~Zweiundzwanzig~

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„Warum nicht?", Felicita wusste, dass sich ihre Sturheit als wenig hilfreich erwies, doch sie konnte nicht anders. „Das ist mein Blut, wieso kann ich es ihm nicht geben?"

Sie sah, wie Luciano merklich angestrengt ausatmete und ebenso viel Luft zurück in seine Lungen führen musste. Die Pause, die dabei entstand, machte ihr deutlich, dass sie sich wirklich kindisch benahm. Gerade vor einem Mann wie Luciano solle sie etwas mehr Anstand und Reife beweisen, allerdings überwog ihre Sorge um Gian.

„Ich möchte dich in Sicherheit wissen", er kam auf sie zu und streichelte ihr über das Haar. „Wie wäre es, wenn du erst einmal zu Antonio zurückkehrst? Auch er würde weitere Informationen sicherlich nicht ablehnen."

Felicita zog die Unterlippe automatisch nach vorn und ließ sich in die Polster eines Sessels fallen. Sie wollte bei Gian sein, der eine Phase durchlebte, die sich niemand hätte ausmalen können. Selbst ein Alptraum der besonders schrecklichen Art wäre dagegen eine Wohltat.

„Ich gehe erst, nachdem es ihm besser geht", entschied sie.

„Du weißt, dass die Möglichkeit besteht-."

„Ja!", fiel sie ihm ins Wort und bereute ihren Tonfall. „Verzeihung, ich wollte nicht laut werden."

In dieser Atmosphäre, welche nichts der Außenwelt der Arena widerspiegelte, konnte sie schnell vergessen, wer sie war und vor wem sie momentan stand. Einen Boss rücksichtslos zu behandeln, kostete schon so manchen den Kopf. In diesem Versteck wirkte alles so anders, geradezu sicher. Würde man seinen Blick einfach gesenkt halten und nie aus den Fenstern sehen, glaubte man nicht daran, in einer Stadt voller Straftäter zu sitzen.

„Ist schon gut", entgegnete Luciano sanft. „Du hast Angst, aber diese Emotion solltest du lieber für dich behalten", er hielt kurz inne, nahm ihr Gesicht dann in seine Hände. „In meiner Gegenwart aber darfst du deinen Gefühlsausbrüchen freien Lauf lassen."

Langsam fuhr seine Hand an ihrer Wange entlang. Ganz vorsichtig und zart spürte sie seine Finger über ihre Haut gleiten. Sie erschauderte und die Härchen in ihrem Nacken stellten sich schlagartig auf. Was tat er da und warum so plötzlich? Seine grünen Augen suchten forschten nach ihrem Blick, den sie rasch abwand. Ihr wurde komisch und Schweißperlen bildeten sich auf ihrem Rücken, genau da, wo ihre Wirbelsäule ein kleines Stück hervorstach.

Felicita strauchelte ein bisschen von Luciano weg, da seine Berührungen sie verunsicherten. Ein leichtes Lächeln zierte seine Lippen und in seinen Augen lag eine ungeahnte Wärme, die er selbst noch nicht ganz zu begreifen schien. Allmählich gab er sie wieder frei, um den Problemfall, der sie alle noch eine Weile beschäftigen würde, zu besuchen.

Die junge Frau blieb allein im Raum zurück, der vermutlich bewacht wurde und erhoffte sich einzig, der sich ankündigenden Katastrophe zu entkommen. Falls das noch möglich war. Was konnte sie denn schon unternehmen? Bis auf ihr eigenes Blut, gab es nichts, was Gian retten könnte und nicht einmal das brachte ihr eine Garantie für den Erfolg.

Wirkliche Hilfe würde Gian mit großer Sicherheit nur außerhalb der Arena erlangen. Dort gäbe es ausgebildete Ärzte und bessere Medizin. Unweigerlich drängten sich ihr andere Vermutungen auf. Was, wenn diese Abhängigkeit gar nicht, niemals heilbar sei?

Endlich fand sie den Mut, aufzustehen und vor die Tür zu treten, hinter der Gian lag. Diese Ahnungslosigkeit bereitete ihr eine große Furcht. Immerhin fühlte sie sich zu ihm hingezogen, da er ihr Bruder sein könnte. Das war normal, redete sie sich gut zu. Eine normale Reaktion, wenn einem Menschen, dem man nahe stand, etwas Schlimmes geschieht.


Wieder diese verdammte Dunkelheit, die ihn umgab und höhnisch zu lachen schien. Er fühlte eine innere Leere. Keinen Schmerz. Nur das Nichts und die Erkenntnis, dass ihm etwas fehlte. Seine Menschlichkeit? Eigentlich wollte Gian nicht einmal darüber nachdenken, was das Vit C3 bei ihm angerichtet hatte. Wäre das sein Ende? Sollte er nach all dem, was er über die Jahre mitmachen musste, wirklich so einen glanzlosen Tod erleiden?

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