London

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Zornig sehe ich Flynn an, der mich ruhig mustert.

„Mir geht's gut, Flynn. Ich kann nicht ändern, was passiert ist, aber ich kann für meine Frau da sein!"

Meine Worte klingen aggressiv, seit zwei Wochen ist sie in London in dem von mir ausgesuchten Hotel, ich weiß was sie tut, ich kenne jede ihrer Bewegungen, aber ich kann mich nicht davon überzeugen, dass es ihr gut geht. Nicht persönlich!

Sowohl Flynn als auch Anas Therapeutin raten davon ab, dass ich sie einfach aufsuche. Ich halte es nicht mehr aus. Von Sawyer weiß ich, dass sie meinen Ring trägt, aber den Brief noch nicht gelesen hat. Sie isst seit einigen Tagen wohl wieder regelmäßig und scheint langsam ihre selbstgewählte Einsamkeit aufzugeben und ab und zu das Zimmer zu verlassen, aber das sollte sie in einer fremden Stadt nicht alleine tun. Laut Sawyer war sie an der Themse, in Westminster Abbey und geht momentan täglich in einen nahe gelegenen Park, in dem sie Eichhörnchen füttert. Sie meidet Menschen und ist meist morgens unterwegs, aber das beruhigt mich nicht.

„Du könntest alles kaputt machen, wenn du jetzt übereilt handelst, Christian."

Er mag recht haben, aber es ist mir egal.

„Ich will bei ihr sein. Oder zumindest in ihrer Nähe. Du hast gesagt, eine Woche. Jetzt sind es schon zwei Wochen! Ich habe mich vollkommen unter Kontrolle", sage ich gepresst und er nickt.

Ja, meine Kontrolle ist wieder da, vollumfänglich und nur Flynn weiß, dass darunter Schuld und Scham versteckt sind. Und die Angst, dass sich ihre Gefühle mir gegenüber geändert haben, seit das alles passiert ist. Sie hat unser Baby verloren und ich habe ihr nicht zur Seite gestanden. Obwohl mein Kopf weiß, dass keiner Schuld hat, ist meine emotionale Verfassung noch weit weg von dieser Erkenntnis. Mir ist bewusst, dass ich Ana Geduld und Verständnis entgegenbringen muss, damit kann ich umgehen. Aber dass sie mich angeblich nicht braucht ist etwas, was mich wahnsinnig macht, meine dunkelsten Ängste und Befürchtungen nährt und mich nachts wach hält.

Ich benötige eine greifbare Verbindung, wie einen Blick in ihre Augen oder eine kurze Berührung. Und die bekomme ich nicht! Weil Flynn und seine Therapeutenschnepfe in London mir einreden, dass Ana selbst erst ein wenig Ruhe finden muss. Sie hatte zwei Wochen, und meine Geduld ist erschöpft. Außerdem versteht Flynn etwas Essentielles nicht: Sie braucht mich nämlich doch! Wenn unsere Verbindung durch die ganze Scheiße nicht gelitten hat, können wir uns gegenseitig Frieden schenken.

„Und was willst du tun? Einfach bei ihr vorbeischauen und hoffen, dass es funktioniert?"

So ungefähr hatte ich mir das gedacht, ja.

„Ja und nein. Ich werde ihr Raum geben, Flynn. Aber die Zeit hierzubleiben ist abgelaufen. Ich fliege morgen früh", sage ich ruhig und er nickt.

Er weiß, dass er mich nicht mehr zurückhalten kann.

„Sei vorsichtig und geduldig. Wenn du sie unter Druck setzt, ist das vielleicht das Ende eurer Ehe."

Ich habe mit Elena und Taylor gesprochen, und ich weiß, was er meint. Ana ist zu weit über ihre eigenen Grenzen, über ihre Hard-Limits gegangen. Und das zu einem Zeitpunkt, wo sie schon am Boden zerstört war. Die Tatsache, dass gerade Elena mir deutlich gemacht hat, dass sie sich vor Ana stellen würde, und gegen mich, hat mir mehr verraten, als alle Gespräche mit Taylor und Flynn. Ich weiß immer noch nicht, was ich davon halten soll, dass meine Frau Elena quasi gezwungen hat, ihr zu helfen. Und ich weiß auch, dass Elena mir nicht alles erzählt. Noch immer wüsste ich gerne, woher ihre Striemen kamen, aber auch da bekomme ich keine Auskunft. Das sollte Ana mir selbst erzählen, wenn sie es möchte.

50 Shades of PainWhere stories live. Discover now