~Siebenunddreißig~

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„Verrückt genug, dass du ihn lieber tot siehst", unterbrach sie ihn forsch. „Gian hätte mir nichts getan und ich wäre zurückgekommen."

„Ich hatte keine Angst, dass er dir wehtut. Meine Sorge lag eher darin, dass er ..."

„Dass er was?"

Sie konnte erkennen, wie er die Zähne zusammenbiss. Mit einer Hand schnappte sie sich ihren Mantel und hastete aus dem Zimmer. Der Flur eignete sich nicht zum Verstecken oder dazu Luciano los zu werden, aber viele Optionen blieben ihr nicht. Würde sie nur lange genug durch die Gänge rennen, könnte sie ihn vielleicht anhängen oder er würde von allein aufgeben. Keines der beiden Szenarien trat ein und bald musste sie gestehen, dass es schlecht um ihre Ausdauer stand.

Sie verzog sich in eine Ecke, wurde von einer Vase mit hohen Sträuchern verdeckt. Die Tränen stiegen ihr ein weiteres Mal in die Augen, doch es gelang ihr diese wegzublinzeln. Eisern befahl sie sich, stark zu sein. Was bedeutete ihr Leben nun? Ohne Gian. Wieso konnte sie es sich nicht einmal vorstellen, ohne ihn zu sein? Sie kannten sich noch nicht lange, aber er fehlte ihr. Jedes Mal, wenn sie getrennt waren. Wie konnte er sie nur allein lassen? Hier in dieser Welt, die keinen Sinn mehr ergab.

Remis Männer - Giovannis Männer, stellte er in Gedanken richtig, standen noch immer vor dem Haus schmiere

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Remis Männer - Giovannis Männer, stellte er in Gedanken richtig, standen noch immer vor dem Haus schmiere. Ihre Gesichter spiegelten die Verwirrung und den Unmut wider, den sie vermutlich alle empfanden. Einerseits, da sie von dem Unterboss kommandiert wurden und andererseits, weil sie nicht wussten, warum sie hier Wache hielten. Als würde eine Leiche wegrennen können.

Antonio scherte sich nicht sonderlich um diejenigen, die ihn aufhalten wollten. Immerhin hatte er Chino auf einem der Dächer platziert. Wenn nötig, würde dieser Kopfschüsse verteilen, doch die Erscheinung des fremden Bosses verschüchterte die kleinen Handlanger. Wie auf ein unsichtbares Zeichen wichen sie alle ein Stück zurück, bildeten eine schmale Gasse, die Antonio passierte. Nur einer wirkte verdächtig. Er spielte mit etwas hinter seinem Rücken herum und positionierte sich so, dass Chino ihn nicht treffen konnte.

Unbeeindruckt lief Antonio weiter auf ihn zu. Auf einmal schoss ein Messer an seinem Gesicht vorbei, dann noch eines. Beinahe gleichzeitig fiel ein Schuss, der jedoch in die Hauswand traf. Der Kerl schien wild entschlossen, zu morden. Mit einer weiteren Klinge schoss er auf Antonio zu. Dieser parierte, stellte dem anderen ein Bein. Rasch schlug er auf den Taumelnden ein. Der Aufprall war so stark, dass die Kraft in seinem Arm vibrierte. Er traf den Angreifer im Nacken, hörte die Knochen geradezu knacken. Leblos ging er zu Boden, würde nicht wieder aufstehen. Nie wieder.

Das Haus war nicht verbarrikadiert worden. Remi hatte wohl gedacht, dass die Wachen ausreichen würden. Antonio hielt sich nicht lange mit Unbedeutendem auf und betrat sofort das Zimmer, in dem sich Felicita und Gian verschanzt hatten. Sein Blick wanderte zum Krankenbett. An den Seiten hingen gelöste Fesseln herunter. Er strich sich die Haare aus der Stirn und näherte sich Schritt für Schritt. Jeder Meter kostete ihn Überwindung. Mit einem Ruck zog er das weiße Laken von der Leiche. Dann stutze er. Getrocknetes Blut überall, aber kein Toter. Hatten sie ihn weggeschafft? Aber wieso die Wachposten?

Eine Weile suchte er in dem Raum nach Hinweisen, fand allerdings nichts. Der Boden war gesäubert worden, also hatten sie Gians Leiche vielleicht weggetragen. Der Grund dafür blieb ihm aber schleierhaft. Eine Leiche, auch wenn der Körper von dem Vit C3 durchsetzt war, konnte ihnen nichts mehr nützen. In Gedanken versunken knabberte er an seinen Fingernägeln und einzig der Schmerz, als er zu tief biss, weckte ihn auf.

Luciano und Felicita waren Beide im Moment unerreichbar. Außerdem traute er diesem Frauenheld nicht und würde dem Mädchen keine falschen Hoffnungen einreden wollen. Ihn brachten diese plötzlichen und verschwörerischen Einfälle ja selbst um. Soweit er erfahren hatte, hatten sie Gian direkt ins Herz geschossen. Keine Chance, dass er das überlebt hat. Der Einzige, der ihm ein paar verlässliche Antworten liefern konnte, wäre der Doktor.

Draußen winkte er Chino zu. Sie trafen sich an ihrem Wagen. Natürlich wollte er gleich wissen, was geschehen war und wie sie weiterverfahren, aber Antonio konnte nicht mehr. Diese Eindrücke, das Blut und die Gewissheit, dass Gian tot war, übermannten ihn. Die Gewissheit, wiederholte er. Gewiss war sein Tod nicht, denn der Leichnam fehlte.

„Was würdest du mit einem Toten machen?", fragte er Chino, der sich eine Zigarette anzündete.

„Verbrennen."

„Und wenn das nicht geht?"

„Warum interessieren dich meine Methoden? Sonst hast du dich auch nicht beschwert, wenn ich mich um die Drecksarbeit gekümmert habe."

„Das wollte ich damit auch nicht andeuten", er zeigte auf die Zigarette und Chino ließ ihn einige Male daran ziehen. „Gians Leiche ist nicht mehr da."

„Sie liegen zu lassen, würde auch nur Probleme bereiten. Sobald die Verwesung einsetzt, würden sich die Nachbarn melden. Außerdem lebt hier noch jemand, oder nicht?"

„Zumindest ist der gute Dr. Phillips momentan außer Haus."

„Heißt für uns?"

„Ihn zu finden, ist aussichtslos. Er war ja eben noch ein Gefangener und wenn Del Monte ihn nicht gleich mitgenommen hat, ist er entweder tot oder auf der Flucht."

„Und diese Gründe haben uns wann aufgehalten?"

Antonio stutzte. Chino konnte Gian nie wirklich ausstehen und nun wirkte es, als würde er sich dafür einsetzten, die Lage aufzuklären. Obwohl es Gians Tod war. Er legte die Handfläche über seine Augen und atmete tief durch. Dann klopfte er seinem Mann auf die Schulter und setzte sich ans Steuer.

Blank DreamWhere stories live. Discover now