genommen hatte.
„Was? Sie sind alle tot?"
Raphael schüttelte den Kopf.
„Es gibt viele magische Kreaturen auf diesem Planeten, sie können unmöglich alle ausgelöscht worden sein."
Der Tawaqif zuckte mit den Schultern.
„Doch sssoo issst esss, Herr Engel. Überzeug euch ssselbssst!"
Mit klopfendem Herzen schüttelte ich den Kopf.
Das durfte doch nicht wahr sein. Millionen Wesen tot wegen einigen Titanen?
Unterschätze sie nicht. Sie sind älter als alles hier und böse.
Michael stand neben mir, sodass ich mich heftig erschreckte und beinahe gegen Luzifer stiess, der vergeblich versuchte, noch etwas Honig aus dem leeren Glas zu klauben.
„Das verzeihe ich dir nie."
Meinte er dann angepisst zu Raphael, der entschuldigend die Finger ableckte.
Dann traf auch noch Gabriel ein und stiess den zischenden Tawaqif etwas zur Seite.
„Schick deine eklige Kreatur zurück in die Hölle, Luzifer, bevor ich das für dich tue."
Der Engel mit den roten Augen rollte die Augen und tätschelte dem Tawaqif dann den Kopf, wie man es einem Hund tun würde.
Dann löste er sich in rotem Nebel auf und als dieser mir der Luft verflog, war das Vieh weg.
„Also, ich denke wir haben etwas zu besprechen. Mal wieder."
Meinte Gabriel und stützte sich auf seinen Schwertknauf.
Ich drehte mich um, als ich zwei Jäger bemerkte, die auf ein Handy starrten und geschockt tuschelten.
„Ihr da! Gebt mir das Handy, ich will sehen was los ist."
Ich hatte jetzt keine Zeit für Freundlichkeit und ehrlich gesagt auch keine Lust. Das Erste war eher eine Ausrede.
Als ich auf sie zulief drehten sie das Handy von mir weg.
„Verpiss dich, Dämonen Schlampe, du hast hier überhaupt nichts mehr zu sagen. Auch nicht wenn dir die Engel allesamt die Schuhe lecken."
Ich wusste dass es meiner Familie nicht erlaubt war, in die Geschehnisse der Erde so einzugreifen, auch wenn Raphael so aussah als würde er es gerade nur all zu gerne tun.
Ich hob eine Braue und sah den Jungen finster an, der das Handy weg stecken wollte.
„Ich habe sehr wohl etwas zu sagen. Und wenn ich sage du sollst mir das verdammte Ding geben, dann tust du das!"
Meine Stimme klang donnernd und die bekannte Macht breitete sich wie eine Stärkung in meinem
Körper aus.
Als meine Augen zu leuchten anfingen, wich er etwas zurück.
Ich hob die Hand und das Handy flog direkt hinein.
Verstört sah der Junge von seiner Hand zu mir und fluchte dann leise.
„Gib mir das zurück!"
Ich wischte mit der Hand und er wurde zurück auf die Wiede geschleudert, von der er fluchend aufsprang.
„Dafür habe ich jetzt wirklich keine Zeit."
Meinte ich nur und lief mit meiner Eroberung zurück zu den Engeln, die mehr oder weniger geduldig dastanden und das ganze Geschehen beobachtet hatten.
„sehr gut gemacht, Arya."
Lobte mich Luzifer und ich lächelte ihm ironisch zu. Meine Nerven waren am Ende und die Neuigkeiten, die ich gehört hatte, wollten einfach nicht in meinen Kopf.
Doch als ich das Handy in die Mitte hielt, rutschte mir das Herz in die Hose. Und jegliche Hoffnung noch mit dazu.
Jeder Sender, den ich antippte, zeigte das Gleiche.
Chaos, Unordnung und Panik.
Ich schnappte nur Wortfetzen auf, sogar die Moderatoren schienen in hellem Aufruhr zu sein.
Ich hörte Dinge wie, Massenmorde, Übernatürliches Geschehen, Alienüberfälle und toter Erde.
Doch die Bilder, die darauf folgten sagten mehr als tausend Worte.
„Ach du..."
„Scheisse." beendete Luzifer meinen Satz.
Satellitenbilder zeigten die Erde. In ihrer vollen Grösse.
Da waren grüne Flächen, in Süd und Nordamerika.
Doch der Rest der Welt war braun. Leblos braun, sogar das Meer schien verschmutzt zu sein, und dieses faulende Braun breitete sich mit jeder Live Übertragung weiter aus.
Ein Gewitter ungesehener Grösse tobte über den Ländern, die bereits vernichtet worden
Waren.
Es wurde von Milliarden Toten gesprochen. Von der Ausrottung der Menschheit und von der Staatskrise.
Ich liess das Handy sinken und starrte die Engel an.
„Wieso haben die Götter das Geschehen lassen? Das waren Millionen von Menschen und Tieren, der ganze Planet scheint irgendwie..."
„Zu sterben."
Gabriel nickte und knackste mit dem Nacken.
Seine langen Haare glänzten als hätte er gerade die Weltbeste Spülung benutzt.
„Die Götter wenden sich von der Erde ab, Arya."
Fassungslos starrte ich ihn an.
„Aber...aber wieso?"
Stammelte ich und die Engel sahen sich betreten an.
„Sie können an jedem Ort eine neue Erde, neues Leben mit neuartigen Geschöpfen und Seelen schaffen. Jeder Tote steigt in den Himmel auf, ihre Seelen gehen nicht verloren. Grösstenteils jedenfalls."
Begann er und Michael führte seine Erzählung weiter.
„Die Erde wurde zu einem Kriegsplatz verwandelt. Die oberste und einzige Priorität die die wir und alle die noch Leben haben, ist, die Titanen zu vernichten. Die Erde ist sowieso verloren, doch wenn es uns gelingt, die Titanen zu besiegen, können die Seelen des Himmels eine neue Welt bevölkern."
Ich schüttelte perplex den Kopf.
Das war eine Nummer zu gross für mich.
Die Welt, wie ich sie kannte, würde aufhören zu existieren?
Ja. Sie wird vollständig vernichtet. Entweder mit, oder ohne die Titanen.

Eine krasse Wendung oder? Wie steht ihr zu der Erfahrung, dass die Erde nur noch als Schlachtfeld benutzt wird? Könnt ihr das irgendwie mit der heutigen Realität verbinden?
Love you und seid gespannt auf den weiteren Verlauf!
Love
Tala

Teufelsengel *beendet*Where stories live. Discover now