Morgengrauen

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Es wird hell und meine Tränen sind aufgebraucht. Noch immer sitze ich in Auto vor unserem Haus und zittere. Zum einen, weil es empfindlich kalt ist, zum anderen sind es wohl die Nachwirkungen der extremen Erlebnisse.

Ich kann Christian keinen Vorwurf aus seiner Reaktion machen, Flynn hatte mich gewarnt. Aber ich tue es trotzdem. Über den Punkt, noch vernünftig und verständnisvoll sein zu wollen, bin ich weit hinaus. Und trotz der Tatsache, dass ich meinen Mann liebe, im Moment würde ich ihn nicht ertragen, nicht für alles auf der Welt. In diesem Augenblick klingelt mein Handy und allein der Klingelton sagt mir, dass es so einfach nicht werden wird. Und wenn ich nicht ran gehe, wird er mich orten und mir Taylor auf den Hals hetzen. Der Wagen ist bestimmt auch mit einem Peilsender ausgestattet, Christian macht keine halben Sachen. Ich kann davon ausgehen, dass wenn ich nicht abhebe, er in kürzester Zeit hier sein wird.

Müde drücke ich das Gespräch weg und fahre los. Es ist früh und ich fahre bis zu einer Bushaltestelle, wo ich den Wagen abstelle. Mein Handy lege ich auf den Beifahrersitz und den Schlüssel daneben. So schnell, wie Taylor hier sein wird, wird das Auto schon keiner stehlen. Und wenn schon, mir ist es egal.

Der Bus fährt in die Innenstadt und ich nehme mir von dort ein Taxi zu meinem Ziel. Elena sieht mich nicht im Mindesten überrascht an, als ich bei ihr klingele, sondern zieht mich in eine lange Umarmung, die ich dankbar annehme.

„Isaac hat sich furchtbare Sorgen gemacht. Ana, das war eine dumme Idee. Ich hätte es wissen müssen", murmelt sie und bugsiert mich in ihr Wohnzimmer auf die Couch.

Ich fühle mich schwach und sie legt eine Decke um meine Schultern.

„Du bist eiskalt, ich mach dir mal einen Tee", sagt sie und verschwindet.

Meine Beine fühlen sich taub an und auch meine Gedanken scheinen sich im Schneckentempo durch die Synapsen zu quälen. Müde ziehe ich die Beine unter mich und kuschele mich in die weiche Decke.

Als ich wieder wach werde, ist es wohl schon früher Nachmittag und ich bin kurz verwirrt. Dann fällt mir alles wieder ein und ich spüre den dumpfen Schmerz in mir. Worüber kann ich gar nicht sagen. Elena sitzt neben mir, eine Lesebrille auf der Nase und ein Buch in der Hand. Als ihr Blick zu mir huscht, erhellt sich ihr Gesicht.

„Du hast tief geschlafen, ich konnte dich nicht wecken. Erzählst du mir, warum dein Mann wutschnaubend und total hysterisch nach dir sucht? Isaac wusste nicht, was passiert war, nachdem er gegangen war."

„Er sucht mich?", frage ich erstaunt und Elena nickt grimmig.

„Mittlerweile mit Nachdruck. Er will mit mir reden, wissen wo Isaac ist, hat mir Konsequenzen angedroht – er scheint wieder gut in Form zu sein – und mir versichert, wenn ich wüsste, wo du bist, und es ihm nicht sage, würde er mich ruinieren."

Sie sagt es mit einem halben Lächeln und ich höre die Neugierde.

„Weiß er, dass ich hier bin?", frage ich panisch.

So schlimm es ist – ich bin noch nicht bereit für Christian. Noch sehr lange nicht, wird mir klar. Und ich fühle mich emotional zurückgesetzt, auf den Tag meiner Entlassung aus dem Krankenhaus.

„Nein, Ana, natürlich nicht. Wenn einer weiß, was du dir alles zugemutet hast, dann ja wohl ich. Und ich will erst wissen, was passiert ist, bevor ich den Löwen am Schwanz ziehe."

Erleichtert falle ich zurück und atme aus.

„Ist mit Isaac alles in Ordnung?", frage ich nach und sie nickt.

„Er hat ihn wohl angerufen und gefragt, ob er weiß, wo du bist. Da Isaac es nicht wusste, hat er ihn in Ruhe gelassen. Könnte ich jetzt bitte eine Zusammenfassung bekommen, Ana?"

50 Shades of PainWhere stories live. Discover now