~5~ In der Falle

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Schweigend packte ich die Tüte aus und öffnete sie. Andrea hatte meinen Geburtstag doch nicht vergessen.
Ein Muffin mit einer 18 und zwei Dolchen aus Marzipan waren darauf, umgeben von etwas verschmierter Schlagsahne.
Ich lächelte leicht, es bedeutete mir viel, und ich beschloss es gleich zu Anfang zu essen, das Brötchen konnte ja noch warten.
Als ich die Füllung auf der Zunge schmeckte, fühlte ich mich wie auf Wolken, die Schokolade schmolz mir auf der Zunge und hinterliess ihren unvergesslichen Geschmack.
Mit grossen Bissen verspeiste ich den Rest des Muffins und das Lächeln wollte nicht mehr ab meinem Gesicht verschwinden.
Ich war schon fast voll als ich mein belegtes Brötchen auspackte, und mich etwas an den Gesprächen am Tisch beteiligte.
Es war die Normalität, die Abwechslung, die uns Jägern so gut tat. In unserem Haus war alles darauf eingestellt, im nächsten Moment von Dämonen überrannt zu werden. Hier nicht. Hier war es normal und eben...menschlich.
Jedenfalls bis ich meinen Blick durch die Mensa schweifen liess.
Über die Gesichter die sich unterhielten und herzhaft in ihr Mittagessen bissen.
Bis ich an etwas hängen blieb, welches sich von den hundert Schülern in der Mensa abhob.
Bis ich seine grünen Augen sah.
Sie stachen hervor wie eine Murmel unter Holzspänen und ich konnte den Blick nicht abwenden. Es war als veränderten sich die Lichtreflexionen darin und wurden gespeichert, so sehr leuchteten sie.
Niemand bemerkte sie, nur ich, denn sie sahen mich von dem Schatten des Ganges her an, durch die geöffneten Türen der Cafeteria.
Ich zögerte, aber wenn es ein Dämon war, und dabei war ich mir ziemlich sicher, dann musste ich ihn töten, bevor er jemandem hier drinnen noch Schaden zufügen konnte.
"Bin gleich wieder da...oder nein warte, ich lass den Nachmittag ausfallen und geh nach hause, mir ist nicht gut."
Alice kaufte es mir nicht ab, vertraute mir aber genug um zu nicken und einen Kommentar ab zu geben, wie blöd es doch sei an seinem Geburtstag krank zu sein.
Ich verabschiedete mich schnell von den anderen, einige erwiderten den Abschied, andere nickten und wieder andere reagierten nicht.
Doch im Moment war mir das egal, ich suchte die leuchtenden Augen, fand sie jedoch nicht.
Da es zu auffällig wäre, jetzt wieder hin zu sitzen, lief ich langsam, den Blick umher schweifend, durch die Mensa und kam an dem vermöbelten Jungen von vorhin vorbei.
Plötzlich schnellte ein Bein von ihm vor und ich bemerkte es trotz meiner Reflexe zu spät.
Ich stolperte und flog Richtung Boden, ich war mir sicher dass ich mehr als eine gebrochene Nase davon tragen würde.
Doch dann stoppte ich. Mitten in der Luft, verhartte eine Sekunde dort und wurde nach hinten auf die Beine gerissen.
Eine unsichtbare Macht, ich spürte wie sie mich aufgefangen hatte, aber genau wie der Junge, der mich angsterfüllt und schockiert ansah, wusste ich nicht woher sie kam.
Langsam wurde mir unwohl, hier ging es mit komischen Dingen zu und her und ich überlegte nun wirklich nach Hause zu gehen.
Stolpern und schneller als vorhin verliess ich die Mensa, und gelangte auf den ruhigen Gang, wo meine Schritte unnatürlich laut zu widerhallen schienen.
Mein Kopf begann vor Nervosität zu Pochen und das Buch drückte schwer an der Innenseite meiner Tasche, die ich nun eng umklammert hielt.
Ich spürte die Dolche in meiner Jacke und das Messer in meinem Schuh, ohne Waffen ging ich nie ausser Haus.
Während ich über den Schulhof eilte, der leer tausend mal friedlicher wirkte als voll, und auch um einiges ungefährlicher, fühlte ich mich verfolgt.
