~Sechsunddreißig~

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„Autsch, verdammt!"

„Boss, wenn du nicht still hältst, kann ich die Schnittwunden nicht reinigen", beschwerte sich Diego, musste allerdings den bösen Blicken Lucianos standhalten. „Ich weiß, wir können nicht sagen, was Gian ihr antuen wird."

„Das ist nicht das Problem. Er wird sie nicht verletzten. Jedes Mal, wenn er ihre Stimme auch nur gehört hat, beruhigte er sich."

„Warum hast du es dann so eilig?"

„Weil er sie mir niemals zurückgeben wird", knurrte Luciano und band sich die langen, lockigen Strähnen zu einem Zopf zusammen. „Er hat Gefühle für sie, die er bisher zurückstellte, weil er dachte, er sei ihr Bruder. Die aktuellen Fakten sehen allerdings anders aus."

„Entschuldige, wir hätten es ihm nicht verraten sollen."

„Vergiss es. Dafür kann Giovanni es ihm nun nicht mehr sagen. Solange Felicita halbwegs sicher ist, ist mir alles andere egal", er lehnte sich zurück und ließ Diego die Prellung an seinem Oberkörper untersuchen. „Sie wird bestimmt einen Arzt für ihn suchen. So wie er sich in der Kirche verhielt, müssen wir mit dem Schlimmsten rechnen."

„Und falls er auch Felicita verletzt hat?"

„Dann mein Freund, Gnade ihm Gott."

Nachdem seine Wunden vorsorglich verbunden waren, setzte sich Luciano ins nächste Auto. Giovanni hatte es wesentlich schlimmer erwischt. Er lag, soweit die durchgedrungenen Informationen, mit schweren Kopfverletzungen im Krankenhaus. Dort versuchten die Ärzte scheinbar alles, um ihn wieder herzurichten. So kaltherzig wie es vielleicht klingen mochte, interessierte es Luciano wenig, ob dieser Mann jemals zurück in diese Welt käme. Seinetwegen durfte er gerne im Koma verkommen. Manchmal schlug die Gerechtigkeit eben doch zu.

Die Suche gestaltete sich schwierig. Da sich seine Leute zuvor über mögliche Doktoren für Gians Abhängigkeit erkundigt hatten, wusste er vier Anlaufstellen, wo Felicita eventuell Hilfe bekam. Falls es ihr nichts passiert war. Er knirschte mit den Zähnen und bemerkte Diegos musternden Blicke. Dieser Junge machte sich eindeutig Sorgen um seine Gesundheit. Wie konnte er das alles nur unter einen Hut bringen?

„Hey", wand er sich an den Fahrer. „Wir statten den Romanos einen Besuch ab. Antonio wird bestimmt gerne erfahren, was einer seiner Leute in dieser Stadt treibt."

Als hätte er es vorausgesehen, trat Antonio aus der Tür sobald der Wagen vorfuhr. Besonders erfreut wirkte er nicht, aber es gab ja auch selten einen solchen Anlass, wenn sie sich trafen. Einen Vorteil brachte er jedoch mit sich. Antonio war einer der Wenigen, die nicht wegen jeder Kleinigkeit ausrasteten. Heute hätte er allerdings einen guten Grund, denn Luciano musste Gians Ausbruch und die Folgen mitverantworten.

„Wieder schiefgegangen, was?", begrüßte der andere Boss ihn schwach. „Schon eine Spur?"

„Nein nichts. Hat er sich bei dir gemeldet?"

„Leider auch nicht. Seit wir aus der Arena sind, haben wir keinen Kontakt. Und Felicita?"

„Ihr sollte nichts geschehen. Bisher hat Gian sie immer verschont und ich nehme an, dass er uns nur angegriffen hat, um sie zu sich zu holen."

Antonio entwich ein Stöhnen, das so klang, als hätte er sich so eine Reaktion Gians bereits gedacht. Etwas aufgewühlter als zuvor lief er vor dem Haus auf und ab. Wie sollte ihnen das weiterhelfen? Wütend trat Luciano gegen den Reifen seines Autos, aber auch das verschaffte ihm keine Linderung. Selbstverständlich sorgte er sich um Felicita, jedoch schienen seine Emotionen in völlig verrückte Bahnen zu verlaufen. Das kannte er so nicht.

Blank DreamWhere stories live. Discover now