~Fünfundzwanzig~

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Sie hockten dicht beieinander in dem sumpfigen Untergrund. Es roch nach abgestandenem Wasser und Tod, während der Schweiß auf ihren Leibern langsam trocknete. Die Beiden saßen recht nah bei der Leiter, die zum Schachtdeckel des Eingangs führte. Über ihnen war der Untergang der Arena angebrochen. Schreie drangen durch den dicken Asphalt zu ihnen hinunter. Sie hallten in den Rohren wider, die scheinbar von allen Seiten zu Gian und Felicita führten. Die junge Frau vergrub ihr Gesicht an Gians Brust, um ein wenig Ruhe zu finden.

In der kommenden Nacht blieb der Schlaf ihnen fern. Die Angst, dass das Feuer sie selbst in der Kanalisation finden und umbringen würde, hielt sie wach. Vor allem Gian litt unter dem Schlafmangel, da er sich nur mühsam unter Kontrolle hatte. Von Minute zu Minute sank er tiefer in seinen eigenen Wahn.

„Schon okay Fel", keuchte er, als er ihr Starren bemerkte. „Bald ist diese Stadt bis auf das letzte Haus niedergebrannt und wir können verschwinden."

Viel mehr brachte er nicht über die Lippen. Krampfend rollte er sich an ihrer Seite zusammen und sie streichelte vorsichtig über seinen Rücken. Er war nass. Vom Schweiß? Oder doch von der feuchten Luft der Kanalisation?

Die Hilfeschreie klangen nicht ab, sondern mischten sich unter die Schüsse, welche vereinzelt fielen. Felicita zählte diese, denn jeder bedeutete den Tod eines weiteren Menschen. Einer bösen Person, redete sie sich gut zu, um sie nicht zu bedauern. Dennoch überkam sie ein flaues Gefühl und der Gestank des modrigen Wassers, das wahrscheinlich seit dem Umbau der Kanalisation stillstand, verbesserte die Situation nicht. Gian hatte ihr erzählt, dass die Ausgänge alle zubetoniert oder mit schweren Gittern versiegelt worden waren, doch so etwas in der Art hatte Felicita sich bereits gedacht. Sonst wären schon andere aus der Arena geflüchtet.

Ein zwar unterdrücktes, aber trotzdem lautes Knurren erschreckte sie. Gian krallte sich mit aller Gewalt in die bemooste Kante der Anhöhe und stöhnte auf. Sobald sie ihre Hand nach ihm ausstreckte, schlug er diese von sich und kroch auf allen Vieren von ihr weg. Seine Irden schimmerten in einer milchigen Farbe. Sie fixierten Felicita, doch seine Hände hielten ihn selbst auf Abstand.

„Gian?", ihre Stimme war gedämpft, aber sie bekam keine Antwort.

Der Tag löste die Nacht ab, doch sicher war sich Felicita nicht. Einzig die entsetzlichen Rufe ebbten seit zwei Stunden immer weiter ab. Das Feuer erledigte den Rest und Stille kehrte ein. Eine beängstigende Stille, die nur von Gians Schnauben unterbrochen wurde. Was sollte sie unternehmen? Jeder Versuch, ihn anzusprechen oder ihm näher zu kommen, blockte er augenblicklich ab. Sie musste ihm helfen, aber wie? Blut, schoss es ihr durch den Kopf und gleichzeitig wusste sie, dass Gian das nicht mitmachen würde. Er würde ihr keine Schmerzen zufügen, nur damit es ihm besser ginge.

Abwarten kam jedoch auch nicht in Frage, denn sie würde nur zusehen, wie er sich in ein Monster verwandelte, das sie letztlich töten wollte. Sie atmete tief durch und strich sich die langen, blonden Strähnen aus dem Gesicht. Ihre Haare fielen in fast transparenten Wellen über ihre Schultern, während sie sich zu Gian herunterbeugte. Er hatte sie noch nicht bemerkt, was sie ausnutzte.

Mit zitternder Hand angelte sie das Klappmesser aus Gians Jackentasche und schnitt sich in die eigene Hand. Ein brennendes Gefühl zerteilte ihre Haut und die warme Flüssigkeit quoll aus der Wunde hervor. Bevor sie an Gian herangekrabbelt war, tropfte das Blut auf den grünlichen Boden und verbreitete seinen metallischen Geruch in der Luft.

„Was ... was ist das?", grummelte Gian benommen, kam aber auf Felicita zu.

Ihr war mehr als bewusst, dass diese Aktion auch nach hinten losgehen konnte, doch sie traf ihre Entscheidung und zog es nun durch. Gians Augen waren lediglich schmale Schlitze, die in ihre Richtung schauten. Langsam umfassten seine kalten Hände ihre Handgelenke und er roch ihr Blut. Es war ein zartes Drücken, was sie verspürte. Blitzschnell schubste er sie von sich. Sein Gesicht wirkte verzerrt und ein eigenartiges Geräusch drang aus seiner Kehle. Ein tiefes Röcheln und noch etwas anderes, das Felicita erstarren ließ.

Blank DreamWhere stories live. Discover now