~Sechzehn~

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Die dicke Nadel steckte tief in dem Fleisch ihres Armes. Nur das Ende, welches von einem fast durchsichtigen Plastikstück bedeckt wurde, lugte aus ihrer Armbeuge heraus. Felicita schluckte trocken, während sie die rote Flüssigkeit beobachtete, die aus ihrem Körper durch einen dünnen Schlauch abgesogen und in einem Tütchen gesammelt wurde. Jeder Tropfen, den man ihr nahm, verursachte eine Übelkeit in ihrem Magen, die sie nur schwer beschreiben konnte. Ihre Fingerspitzen wurden kalt, beinahe taub und ihr Blick wanderte abwesend immer wieder zu Gian, der zusammengekauert auf einer Liege schlief.

    „Keine Panik, der wird schon nicht so schnell den Löffel abgeben", erwiderte Isabella und legte das volle Blutpacket beiseite, um ein weiteres an dem Schlauch zu befestigen. „Nur noch eins, dann bist du fertig."

    „Ich verstehe es immer noch nicht", stammelte sie vor sich hin. „Wie kann es sein, dass ich mit dem Chef der Seventh verwandt bin? Und warum würde er mich in die Arena sperren, weiß er etwas über meine Eltern?"

Isabella legte den Kopf schief und lachte leise in ihre Hand. Mit den medizinischen Werkzeugen schien sie ähnlich begabt, wie Marcello. Felicita rieb sich den Hals, der bestimmt noch die roten Male von dem Würgen aufwies.

    „Vermutlich ist er sogar dein Vater", antwortete Isabella.

    „Was?!", Felicita sprang auf und riss sich fast die Nadel aus der Haut. „Aber das ... kann nicht sein. Meine Eltern sind verschwunden, als ich klein war."

Dann sah sie sich wieder die aufgeschlagene Akte an, die mahnend auf dem Metalltisch lag. In ihr waren eine Menge an Testberichten enthalten, welche die skurrilsten Anwendungen und Methoden beschrieben. Offenbar experimentierte man vor vielen Jahren mit Felicita im Waisenhaus herum, aber den Grund und das eigentliche Ergebnis hatte sie noch nicht in Erfahrung bringen können. Sie brachte es nicht fertig, die restlichen Seiten zu lesen, da die ersten sie bereits verunsichert hatten und dazu gruselte sie sich vor sich selbst. Warum hatte ihr Gehirn diese Geschehnisse aus ihrer Kindheit so vehement verdrängt? Sie erinnerte sie an keinen dieser Tests, oder dass man ihr irgendwelche Mittelchen verabreichte. Ein eiskalter Schauer lief ihr über den Rücken. Wie konnte man einem Kind so etwas nur antun?

    „Wir können nur Eines sicher sagen. Dein lieber Vater experimentierte nicht nur in deinem Waisenhaus mit den hilflosen Kindern, sondern scheint sich auch gerne an den Insassen der Arena zu vergreifen."

    „Halt den Mund Isabella!", mischte sich Gian schlautrunken ein. Ihm fiel es sichtlich schwer, sich auf den unverletzten Ellenbogen zu stützen, um seinen Worten ein wenig mehr Ausdruck zu verleihen. „Sie kann nichts für all das hier und noch weniger für ihre Verwandtschaft, falls das überhaupt stimmt. Man hat sie genau wie uns eingesperrt. Dazu kommt noch, dass man Jahre zuvor mit ihr irgendwelche komischen Tests abgezogen hat? Wir sollten sie bemitleiden."

    „Ach, ich soll mit der Tochter des Mannes, der uns hier die Hölle auf den Hals hetzt, noch Mitleid haben?"

    „Niemand hat die Leute gezwungen, das Vit C3 zu nehmen", Gian schwang seine Beine über die Bettkante und signalisierte Felicita, dass sie zu ihm kommen sollte. „Das war allein ihre Entscheidung, oder hast du Fel mit einer Spitze herumrennen und Leuten das Zeug verabreichen sehen?"

Isabella schnalzte abwertend mit der Zunge und klemmte den Schlauch an Felicitas Arm ab, sodass der Blutfluss gestoppt wurde. Dann steckte sie etwas auf die Öffnung und drückte die drei vollen Pakete an ihre Brust. Die Nadel musste Felicita in ihrem Fleisch behalten, was das unangenehm, ewig stechende Gefühl nicht besser machte. Mit einer raschen Drehung wandte sich die Anführerin von den anderen ab und verließ das Zimmer.

    „Alles Okay?", Gians Stimme klang heiser und sein Atem unregelmäßig.

    „Das sollte ich wohl eher dich fragen", Felicita kam auf ihn zu und begutachtete seine Schusswunde in der Wade. „Schmerzt es sehr?"

Blank DreamWhere stories live. Discover now