Ich zwang mich nicht nach Links und Rechts zu sehen, sondern in normalen Tempo weiter zu hasten.
Die Hand, die die Tasche nicht fest umschlossen hielt, tastete nach dem beruhigenden Griff der Messer.
Ich lief die Strasse entlang, und sie mündete schon bald in eine grössere Hauptstrasse, in der sich die Menschenmassen über die Strasse schoben, obwohl die Ampel schon längst rot war, und die Autos ungehalten Hupten.
Der Lärm dröhnte in meinen trainierten Ohren und von überall her prasselten Stimmen auf mich ein.
Weiter vorne sah ich einem Park, wo die Pflastersteine die Strasse aufhoben und etwas später in die ersten Bänke der Grünanlage mündete.
Die Strasse weiter hinten und die von der ich kam wurden nur durch den Gehsteig zusammengehalten, der sich in einer weiten Kurve um das letzte Haus der Häuserreihe schlang.
Die Leute standen da und redeten, einige ältere Menschen fütterten die Tauben auf dem Boden und Geschäftsleute verspeisten eilig ihren Hot Dog, während sie mit dem Handy am Ohr unruhig umher liefen.
Ich wollte so schnell es geht den Waldrand erreichen, was ohne Bus aber noch eine Viertel stunde dauern würde. Dennoch hetzte ich weiter, das Gefühl des verfolgt sein hatte jedoch schon beim Abtauchen in die Menge aufgehört.
Doch gerade als ich daran war den gepflasterten Halbkreis vor dem Park zu verlassen traf mein Blick einen anderen.
Mir gefror das Blut in den Adern, und von all diesen Orten wo ich hätte hin gehen können war ich doch da. Das Schicksal spielte mir übel mit, aber mittlerweile hatte ich den Glauben daran verloren, dass es überhaupt ein Schicksal gab.
Dort stand die Frau. Die Frau der ich gestern das Leben von dem Tawaqif gerettet hatte.
Sie stand in einem weissen Kittel da, und wurde von einer Pflegerin gestützt, jedoch sah sie unverletzt aus.
Als mein Blick kurz hinter den Park wanderte, wusste ich auch wieso. Es war eine Psychiatrie.
Die Frau erkannte mich sofort.
Sie sprach gerade mit zwei dunkel gekleideten Männern und starrte mich mit grossen Augen an.
Es tat mir leid was sie wegen uns erleben musste, genau deswegen wollten wir die Dämonen von den normalen Menschen fern halten. Doch jetzt hatte ich andere Probleme, als mich bei einer für durchgeknallt erklärten Frau zu entschuldigen.
Sie wies mit zitternder Hand auf mich, während mein Herz in die Hose rutschte, wenn nicht noch weiter.
"Aber das ist sie doch! Das ist die Frau die das Monster getötet hat! Mit einem Pfeil in die Brust!"
Ich zuckte zusammen und hielt an, die Tasche eng an mich gedrückt.
Einige Leute drehten sich um, aber as sie das Outfit der Dame sahen, beschäftigten sie sich nicht weiter mit dieser verängstigenden Ansage und gingen ihren Geschäften nach.
Die beiden Männer wandten den Kopf und folgten der Hand der Frau, die genau auf mich wies, wie geschockt da stand, die Haare wirr über den Schultern verteilt und die Augen aufgerissen.
"Sehen sie? Ich habe nicht gelogen! Ich bin gesund! Völlig gesund!"
Kreischte sie und packte ihre Begleiterin an den Armen, doch das nahm ich nur am Rande wahr.
Die beiden Männer starrten mich an und stellten sich gerade hin, ihr blick schweifte neben mir umher. Zu spät begriff ich, dass sie nicht mich, sondern meine Aura erkannt hatten. Die Aura einer 18-Jährigen. Die Aura einer Jägerin.
Dann färbten sich ihre Augen komplett schwarz wie die Nacht, mit einem funken rot darin, der wie ein Feuer loderte.
Es waren Dämonen. Sie wussten dass ich den Tawaqif getötet hatte. Sie kannten die Rituale der Jäger.
Das bedeutete sie wussten das ich das Buch trug.
Langsam begann ich rückwärts zu stolpern, den Blick auf die Dämonen gerichtet, während ich die Leute hinter mir zur Seite rammte.
"Scheisse."

Teufelsengel *beendet*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt