Termin bei Flynn

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Ich starre meine Frau an, die nach ihren Worten das Telefon auf den Tisch legt und einfach ruhig meinen Blick erwidert. Dieser Tag nimmt eine nicht geplante Wendung und ihre Worte schlagen eine tiefe Kluft in mein Denken.

Sie hat Recht, aber mir hat es geholfen, dass Elena damals die Kontrolle übernommen hat, mehr als alle Therapien oder Erziehungsversuche meiner Eltern. Wo wäre ich sonst heute? Ich mag es mir gar nicht vorstellen, mir gefällt, wie sich mein Leben entwickelt hat. Auch die Frau, die mich immer noch gelassen ansieht, als wäre ihre Frage eine alltägliche, habe ich nur kennengelernt, weil ich eben der bin, der ich dank Elena wurde.

„Das sind zwei ganz unterschiedene Dinge, Ana. Sie hat mir geholfen!", sage ich und bemühe mich, meinen Zorn auf Elena und die Dinge, die Ana sich angetan hat, aus meiner Stimme zu halten.

Ana legt den Kopf schief und seufzt leise.

„Sie hat mir auch geholfen, und so wie ich nicht verstehe, dass es für dich richtig war, wie sie dir geholfen hat, so musst du auch nicht verstehen, wie es für mich richtig sein konnte. Du musst es akzeptieren, so wie ich es umgekehrt auch musste, Christian."

Ihre Worte sind klug gewählt, aber der Gedanke, dass jemand meine Frau quält, die Erinnerung an ihre Verletzungen, machen es mir schwer, rational zu bleiben.

„Sie hat dich geschlagen!", fauche ich und Ana nickt.

„Das hast du auch schon getan, das erste Mal sogar ohne dass ich darum gebeten hatte. Erinnerst du dich?", fragt Ana und setzt sich.

Sie ist blass, aber gefasst und wirkt seltsamerweise ruhiger als die Wochen zuvor. Warum? Und natürlich erinnere ich mich an ihre erste Versohlung in ihrem Appartement, kurz nachdem wir den Vertrag erörtert hatten. Ana hat danach die halbe Nacht geweint, und ich bin zu ihr zurückgekehrt, um mich um sie zu kümmern. Schon damals hatte sie Probleme über ihre Gefühle und über die Züchtigung zu sprechen, und dann geht sie ausgerechnet zu Elena?

Wie hat sie mir ihre Empfindungen geschildert, kurz bevor die Sache mit dem Gürtel passiert ist?

Ich hasse es, dass ich bestraft werde, genauso sehr, wie du Berührungen hasst.

Nach allem, was wir schon hinter uns haben, ist die Tatsache, dass ihr jemand körperlich Schmerzen zufügt, für mich kaum zu ertragen. Als Hyde es getan hat, bin ich fast seelisch daran zerbrochen, und die Folge davon war, dass meine Frau noch mehr Qualen auf sich genommen hat.

Ana sieht mich ruhig an, aber ich sehe, wie sehr ihre Hände zittern. Ich gehe zu ihr und setze mich neben sie, bemüht ruhiger zu wirken, als ich bin.
„Wenn du mir versprichst, dass dich nie wieder jemand anfassen darf, außer mir, dann kann ich versuchen, damit zu leben. Nie wieder, Ana."

Sie legt den Kopf schief und scheint zu überlegen.

Dann nickt sie, zögerlich und nicht überzeugt, aber es reicht mir. Keiner wird je wieder Hand an meine Frau legen und ihr Schmerzen zufügen. Ich weiß nicht mal, ob ich es noch kann und will.

„Ich möchte den Kontakt zu Elena nicht verlieren", murmelt sie leise und ich sehe sie erstaunt an, während in meinem Innern erneut ein Sturm aufkommt.

„Wieso?", ich schreie fast die Frage heraus und Ana zuckt zurück.

„Weil ich sie schätzen gelernt habe. Und weil sie uns beiden geholfen hat, auch wenn wir es nicht verstehen, wie. Sie hat Dinge getan, die ich nie begreifen werde, nie akzeptieren kann, aber ich habe gelernt, dass es Situationen gibt, in denen das passieren kann. Und sie ist kein schlechter Mensch."

50 Shades of PainWhere stories live. Discover now