Unterricht

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Der Rest der Woche zieht wie im Nebel vorbei. Alles, was ich erledige, hinterlässt nur vage Erinnerungen in meinem Kopf, der auf Autopilot geschaltet hat.

Es gibt nur zwei Sachen, die sich mir klar und deutlich einbrennen. Christians Passivität und Elenas Unterricht. Der Besuch von Clarke, mein Telefonat mit meiner Mutter, sogar Gail und ihre ständige Besorgnis, verschwinden im Angesicht meiner Stunden mit meinem unterwürfigen Gatten oder denen mit dessen Ex-Domina.

Während meine körperlichen Wunden langsam heilen, reißt jedes Treffen mit Elena eine weitere Verletzung in meine Seele. Es ist eine komplizierte und zutiefst destruktive Beziehung, die wir teilen, ähnlich der Beziehung zwischen einem Sub und seinem Dom. Jeden Tag treffen Elena und ich uns nachmittags für fast vier Stunden bei ihr zu Hause. Ich habe mich an einiges gewöhnt, und versuche nicht darüber nachzudenken. Christian hat in dieser Zeit zuerst sein Training mit Bastille und dann seine Sitzung mit Flynn. Ich habe mich geweigert, mit Flynn meine Probleme zu besprechen. Er weiß nur, dass Elena mir hilft und war darüber gar nicht begeistert. Seine Therapieversuche bei mir habe ich im Keim erstickt, ich würde es jetzt nicht ertragen, darüber zu reden. Ich ertrage es ja schon fast nicht, daran zu denken. Dr. Bartley ist mit meiner körperlichen Genesung zufrieden, mit meinem Allgemeinzustand jedoch ganz und gar nicht. Aber es gibt Dinge, die ich nicht ändern kann. Auch die Nachuntersuchung bei Dr. Greene habe ich nicht wahr genommen. Es gibt auch Dinge, die ich nicht machen will, und dazu gehört auch, mich mit dem Thema Fehlgeburt auseinander zu setzen.

Auf Elenas Rat hin habe ich Christian nur sehr wenige Befehle gegeben, er ist immer noch im freien Modus. Was ich ihm sage tut er jedoch ohne Widerworte und sofort. Ab und zu sieht er mich kurz grimmig an, wenn ich nichts esse, aber das ist das einzige Zeichen, dass mein Christian noch irgendwo da ist. Im freien Modus ist Christian entspannter, aber das ist die einzige Veränderung. Er ißt, wenn er Hunger hat, trinkt, wenn er Durst hat, und geht Trainieren. Er kümmert sich selbständig um seine Hygiene, aber das war es dann auch schon. Wenn er nichts zu tun hat, starrt er reglos aus dem Fenster.

Christian und ich schlafen jede Nacht in einem Bett, aber er berührt mich nicht und nimmt mich nur in den Arm, wenn ich ihn darum bitte. Ich ertrage es einfach nicht mehr. Ich brauche ihn so sehr, aber Flynn meint, er würde im Moment keine Fortschritte machen, weil er noch immer auf seine Bestrafung wartet. Als ob ich fähig wäre, ihn zu bestrafen. Außerdem war es doch mein Fehler. Ich habe die Spritze verbummelt und ich bin Hydes Anweisungen gefolgt. Wer bestraft mich? Christian, mit seinem Verhalten, flüstert mir eine kleine, gehässige Stimme in meinem Kopf zu, die sich immer öfters meldet. Überhaupt habe ich einen ungesunden Hang zum Sarkasmus entwickelt, anders kann ich mit der Situation kaum noch umgehen.

Ich bitte Taylor, als Christian mit Sawyer auf dem Weg zu Bastille ist, mich zu Elena zu fahren. Nur seine Kiefermuskulatur verrät, wie sehr auch er diese Treffen missbilligt. Er sagt nichts dazu, aber es passt ihm nicht. Auch sonst passt ihm einiges nicht, zum Beispiel die Tatsache, dass ich jeden Tag Unmengen von Tabletten brauche, um diesen zu überstehen. Aber im Moment habe ich das Sagen.

Als wir bei Elena ankommen, steige ich aus und gehe zur Eingangstür dieses modernen Hauses. Seufzend betrachte ich das klar strukturierte Gebäude. Elliot hat mich angerufen, um mich zu fragen, was mit unserem Haus weiter passieren soll, aber ich habe ihm keine Antwort geben können. Seufzend schüttle ich diesen Gedanken ab. Für das, was jetzt kommt, brauche ich meine ganze Konzentration. Elena öffnet auf mein Klingeln und sieht mich ruhig an. Unsere Beziehung ist merkwürdig. Sie führt mich in das Thema ein, mit dem mein Mann wegen mir abgeschlossen hat. Und sie hat Recht gehabt, viele Dinge verstehe ich nicht und will mir gar nicht vorstellen, dass Menschen das freiwillig tun. Einiges übt jedoch auch eine ungeahnte und fast morbide Faszination aus. Elena sieht mich aufmerksam an, sie behandelt mich äußerst zuvorkommend und sehr vorsichtig. Es scheint so, als wolle sie mich schonen, und das ist eigentlich etwas, womit ich nicht gerechnet habe.

50 Shades of PainWhere stories live. Discover now