Prolog

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„Zwölf."

Seine Stimme klingt schmerzverzerrt, aber ich muss meine Fassade aufrecht erhalten, so schwer es mir auch fällt. Ich muss meine Stimme und mein Gesicht kontrollieren und keine Schwäche zeigen. Nur noch einen Moment, versuche ich mich selbst zu beruhigen. Er darf es nicht merken, wie sehr es dich innerlich zerbricht. Du tust es für ihn. Er braucht es. Es hilft ihm.

Mit letzter Kraft bringe ich meine Stimme dazu, kalt und befehlend zu klingen, auch wenn ich am liebsten schreien und weinen würde, auch wenn in mir alles zerbricht. Ich bin am Ende, meine Kräfte sind aufgebraucht.

„Leg dich aufs Bett, Christian. Ich komme gleich zu dir."

Langsam verlasse ich das Spielzimmer und schließe die Tür hinter mir. Ich schaffe noch einen weiteren Meter den Flur entlang, bevor die Reitgerte aus meiner Hand gleitet und mit einem lauten Geräusch auf dem Boden auftrifft, zwei weitere Schritte, bevor mir die Tränen die Sicht nehmen.

Ich muss ins Bad, muss mich sammeln, damit ich meinem Mann helfen kann. So helfe ich niemandem. Eine kleine, leise Stimme in mir wimmert und weißt mich darauf hin, dass seit jenem Tag mir auch niemand geholfen hat. Flynn macht sich mittlerweile mehr Sorgen um mich als um Christian, aber ich kann nicht zurück. Es geht ihm langsam besser, er ist immer öfter wieder der Mann, den ich geheiratet habe.

Ich taumle ins Bad und sehe gar nicht erst in den Spiegel. Die hohen schwarzen Stiefel, die schwarze Lederkorsage, all das bin ich nicht. Ich kann das nicht mehr! Ich will das nicht mehr! Weinend breche ich auf dem Teppich zusammen. Ihn zu bestrafen tötet mich. Jeden Tag ein wenig mehr.

Mit zitternden Händen nehme ich das Telefon , dass ich aus dem Schlafzimmer mitgenommen habe. Dass sie einmal mein Anker, meine Hilfe und meine Freundin werden könnte, hätte ich nie geglaubt. Müde wähle ich, während lautlose Schluchzer mich schütteln.

„Ana!" Sie klingt besorgt.

„Ich brauche deine Hilfe. Ich kann nicht mehr."

Das Seufzen am anderen Ende der Leitung klingt traurig.

„Halte durch. Du schaffst das. Christian hat einmal zu mir gesagt, du wärst die stärkste Frau, die mutigste Frau, die er kennt. Du hast Hyde überlebt, dann schaffst du das auch. Komm morgen zu mir und wir überlegen uns, wie es weiter gehen kann."

„Wie kann ich das tun? Er wartet auf mich, aber ich kann nicht. Ich will nicht! Was soll ich tun?" Ich weine bei jedem Wort und es ist mir egal, ob sie mich für schwach hält.

„Anastasia! Geh zu deinem Mann und sag ihm, was er für dich tun soll. Was du von ihm erwartest. Tu es für ihn, nicht für dich."

Schluchzend stehe ich auf, das Telefon an mein Ohr gepresst und versuche, mir das Gesicht mit einem nassen Waschhandschuh zu kühlen.

„Ich kann das nicht, bitte. Ich bin keine Domina."

Ihre traurige Antwort, voller Verständnis und Kenntnis meiner Situation, lässt mir keine Wahl. Sie weiß, was sie sagen muss, um mich dazu zu bringen, ein weiteres Mal meinen Mann wie ein Tier zu behandeln.

„Nein, du bist keine Domina. Du bist eine Frau, die ihren Mann über alles liebt. Die für ihn gestorben wäre. Du schaffst das, weil du ihn liebst und weil du ihn nur so wieder bekommst."

Es ist, als ob sie mir die Wahrheit ins Gesicht schlägt. Es hilft ihm tatsächlich. Es zerstört mich, jeden Tag aufs Neue, aber wenn es das ist, was ich tun muss, um ihn aus diesem Zustand zu holen, dann werde ich es tun müssen. Ich lege auf, Worte des Abschieds sind nicht nötig. Sie hat in die Wunde gestochen und ich weiß, es tut ihr nicht leid. Ich fordere es von ihr, wenn ich nicht mehr daran glaube, auch nur einen weiteren Tag oder eine weitere Stunde dieses Albtraums durchzuhalten.

Ich richte mich auf, binde meinen strengen Zopf neu, wasche mir das Gesicht und trage den knallroten Lippenstift, den ich hasse wie die Pest, erneut auf. Dann gehe ich zurück ins Spielzimmer, damit ich meinem Mann befehlen kann, was er nach seiner Strafe mit mir tun soll.

Wer sich nicht vorstellen kann, dass fantastischer und befriedigender Sex eine Höllenqual sein kann, war nie in meiner Situation. Ich wünsche sie keinem.

Als ich die Tür öffne, liegt er auf dem Bett, bereit und erregt. Ich will ihn, aber ich hasse es, dass ich ihn nur so haben kann.

„Du warst brav heute, Christian."

Er antwortet nicht. Es steht ihm nicht zu, ich habe ja keine Frage gestellt.

Ich stelle mich neben das Bett und sehe ihn an, streng, ohne eine Regung im Gesicht. Innerlich zerbricht ein weiteres Stück meiner Seele, während er mich abwartend ansieht.

„Möchtest du mich glücklich machen?" frage ich und achte auf einen kalten Unterton in meiner Stimme.

„Ja, Ma'am."


50 Shades of PainWhere stories live. Discover now